Fußball: Bremer Transfer-Affäre:Doppelt und dreifach kassiert

Ist Claudio Pizarro Stürmer? Spielervermittler? Gar beides? Die Geschichte und die Dokumente eines brisanten Transferfalls.

P. Burghardt, T. Kistner und R. Wiegand

Die Entstehung seines Treffers zum 2:0, der Werder Bremen endgültig ins Viertelfinale des Uefa-Pokal-Wettbewerbs verholfen hatte, konnte Claudio Pizarro noch flüssig erklären. Sein Sprint in die Spitze, der Kopfball, die Chancenlosigkeit des Abwehrspielers von St. Etienne: "Da kann der gar nichts machen, das hat mich sehr gefreut", trällerte der Angreifer - ehe plötzliche Sprachbarrieren die weitere Kommunikation mit dem ARD-Reporter empfindlich störten. Ob ihn denn die andere Sache gar nicht belaste, fragte der. Pizarro erwiderte etwas von "großem sportlichen Druck". Nein, nein, er meine den Vorwurf, er sei verbotenerweise Spielerberater tätig. Pizarro: "Ich verstehe nicht, was?" Im dritten Anlauf dann: "Ach Du meinst das Ding da drüben? Darüber spreche ich nicht."

Fußball: Bremer Transfer-Affäre: Dokument I: Das "Privatabkommen über die Abtretung von Rechten" (links) regelt die Besitzverhältnisse an dem Spieler Roberto Silva, kurz bevor er aus Lima nach Bremen wechselte. Dem Profi Claudio Pizarro (Bosio) gehörten demnach 30 Prozent, Vater Claudio Pizarro (Davila) zehn.

Dokument I: Das "Privatabkommen über die Abtretung von Rechten" (links) regelt die Besitzverhältnisse an dem Spieler Roberto Silva, kurz bevor er aus Lima nach Bremen wechselte. Dem Profi Claudio Pizarro (Bosio) gehörten demnach 30 Prozent, Vater Claudio Pizarro (Davila) zehn.

So leicht wird Pizarro wohl nicht mehr lange das "Ding da drüben" abschütteln können - denn es ist ein ziemlich dickes Ding, das in Pizarros Heimat Peru steigt. Gegen Pizarros langjährigen Geschäftspartner und Agenten, den Spielerberater Carlos Delgado, laufen beachtliche Ermittlungen wegen zahlreicher Delikte, die mit Geld zu tun haben: Geldwäsche, Schwarzgeld, Steuerhinterziehung. Immer mit im Boot: Claudio Pizarro Bosio, 30, peruanischer Nationalspieler und derzeit an Werder ausgeliehener Angestellter des englischen Klubs FC Chelsea.

Für Werder Bremen, das mit einem 2:2 (2:0) in St. Etienne gerade die lang anhaltende sportliche Flaute dieser Saison endgültig beendet hat, könnte die Affäre noch sehr unangenehme Weiterungen haben. Der Klub dürfte den schwer belasteten Pizarro Ende der Saison zwar problemlos wieder nach London entlassen, er ist ja nur ausgeliehen. Aber das Problem bliebe an der Weser.

Denn die Vorwürfe kreisen hauptsächlich um einen Transfer aus dem Jahre 2001, als ein anderer Klient von Delgados Firma "Image" aus Peru in die Bundesliga wechselte. Roberto Enrique Silva Pro heuerte damals bei Werder an - als Nachfolger von Pizarro, der zu diesem Zeitpunkt gerade sein erstes Engagement bei den Bremern mit einem Wechsel zum FC Bayern München abgeschlossen hatte.

El tanque blanco, der weiße Panzer, wurde Stürmer Silva in Peru genannt. Heute versuchen die Bremer, die Entdeckung des damals 25-jährigen Nationalspielers ausgerechnet wieder in Peru und wieder im Stall des Spielerberaters Delgado als Zufall erscheinen zu lassen - mit dem Claudio Pizarro gar nichts zu tun gehabt habe. "Natürlich habe ich mit Claudio damals über Roberto gesprochen", sagte Werders Sportdirektor Klaus Allofs am Mittwochabend in St. Etienne. "Er hat mir gesagt: Du, ich kenne den gar nicht richtig."

Silvas artiger Dank an Pizarro

Das wäre erstaunlich. Pizarro und Silva spielten nicht nur ein paar Monate im selben Verein Seit an Seit - 1998 für den Klub Allianz Lima - es gab offenbar auch regen Gedankenaustausch zwischen allen Beteiligten. Der Weser-Kurier schrieb damals über den Neuzugang: "Werders Sportdirektor Klaus Allofs hat erst etliche Videobänder studiert, sich dann Silva in Lima selbst angesehen und schließlich auch auf Claudio Pizarro vertraut, der seinem bisherigen Arbeitgeber den einstigen Mannschaftskameraden Silva wärmstens empfahl." In einem Interview bedankte sich Silva später artig für die Hilfe und Tipps von Pizarro.

Heute weiß man: Aus reiner Nächstenliebe förderte Pizarro die Karriere seines Landsmannes nicht. Er hat, das geht aus den kompletten Vertragsunterlagen des Transfers hervor, mit dem Silva-Deal sehr viel Geld verdient - mindestens 895.875 US-Dollar. Die belastenden Papiere sind derzeit im Besitz von Delgados Noch-Ehefrau Fiorella Faré, die sich in einem Rosenkrieg mit dem Gatten befindet und nicht zimperlich ist dabei, dessen Geschäftgebahren offen zu legen. Das Material offenbart, dass Pizarro in der Firma Image wohl weit mehr gewesen ist als ein stiller Teilhaber, wie er zuletzt stets behauptete. Und die Papiere, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, belegen auch die mindestens naive Rolle, die Werders Geschäftsführung gespielt hat.

Zwei brisante Dokumente

In den Aktenordnern finden sich vor allem zwei sehr interessante Schriftstücke. Das eine belegt, dass Claudio Pizarro selbst noch neben seiner Beteiligung an Image eigene, persönliche Anteile an den Transferrechten des Spielers Roberto Silva hielt. Diese hatte Carlos Delgados Firma Image, die mal unter peruanischer, mal unter panamaischer Adresse auftrat, für 250.000 Dollar von Cristal Lima abgekauft. Mit diesem Schreiben trat Silvas Verein alle Transferrechte jetzt und in Zukunft ab.

Fußball: Bremer Transfer-Affäre: Dokument II: Das handschriftliche Diagramm rechnet vor, wie die 1,61 Mio. Dollar verteilt wurden, die Werder für Silva insgesamt zahlte. CPB dürfte für Pizarro junior stehen: 895.875 Dollar. "JB" übersetzen manche mit Werder-Vorstand Jürgen Born - wofür hätte er 100.000 Dollar bekommen?

Dokument II: Das handschriftliche Diagramm rechnet vor, wie die 1,61 Mio. Dollar verteilt wurden, die Werder für Silva insgesamt zahlte. CPB dürfte für Pizarro junior stehen: 895.875 Dollar. "JB" übersetzen manche mit Werder-Vorstand Jürgen Born - wofür hätte er 100.000 Dollar bekommen?

Dennoch - zweites interessantes Dokument - schloss Werder Bremen offiziell einen Transfervertrag mit dem Klub Sporting Cristal Lima. In der "Transfervereinbarung zwischen dem Verein Sporting Cristal Lima, Peru (...) und dem Sport-Verein "Werder" v. 1899 e. V" verpflichtet sich der Bundesligist zur Zahlung einer Ablösesumme von 1350000 Millionen Dollar an den Verein Cristal Lima. Tatsächlich überwiesen wurde das Geld aber via Bremer Landesbank an die Firma Imagesa International Management Agenca, kurz: Image.

Hätte Werder den Peruaner Silva länger als nur eine Saison verpflichtet - der "weiße Panzer" erwies sich leider als nicht sehr geländetauglich und setzte sich nie durch - wären weitere 1,3 Millionen Dollar fällig geworden. Die Transfervereinbarung unterschrieb auf Seiten des abgebenden Vereins Cristal Lima der Spielerberater Carlos Delgado. Ein Schriftstück bevollmächtigte ihn angeblich dazu, das Geschäft für Cristal abzuwickeln. Für Werder unterschrieb neben Sportdirektor Allofs der damalige Chef der Geschäftsführung Jürgen Born.

So kassierten Delgado, Pizarro und dessen Vater, ebenfalls Anteilseigener am Profi Roberto Silva, doppelt und dreifach. Einmal über die Ablösesumme, dann über das Vermittlungshonorar von 135.000 Dollar, das Werder an Image fürs Maklern des Transfers obendrauf zahlte, und drittens 125.000 Dollar, die Werder vorab bereits für einen Beratervertrag mit Image gelöhnt hatte.

Die Gesamtsumme teilte sich nach einem bestimmten Schlüssel unter Vater und Sohn Pizarro sowie der Firma Image und dem Spieler Silva auf - ein handschriftliches Geldflussprotokoll auf Image-Briefpapier gibt darüber dezidiert Auskunft. Hauptprofiteur war demnach Claudio Pizarro, dem der Silva-Coup den Jackpot von knapp 900.000 Dollar einbrachte. Passende Überweisungsbelege hat Delgados Ex auch aufgehoben.

Bleibt die Frage, warum sich Werder Bremen, ein sonst auf seine Seriosität aufs Penibelste bedachter Klub, auf ein solches Geschäft mit dem Multi-Bevollmächtigten Delgado eingelassen hat. Der trat als Berater Silvas und als Abgesandter von dessen Klub gleichzeitig auf, was die Statuten der Fußballverbände klar verbieten. Ein Spielervermittler, heißt es in deren "Spielervermittler-Reglement", muss Interessenkonflikte vermeiden und darf keine Vereinbarungen mit mehreren an einem Transfer beteiligten Parteien haben.

Eindrucksvolle Bußen drohen

Fußball: Bremer Transfer-Affäre: Claudio Pizarro will zu der Affäre um seine Person nichts sagen.

Claudio Pizarro will zu der Affäre um seine Person nichts sagen.

(Foto: Foto: ddp)

Der Paragraph ist wie geschrieben für den gut vernetzten Delgado, der von der Fifa lizenziert ist und daher an die Weltverbandsregeln gebunden wäre. Sollte die Fifa Verstöße auch bei Werder oder Pizarro feststellen, drohen Sanktionen, die weit reichen dürfen.

Dem Spieler könnte von der Verwarnung bis zum "Verbot jeglicher in Zusammenhang mit dem Fußball stehender Tätigkeit" blühen, sollte ein Verbandsgericht zu dem Urteil gelangen, Pizarros Beteiligung an Image oder einzelnen Spielern sei statutenwidrig. Dem Klub drohen von milden Geldstrafen bis Transferverbot, Punktabzug und Zwangsabstieg ebenfalls eindrucksvolle Bußen.

Für Werder-Geschäftsführer Klaus Allofs, das sagte er der SZ, "war das ein ganz normaler Transfer" - gemessen an südamerikanischen Verhältnissen. Dort sei oft nicht ganz klar, wie sich die Eigentumsverhältnisse an einem Spieler aufschlüsseln. Dass Silva längst Image und nicht mehr Cristal Lima gehörte, "haben wir nicht gewusst", sagt Allofs. Mit Born zusammen unterschrieb er für Werder alle Verträge.

In diesem Zusammenhang dürfte im Geld-Fluss-Protokoll wohl der Hinweis "JB 100.000" von Interesse sein. Er könnte eine Zahlung von Image an Jürgen Born chiffrieren. 50000 Dollar sind wenig später tatsächlich per Banküberweisung von Image an den Werder-Vorstand geflossen - ein Umstand, der Born vergangene Woche in den Rücktritt von allen Ämtern getrieben hat. Born sagte am Donnerstag der SZ, die Klärung obliege dem Verein, "ich soll, äh, will so lange nichts sagen." Er habe nicht einmal mehr sein Büro betreten, "nicht dass es am Ende heißt, da fehlen Unterlagen".

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