Fußball-Bundesliga:Champions League? Wolfsburg überschätzt sich

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Auch er funktioniert in Wolfsburg nicht so recht: Mario Gomez. (Foto: Peter Steffen/dpa)

Die Ansprüche sind gewaltig, viele Transfers misslingen. Und im Verein fehlt ein Korrektiv für Alleinherrscher Allofs. Fünf Dinge, die in Wolfsburg falsch laufen.

Von Carsten Scheele

Erstens: Wolfsburg will ein Champions-League-Klub sein

"Und ihr wollt in die Champions League?" sangen die Wolfsburger Fans während des deprimierenden 0:1 gegen RB Leipzig, das Trainer Dieter Hecking sein Amt und beim VfL auch sonst einiges ins Rollen brachte. Die Frage ist berechtigt: Vielleicht ist Wolfsburg per se gar kein Klub für die Königsklasse? Die Meisterschaft 2009 darf man als Überraschungscoup abstempeln. Da galten die Art und Weise, wie 2015 Platz zwei und der Pokalsieg herausgespielt wurden, schon mehr. Wolfsburg als erster Bayern-Jäger, das gefiel den Bossen bei VW.

Allerdings ist der VfL daran gescheitert, dieses Niveau zu bestätigen. Doch gerade das macht Champions-League-Klubs aus. Der letzte deutsche Verein neben dem FC Bayern, der dies geschafft hat, ist Borussia Dortmund. Wolfsburg hingegen muss beweisen, dass es mehr ist als ein Klub, der an guten Tagen Real Madrid aus der Arena fieselt, an schlechten Tagen (und davon gibt es viele) aber vor gerade einmal 25 000 Fans gegen die Mittelklasse-Klubs der Bundesliga keine Lösungen findet.

Zweitens: Geld allein reicht nicht aus, um den FC Bayern einzuholen

Fast hätte es in der Saison 2014/15 geklappt, die Münchner einzuholen. Nur noch einen Schritt wähnte sich der VfL hinter dem großen FC Bayern, der Allein-Gesellschafter VW öffnete die Geldtöpfe. Doch die fast 90 Millionen Euro im Frühjahr/Sommer 2015 (für Schürrle, Draxler, Kruse, Dante) halfen nicht, die Mannschaft besser zu machen, geschweige denn den Weggang des alles überragenden Kevin De Bruyne aufzufangen. Und bislang führen auch die 50 Millionen Euro im Sommer 2016 (für Gomez, Gerhardt, Bruma, Blaszczykowski, Didavi) nicht dazu, dass Wolfsburg wieder im oberen Tabellenviertel mitspielt. 2015 war der VfL eine Mannschaft, die ihrem Trainer bedingungslos folgte. Das war der VfL anschließend nie wieder.

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Drittens: Der Trainer machte Fehler

Dieter Hecking verantwortet, dass der Neuanfang unter seiner Anleitung gleich zweimal gescheitert ist. Auch hat er - bei allem Druck, Hochkaräter zu verpflichten - offenbar nicht erkannt, welche Spielertypen seiner Mannschaft fehlen. Seit einiger Zeit ist zu hören, dass unter den Spielern die Zweifel an Heckings Arbeit wuchsen. Die Kaderkomposition ist zumindest riskant, so ist das Team vollkommen auf die Tore von Mario Gomez angewiesen, der es trotz Null-Tore-Flaute immer weiter versuchen darf - eben weil kein zweiter Stürmer (!) im Kader steht. Dem Mittelfeld fehlt es nach dem Ausfall von Daniel Didavi an Fantasie, in der Abwehr treibt Robin Knoche die Mannschaft als Rechtsfuß in der linken Innenverteidigung von einer Verlegenheit in die nächste.

So zieht es sich durch die vergangenen anderthalb Jahre. In der Vorsaison war es dem Trainer bereits misslungen, die Fähigkeiten von Schürrle (mittlerweile beim BVB) und Kruse (in Bremen) gewinnbringend einzusetzen - kann der bodenständige Hecking am Ende nicht mit großen Namen? Jedenfalls eine schlechte Bilanz für einen Mann, der sich nach dem Pokalsieg 2015 als "King" feiern ließ.

Viertens: Der Manager machte Fehler

Auch Allofs, der in Hecking übrigens erstmals einen Trainer entlassen hat, ist nicht frei von Schuld. Ganz im Gegenteil: Als omnipotenter Geschäftsführer und Manager hat er alle Transfers mit verantwortet. Doch das Näschen, das ihn einst bei Werder Bremen auszeichnete, als er Spieler wie De Bruyne oder Johan Micoud entdeckte, geht ihm seit einiger Zeit ab. Schürrle? Kruse? Draxler? Gomez? Haben in Wolfsburg (bislang) alle nicht funktioniert.

So kann sich Allofs hinstellen und Hecking vorwerfen, er habe aus der Mannschaft nicht genug herausgeholt, außerdem den Spielern polternd ihren freien Tag streichen. Es war allerdings Allofs, der diese Spieler für viel Geld geholt hat und mit ansehen muss, dass sie nicht die erhoffte Leistung bringen. Hartnäckig hält sich der Verdacht, dass viele Spieler nur des Geldes wegen in die Autostadt wechseln, aber nicht mit dem Herzen voll dabei sind. Jetzt versucht Allofs, diesen Missstand mit einem Trainerwechsel (vorerst übernimmt U23-Coach Valérien Ismaël) zu korrigieren. Dabei steht er nun gewaltig unter Druck.

Fünftens: Das Korrektiv an der Vereinsspitze fehlt

Dies ist das größte, strukturelle Problem des Vereins. Denn Allofs ist im Klub so mächtig, dass er schalten und walten kann, wie er will. Außer ihm sitzt in der Führungsetage keiner mit fußballerischer Fachkompetenz, von dem Allofs eine zweite Meinung einholen oder ein Veto kassieren könnte. Auf Geheiß von VW-Boss Francisco Javier García Sanz ist Allofs der starke Mann. Sanz ist allerdings auch der Meinung, dass sich das Investment des Autobauers in den Spitzenfußball lohnen muss - sprich: Der VfL muss international von sich reden machen.

Verpasst Wolfsburg erneut die Champions League oder, noch schlimmer, auch die Europa League, könnte es für Allofs ungemütlich werden. Nicht ausgeschlossen, dass VW seine finanzielle Unterstützung irgendwann sogar einstellt - der von Affären geschüttelte Konzern hat eigentlich genügend Ärger im Haus.

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