Fußball: Begehrte Nationalspieler:Phantom am Prado

Mailand oder Madrid - Hauptsache ein Deutscher: Nach der beeindruckenden WM von Özil, Khedira & Co. hat nun das internationale Wettbieten um die jungen DFB-Spieler begonnen. Die spanische Presse meldet bereits Vollzug.

Fabian Heckenberger

Beim VfB Stuttgart haben sie allmählich Übung im Umgang mit Personal, dessen Anwesenheit vertraglich zwar noch zugesichert ist, das aber einer gewissen Fluchtgefahr unterliegt. Manager Horst Heldt hat seine letzten Arbeitstage bei den Schwaben gerade abgesessen und sich, trotz eines Vertrags bis zum Jahr 2013, selbst nach Gelsenkirchen zu Felix Magath transferiert.

Sami Khediras Arbeitspapiere sind noch bis Juni 2011 datiert, aber als Gerücht geistert der Mittelfeldspieler bereits durch Madrid. Einiges deutet darauf hin, dass sich dieses Verhältnis demnächst umkehren könnte: dass Khedira in Stuttgart bald nur noch ein Name ist, an den sich die Fans gerne erinnern, und sich der Nationalspieler als Zugang von Real Madrid materialisiert.

Im Trikot der Königlichen

Die Zeitung Marca ist in Sachen Real das, was man als "gewöhnlich gut unterrichtet" bezeichnet, und Marca berichtete am Donnerstag übereinstimmend mit anderen Medien, dass Sami Khedira soeben einen Teil seines Urlaubs nach der Fußball-WM in Madrid verbringt, genauer: im Hotel Mirasierra und auf dem Vereinsgelände von Real. Dort habe er sich am Mittwoch mit José Mourinho besprochen. Mourinho arbeitet seit Juni als Trainer in der spanischen Hauptstadt und will die historische Reihe deutscher Real-Spieler offensichtlich um einen weiteren ergänzen: Auf Günter Netzer, Paul Breitner, Uli Stielike, Bernd Schuster, Bodo Illgner und Christoph Metzelder könnte bald Sami Khedira folgen, der vor seiner Rückkehr nach Stuttgart am Donnerstag schon mal besichtigen durfte, wie seine Zukunft aussehen könnte: Marca druckte eine Fotomontage von ihm im Trikot der Königlichen.

Das öffentliche Werben um Khedira ist der Auftakt für die Wechselspiele nach dem Ende der WM, und Madrid nicht der einzige gewichtige Standort des Weltfußballs, der die Mitglieder der Nationalmannschaft kontaktiert. "Gerade an unseren jungen Spielern ist großes Interesse der Topklubs entstanden", stellte Bundestrainer Joachim Löw schon in Südafrika fest.

Alle wollen Schweinsteiger

Dass fast jeder Klub (inklusive Real Madrid) derzeit gerne Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm verpflichten würde, ist bekannt. Die Chancen darauf: nahe null. Doch bei den Spielern, die nicht beim FC Bayern unter Vertrag stehen, sind die Aussichten für die Interessenten deutlich besser. Jérôme Boateng, zuvor Hamburger SV, hat bereits vor dem Turnier bei Manchester City unterschrieben. Per Mertesacker, derzeit Werder Bremen, wird mit dem FC Arsenal in Verbindung gebracht, das darf man glauben oder nicht. Und ob Mesut Özil noch ein weiteres Jahr bei Werder Bremen spielt, ist nicht mehr so sicher, wie es noch vor der WM in Bremen verbreitet wurde.

Was wird aus Özil?

Der Auftritt der deutschen Elf in Südafrika wirkt offenbar als Transferbeschleuniger. Die Namen Khedira, Özil, Manuel Neuer oder Dennis Aogo stehen schon länger auf diversen Scoutingblocks, spätestens seit die U-21-Mannschaft mit dem Spitznamen "Generation Schweden" in Malmö im Jahr 2009 Europameister wurde. Es war ein Versprechen an die großen internationalen Klubs, welches die Spieler in Südafrika bestätigt haben. Damit müssen die Vereine nun umgehen - oder dürfen, je nach Sichtweise.

Fußball: Begehrte Nationalspieler: Der Noch-Stuttgarter Sami Khedira (li.) könnte bald bei Real Madrid spielen - auch sein DFB-Kollege Dennis Aogo weckt bereits Begehrlichkeiten.

Der Noch-Stuttgarter Sami Khedira (li.) könnte bald bei Real Madrid spielen - auch sein DFB-Kollege Dennis Aogo weckt bereits Begehrlichkeiten.

(Foto: ap)

Werders Sportdirektor Klaus Allofs beispielsweise erteilte noch vor dem 11. Juni jeder Anfrage nach Özil eine Abfuhr, am Donnerstag richtete er öffentlich aus, dass man sich mit einem möglichen Wechsel auseinandersetzen werde, wenn eine Vertragsverlängerung in Bremen nicht möglich sei. Ähnlich lautet die Aussage von VfB-Trainer Christian Gross im Fall Khedira: "Ich würde es nicht gut finden, wenn Sami ablösefrei wechseln würde." Aber: "Wenn große Klubs aus England oder Spanien kommen, müssen beide Seiten überlegen."

Das Bieten läuft auf Hochtouren

Auch wenn dem VfB bis Donnerstag offiziell noch keine Anfrage aus Madrid vorlag: Das Bieten um die deutschen Spieler läuft auf Hochtouren. Ebenso wie das von Özil endet Khediras Anstellungsverhältnis in einem Jahr. Dann könnten beide wechseln, ohne dass der Verein noch eine Ablösesumme kassiert. Darauf spekuliert bei Khedira auch der FC Bayern, der den 23-Jährigen als möglichen Nachfolger für Mark van Bommel im Mittelfeld im Auge hat. Der WM-Test an der Seite von Bastian Schweinsteiger ist ja erfolgreich verlaufen. Der Plan für 2011 könnte scheitern, wenn Real schon jetzt entschlossen handelt.

Selbstverständlich bieten auch Stuttgart und Bremen ihren Nationalspielern neue Papiere an, sie ahnen aber, dass Fußballer Angebote aus Madrid oder Barcelona nicht mit "Danke, nein!" beantworten. Und der VfB-Vorstand hätte Mühe, zehn bis 15 Millionen Euro für Khedira abzulehnen, zumal Stuttgart in Träsch, Kuzmanovic und dem aus Wolfsburg zurückgekehrten Gentner im Mittelfeld passabel besetzt ist. Zudem wünscht sich Trainer Gross noch zwei neue Flügelspieler. Einer könnte Royston Drenthe sein. Der hat 2007 mit der niederländischen U-21 die EM gewonnen, den Sprung in die Nationalelf aber verpasst. Er steht jetzt auf dem Abstellgleis - bei Real Madrid.

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