Fußball:Beim FC Bayern gilt: Triple oder nix

Josep Guardiola

Pep Guardiola wird noch ein paar Mal ins Stadion des FC Bayern einlaufen - dann ist er weg.

(Foto: firo Sportphoto)
  • Viele Fragen zum Rückrundenstart des FC Bayern: Welchen Platz hat Guardiola am Ende in der Chronik? Was findet der Trainer an England?
  • Über einen Verein, den einiges umtreibt.

Von Christof Kneer

Ja, es stimmt: Pep Guardiola hat seinen Spielern noch nicht erklärt, warum er den Verein verlässt. Er hat es beim ersten Training im neuen Jahr nicht getan, er hat es im Trainingslager in Katar nicht getan, und auch im Omnibus, der Team und Trainer zum Testspiel ins Karlsruher Stadion fuhr, blieb er stumm. Wie alles, was mit dem FC Bayern und diesem Trainer zusammenhängt, hat natürlich auch diese Nicht-Erklärung ausgereicht, um in der Stadt eine kleinere Debatte auszulösen: Ist das okay, dass dieser Trainer seiner angeblich so heiß geliebten Mannschaft seine Gründe schuldig bleibt? Darf man das?

Pep Guardiola, 45, ist überzeugt, dass die Gegenfrage so lauten muss: Ja, warum eigentlich nicht?

Man kann davon ausgehen, dass Guardiola auch diese Debatte irritieren würde, wenn er sie an sich heran ließe. Sie würde ihn so irritieren wie ein paar andere Debatten, die in den vergangenen zweieinhalb Jahren - mal mit mehr, mal mit weniger, mal mit gar keinem Recht - geführt wurden. Ob seine Elf zu offen für Konter ist. Ob er genug trainieren lässt. Ob er lädierte Spieler zu früh einsetzt und was er gegen diesen Arzt hat, der mit über 70 noch schneller rennt als Xabi Alonso.

Ob das überhaupt eine Leistung ist, Meister zu werden mit einem Kader, den jede Oma zum Titel führen würde. Und ob das in Ordnung ist, dass hier einer hergeht und einem Klub das Spiel neu erklärt, bei dem schon Udo Lattek, Ottmar Hitzfeld und Jupp Heynckes Trainer waren.

"Jupp Heynckes und Ottmar Hitzfeld werden immer wichtiger sein als ich", hat Guardiola am Donnerstag gesagt, einen Tag vor dem Rückrunden-Auftakt beim HSV. Was Komplimente angeht, kennt Guardiola nichts, er würde auch der nächstliegenden Verkehrsinsel seine Liebe erklären, wenn er dass Gefühl hätte, dass es ihm und seinem Fußball nützt.

Das Heynckes-und-Hitzfeld-Kompliment war aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ernst gemeint. Denn das hat Guardiola ja längst begriffen: Dass er es in der emotionalen Hierarchie dieses sehr speziellen Vereins nie auf die Jupp-und-Ottmar-Ebene schaffen wird. Was im Übrigen - wie man inzwischen weiß - auch nie sein Anspruch war.

Es heißt jetzt ja überall, dass die nun beginnende Rückrunde darüber entscheide, welchen Platz Pep Guardiola einmal in der heiligen Bayern-Chronik einnehmen werde. Ob er vorne drauf auf dem Titelblatt steht, mit Goldrand neben Heynckes und Hitzfeld und Lattek, oder ob man lange blättern muss, um ihn in der Rubrik "unter ferner coachten" zu finden. Pep Guardiola war recht lässig gelaunt am Donnerstag, aber er weiß, dass man ihm in der Stadt und vielleicht sogar im Verein jedes Saisonergebnis unterhalb des sogenannten Triples umgehend zur Last legen wird.

Es ist auch diese Debatte, die Guardiola bewogen hat, diese Stadt und diesen Klub zu verlassen. Weil er das Gefühl hat, an einem Maßstab gemessen zu werden, der vieles andere, was er leistet, unterschlägt.

Mehr als vier Wochen ist es jetzt her, dass der FC Bayern den Abschied seines Trainers verkündet hat, und noch immer beschäftigt die Menschheit diese Frage: Warum eigentlich geht Guardiola, wo er in München doch alles hat, einen schwer reichen Verein mit einem schwer zu überbietenden Kader und Vorgesetzten, die vermutlich schwer in Ordnung sind? Man muss sich den Trainer Guardiola als großes grübelndes Gesamtkunstwerk vorstellen, und so einer findet schon auch Gründe, warum es ganz okay wäre zu bleiben. Er findet aber noch mehr Gründe, warum er unbedingt weiterziehen muss.

Pep will nicht alles nochmal durchziehen

Die ewige Triple-Debatte spiele sicher eine Rolle, sagt ein Vertrauter; Guardiola könne sich einfach nicht mehr vorstellen, sich noch mal ein ganzes Jahr lang mit all seiner wilden Perfektionssucht in die Bundesliga zu vergraben, noch mal den HSV scouten, noch mal Augsburg sezieren, schon wieder das Konterspiel von Mainz analysieren - und das alles, um am Ende des ganzen manischen Aufwandes nur am Rückspiel des Champions-League-Halbfinales gemessen zu werden. Guardiola wolle lieber neue Teams sezieren, zur Not auch Newcastle und Sunderland, er habe Bock auf eine Liga, in der man sich für den Meistertitel nicht entschuldigen muss.

Bayerns Bosse haben ernsthaft um Guardiola gekämpft, aber eines haben sie wohl eine Zeitlang unterschätzt: dass dieser Katalane gar kein Mia-san-mia-Bayer, dass dieser Pep gar kein Sepp werden will. Dass er nur seine eigene Agenda abarbeitet, die ihn zwecks persönlicher Weiterentwicklung als ersten Schritt zum seriösen, Erfolg und Sicherheit versprechenden FC Bayern führte und nun, zwecks weiterer Weiterentwicklung, in die reichste Liga der Welt.

Es sei eine Entscheidung für England und nicht gegen Bayern, sagen sie im Klub. Das kann man schon so sehen, auch wenn der Trainer immer mal das Gefühl hatte, dass sie seine Idee von Fußball nicht wirklich verstehen in diesem krachledernen Land. Guardiola kann in einer Partnerschaft furchtbar anstrengend sein, so wie der FC Bayern für Zugereiste etwas fremd wirken kann mit seinem rührenden Jupp-und-Ottmar-Stolz. Guardiola findet, es ist jetzt einfach der perfekte Zeitpunkt: Wenn er die Champions League wieder nicht gewinnt, kommt sowieso die große Guardiola-Debatte. Und wenn er sie gewinnt, kann es sowieso nicht mehr besser werden.

Also, Jungs: Warum hätte er seinen Vertrag verlängern sollen?

Guardiola kann ein glatteisglatter Stratege sein, er ist kein Trainer, dem Spieler in tiefer Innigkeit verbunden sind, dennoch verlässt sich der Coach darauf, dass die Profis ihm durchs letzte gemeinsame Halbjahr folgen werden. Die Spieler wissen ja, dass sie noch nie einen Coach hatten, der ihnen so präzise erklärt hat, was sie auf welcher Position zu tun haben, und so werden in Wahrheit nicht nur die Ergebnisse der nächsten Monate über Peps Werk entscheiden, sondern auch die Zeit danach.

Wenn der keineswegs glatteisglatte, sondern wirklich sehr freundliche Italiener Carlo Ancelotti das Team mal übernommen hat, wird es irgendwann eine Antwort auf die entscheidende Frage geben: Hat Bayern tatsächlich zwölf oder 15 Spieler von brillanter individueller Klasse? Oder hat das nur so ausgesehen, weil der große Guardiola die Spieler so klar geführt, weil er sie taktisch so beeinflusst und weil er sie angetrieben, angetrieben, angetrieben hat?

Aus seinem Sabbatical hat Ancelotti schon mal signalisiert, dass er Xabi Alonso, 34, ein weiteres Jahr behalten möchte, das spricht eher für eine solide als für eine weiterführende Spielidee. Auf höherem sportlichen Niveau könnte der Verein bald ein wenig aussehen wie früher: mit den Klublenkern Karl-Heinz Rummenigge und (vielleicht) Uli Hoeneß und mit einem Jupp-und-Ottmar-artigen Coach, der nicht siebenmal pro Spiel das System wechselt und Arjen Robben garantiert nie ins Zentrum stellt. Und bei Bayern werden sie sagen, früher war ja nicht die schlechteste Zeit.

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