Fußball-Bundesliga:Braunschweig in Ekstase

VfL Wolfsburg v Eintracht Braunschweig - Bundesliga

Karim Bellarabi feiert das erste Tor für Braunschweig.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach nur einem Punkt in den ersten sieben Spielen gelingt Aufsteiger Eintracht Braunschweig ausgerechnet beim reichen Nachbarn in Wolfsburg der erste Saisonsieg. FC Schalke dreht in Überzahl das Spiel gegen Augsburg, Torwart Heinz Müller ist beteiligt am Mainzer Ausgleich in der Nachspielzeit.

[] VfL Wolfsburg - Eintracht Braunschweig 0:2

10 353 Tage nach dem bislang letzten Erfolg in der Fußball-Bundesliga ist Eintracht Braunschweig ausgerechnet im Derby beim VfL Wolfsburg der erste Saisonsieg gelungen. Der Aufsteiger gewann am Samstag durch Tore von Karim Bellarabi (31. Minute) und Domi Kumbela (86.) mit 2:0 (1:0) und krönte damit eine emotionale Woche, in der sich Fans und Klubführung mit Macht und Erfolg gegen einen möglichen Rücktritt von Trainer Torsten Lieberknecht gestemmt hatten.

Davon schien der 40-Jährige, der beim zuvor letzten Bundesligasieg Braunschweigs am 1. Juni 1985 bei Bayer Uerdingen (2:1) elf Jahre alt gewesen war, in Wolfsburg weit entfernt. Gewohnt emotional und engagiert verfolgte Lieberknecht den beherzten Auftritt seines Teams, als hätte es den Wirbel der vergangenen Tage nicht gegeben. Durch den Sieg verließ Braunschweig zumindest für einen Tag mit nun vier Punkten den letzten Tabellenplatz.

Das umständliche Spiel des Favoriten aus Wolfsburg spielte der neuen Aufbruchstimmung in Braunschweig in die Karten. Anhänger und Klub-Führung hatten dem scheinbar amtsmüden Lieberknecht nach dem schlechtesten Saisonstart eines Bundesligaclubs überhaupt demonstrativ den Rücken gestärkt. Möglicherweise führte auch dies zur leidenschaftlichen Vorstellung der Braunschweiger Profis beim VfL. Dabei begann auch das erste Meisterschaftsspiel zwischen beiden Nachbarklubs seit mehr als 20 Jahren wie alle bisherigen sieben Saisonspiele Braunschweigs. Der Aufsteiger spielte engagiert und stand kompakt, offenbarte aber auch erhebliche spielerische Mängel. Indes taten sich die Gastgeber schwer, aus ihrer optischen Überlegenheit auch Torgefahr zu entwickeln. Ein Drehschuss von Marcel Schäfer, den Eintracht-Keeper Daniel Davari zur Ecke lenkte (20.), war die einzige echte Chance des VfL im gesamten Spiel.

Etwa zur Hälfte des ersten Durchgangs konnte auch Braunschweig Akzente setzen und wurde bei Kontern etwas forscher. Mit der ersten Möglichkeit gelang der Eintracht auch die erste Führung dieser Saison. Nach einem Steilpass von Orhan Ademi, der erstmals in dieser Spielzeit von Beginn an ran durfte, lief Mirko Boland allein auf das VfL-Tor zu, legte uneigennützig auf Bellarabi auf, der ohne Probleme vollendete. Ricardo Rodriguez hatte dabei das Abseits aufgehoben.

Zur Pause wagte Wolfsburgs Trainer Dieter Hecking noch mehr Risiko und brachte für Mittelfeldspieler Schäfer den offensiveren Ivan Perisic. Ohne Erfolg: Wolfsburg spielte ideenlos, umständlich und unkonzentriert und baute Braunschweig weiter auf. Einen der vielen Konter der Gäste nutzte der eingewechselte Aufstiegsheld Kumbela zu seinem ersten Saisontor. Es folgte eine Massenabwanderung der enttäuschten VfL-Anhänger. Bei den Braunschweigern entluden sich dagegen alle Emotionen. "Oh, wie ist das schön", sangen die tausenden Eintracht-Fans, und Lieberknecht führte an der Seitenlinie ein Tänzchen auf.

[] FSV Mainz 05 - TSG Hoffenheim 2:2

Mit einem Kraftakt hat der FSV Mainz 05 eine weitere Pleite gerade noch abwenden können. Die Mainzer kamen nach einer imposanten Aufholjagd noch zu einem 2:2 (0:2) gegen 1899 Hoffenheim und vermieden damit die sechste Pflichtspiel-Niederlage in Folge. Kevin Volland (14.) und Roberto Firmino (22.) hatten die TSG 2:0 in Führung gebracht, Eric-Maxim Choupo-Moting (82.) und Nikolce Noveski (90.+2) sicherten Mainz schließlich noch einen verdienten Punkt.

Die 25.187 Zuschauer in der Mainzer Arena sahen in den ersten Minuten ein reines Kampfspiel. Die Gastgeber, bei denen Bo Svensson sowie Julian Koch, Niko Bungert sowie Julian Baumgartlinger fehlten, gaben keinen Ball verloren. Nach einem Freistoß von Johannes Geis wurde es das erste Mal gefährlich für die Gäste (3.). Kurz darauf forderten die Mainzer nach einem Zweikampf zwischen Hoffenheims Abwehrchef David Abraham und Niki Zimling einen Elfmeter (9.). Schiedsrichter Wolfgang Stark (Ergolding) ließ die strittige Szene aber weiterlaufen.

Nur drei Minuten später hatten die Kraichgauer die Chance zur Führung. Tarik Elyounoussi traf mit seinem Distanzschuss aber nur die Latte. Wenig später machte es der seit Wochen in Topform spielende Volland besser. Der Kapitän der deutschen U21-Nationalmannschaft schloss eine Einzelaktion gekonnt ab. Es war bereits das fünfte Saisontor Vollands.

In der 21. Minute mussten die Gäste, bei denen der 19 Jahre alte Jeremy Toljan als Ersatz für den verletzten Außenverteidiger Fabian Johnson sein Bundesliga-Debüt feierte, ihren französischen Top-Torjäger Anthony Modeste vom Feld nehmen. Der Angreifer (Verdacht auf Adduktorenzerrung) wurde durch Sven Schipplock ersetzt. Dieser Tausch war ein Glücksgriff von Trainer Markus Gisdol. Nur wenige Sekunden nach seiner Einwechslung bereitete der Joker den fünften Saisontreffer des brasilianischen Spielmachers Firmino vor.

Nach dem Seitenwechsel waren die Hoffenheimer dem dritten Tor zunächst näher als die Mainzer ihrem ersten. Der FSV konnte keinen Druck entwickeln, der Offensive um Nicolai Müller fehlte die Durchschlagskraft. Erst in der 56. Minute wurde es im Hoffenheimer Strafraum wieder gefährlich, Zimling konnte aber nicht vollstrecken. Danach verflachte das Niveau, vor beiden Toren passierte wenig. Das änderte sich in der 69. Minute, Müller scheiterte aber am Hoffenheimer Torwart Koen Casteels.

Nach Choupo-Motings Treffer drängte Mainz vehement auf den Ausgleich, blieb aber trotz einiger Großchancen bis in die Nachspielzeit glücklos - dann traf Noveski aus dem Getümmel. Zuvor hatte der aufgerückte Torwart Heinz Müller eine Ecke Richtung Hoffenheimer Tor geköpft.

[] VfB Stuttgart - Werder Bremen 1:1

Der VfB Stuttgart hat durch ein 1:1 (1:1) gegen Werder Bremen im Rennen um die Europapokal-Plätze wieder an Boden verloren. Mit elf Punkten fehlt den Schwaben ein Zähler auf Rang sechs. Stuttgart war vor 50.410 Zuschauern in der Mercedes-Benz-Arena die bessere Mannschaft und ging durch Martin Harnik bereits nach fünf Minuten in Führung. Nach einem Fehler der VfB-Abwehr sorgte Nils Petersen in einer unspektakulären Partie aber noch vor der Halbzeit für den Endstand (37. Minute). Wegen des schlechteren Torverhältnisses bleiben die Gäste in der Tabelle hinter Stuttgart. Der VfB begann erstmals unter Thomas Schneider in der Bundesliga ohne den 17 Jahre alten Timo Werner in der Startelf. Den freien Platz auf der linken Außenbahn besetzte Ibrahima Traoré, auf Rechts bekam Harnik seine Chance von Beginn an - und nutzte sie. Nachdem Traoré (2.) und Vedad Ibisevic (5.) noch an Bremens Torwart Sebastian Mielitz gescheitert waren, erzielte Harnik Sekunden später das frühe 1:0. Die Ecke nach der Chance von Ibisevic setzte Alexandru Maxim auf den Kopf von Daniel Schwaab, der verlängerte und Harnik bedankte sich am langen Pfosten. Für den Nationalspieler Österreichs war es das dritte Saisontor in der Liga.

Bremen hatte den Stuttgarter Angriffen in der Anfangsphase nichts entgegenzusetzen. Einzig Aaron Hunt kam mit seinem Schlenzer nach acht Minuten in die Nähe von Thorsten Kirschbaum im Tor des VfB. Auf der Gegenseite verpasste Ibisevic eine Hereingabe von Traoré denkbar knapp (11.). In der Folge drosselte Stuttgart aber das Tempo und lies die Gäste besser ins Spiel kommen. Die Innenverteidiger Schwaab und Antonio Rüdiger hatten nun ebenso viel Ballbesitz wie William Kvist und Christian Gentner im Mittelfeld. Schöne Spielzüge brachten die Schwaben zwar immer wieder in die Nähe des Werder-Tores, richtig gefährlich wurde es für Bremens Abwehr aber nicht mehr. Einige Fans sehnten sich wohl schon nach dem Volksfest auf dem Cannstatter Wasen, als sie die erste große Unachtsamkeit der VfB-Abwehr sahen. Und die führte prompt zum 1:1.

Zlatko Junuzovic gab einen bereits verschenkt geglaubten Ball nicht verloren, legte ihn zurück an den Fünfmeterraum und bescherte Petersen den überraschenden Ausgleichstreffer (37.). Für den 24-Jährigen war es das dritte Saisontor. Nach dem Seitenwechsel war Stuttgart weiterhin die bessere Mannschaft und hatte durch Ibisevic die erste Gelegenheit zur erneuten Führung. Sein Kopfball geriet aber zu hoch (53.). Auch die Distanzschüsse von Maxim und Harnik aus rund 25 Metern brachten fünf Minuten später nicht das gewünschte Resultat. Bremen beschränkte sich aufs Verteidigen und war oft mit elf Spielern in der eigenen Hälfte. Das reichte am Ende für das dritte ungeschlagene Spiel in Serie, weil auch Traoré (76.), Schwaab (78.) und Rüdiger (79.) ihre Chancen nicht nutzten.

[] FC Schalke 04 - FC Augsburg 4:1

Angeführt von Kevin-Prince Boateng und dem zweifachen Torschützen Adam Szalai hat Schalke 04 seinen 600. Sieg in der Fußball-Bundesliga gefeiert. Mittelfeld-Spieler Boateng riss beim 4:1 (2:1)-Erfolg gegen den FC Augsburg bis dahin konfuse Schalker mit seinem Foulelfmeter zum 1:1 (16.) aus der Lethargie.

Szalai (28./78.) sicherte mit seinem Doppelpack Schalke den dritten Saisonsieg. Boateng musste in der 68. Minute angeschlagen vom Feld und humpelte in die Katakomben. Für den Schlusspunkt sorgte Max Meyer (87.).

Mit elf Punkten rücken die in der Champions League und dem DFB-Pokal auf Kurs befindlichen Schalker zumindest wieder bis auf zwei Zähler an Platz vier heran - und zogen auch an den Augsburgern (10) vorbei. Dabei schienen die bayerischen Schwaben nach dem 1:0 durch den ersten Treffer von Sascha Mölders nach 894 Minuten (10.) auf dem Weg zu einem erneuten Erfolg, ehe das Spiel durch die rote Karte gegen Ragnar Klavan wegen einer Notbremse vor dem Ausgleich komplett kippte.

Jermaine Jones kehrte nach seiner Denkpause (Sportchef Horst Heldt: "Ich hoffe, er hat es verstanden") in der Champions League wieder in den Schalker Kader zurück, nicht aber in die Startelf. Augsburg war vor 60.731 Zuschauern bissiger und hatte in den ersten drei Minuten gleich drei Torchancen. Die Schalker wirkten verunsichert, zahlreiche Ungenauigkeiten prägten das Spiel der Gastgeber. Die Strafe folgte auf dem Fuß, als Mölders eine Flanke von Matthias Ostrzolek über die Linie drückte und seine fast zehn Stunden währende Torflaute beendete.

Eine einzige Szene brachte die Schalker wieder ins Spiel. Klavans rote Karte nach dem Foul gegen Szalai war berechtigt, Boateng drosch den Ball zu seinem bereits dritten Tor im fünften Liga-Spiel für Schalke ins Netz. Dies sorgte auch dafür, dass die Gäste ab der 18. Minute ohne Ex-Schalker spielten: Halil Altintop musste aus taktischen Gründen dem südkoreanischen Innenverteidiger Jeong-Ho Hong weichen. Doch nun war Schalke wach: Nach dem öffnenden Pass von Roman Neustädter legte Atsudo Uchida für Szalai ab und der Ungar vollendete. Die Vorentscheidung verpasste Felipe Santana mit einem Kopfball an den Pfosten (39.).

Nach dem Wechsel fanden die Gäste wieder ins Spiel, Schalke ließ wieder jegliche Souveränität vermissen und musste sich einige Pfiffe anhören. Santana rettete im letzten Moment vor dem einschussbereiten André Hahn (54.). Auf der Gegenseite verzog Dennis Aogo knapp (58.), Boatengs etwas zu harmloser Kopfball wurde sichere Beute von FCA-Keeper Alexander Manninger (61.). Dann trafen Szalai und Meyer.

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