Fußball auf der Krim:Plötzlich Ausländer

Auf der Krim gibt es zwei Fußball-Klubs: Tawrija Simferopol und PFK Sewastopol. Nun ist ein Streit entbrannt, ob sie künftig in der russischen oder in der ukrainischen Liga spielen sollen. Der Fall zeigt, wie hochpolitisch der Sport bisweilen ist.

Von Johannes Aumüller

Tawrija Simferopol hat in der Geschichte des ukrainischen Fußballs durchaus einen besonderen Platz. Als das Land nach dem Zerfall der Sowjetunion erstmals einen eigenen Meister ermittelte, setzte sich 1992 überraschend der Klub von der Halbinsel Krim durch. Und als einer von nur vier Vereinen hielt er sich durchgängig in der obersten Spielklasse. Doch wenn Tawrija am Wochenende bei Worskla Poltawa das viertletzte Spiel der laufenden Saison bestreitet, wird es sehr wahrscheinlich auch das viertletzte Spiel des Klubs in einer ukrainischen Liga sein.

Tawrija Simferopol und der ebenfalls auf der Krim beheimatete PFK Sewastopol sind der neueste Beleg dafür, dass der angeblich so unpolitische Sport in Wahrheit im höchsten Maß politisch ist - erst recht in Osteuropa. Seitdem sich Russland die Krim einverleibt hat, stellt sich die Frage, wie es mit den beiden Vereinen von der Halbinsel weitergeht.

Russland drängt darauf, dass sie sich in den russischen Liga- betrieb eingliedern; die Ukraine will sie nicht gehen lassen und in der Liga halten. Die laufende Saison, so lautete die Verständigung nach dem Anschluss der Krim an Russland, sollen Simferopol und Sewastopol erst einmal im ukrainischen Spielbetrieb zu Ende bringen. So haben sich alle Beteiligten etwas Zeit gekauft, aber diese Zeit ist in wenigen Wochen schon aufgebraucht, und die politische Rahmenkonstellation wird nicht einfacher.

Eine heikle Situation für Fifa und Uefa

Es ist vor allem für den Weltfußballverband Fifa und die europäische Fußball-Union Uefa eine heikle Situation: Wenn sie den Klubs den Wechsel in die russische Liga erlauben, wären sie die ersten Organisationen weltweit, die die Annexion der Krim anerkennen. Erlauben sie den Wechsel nicht, verärgern sie Wladimir Putin, Gastgeber der WM 2018 und inzwischen vielfältig in der Sportpolitik vernetzt.

In diesen Situationen zeigt sich, wie massiv der Einfluss Russlands auf die internationalen Sportverbände inzwischen ist. Das staatlich kontrollierte Erdgasförderunternehmen Gazprom, Putins machtpolitische Allzweckwaffe in internationalen Konflikten, ist seit Jahren Sponsor der Uefa-Champions-League und von 2015 an auch der Fifa.

In den maßgeblichen Gremien sitzen enge Vertraute von Putin: Russlands Sportminister Witalij Mutko ist Mitglied im Fifa-Vorstand. Sergej Fursenko, einst gemeinsam mit Putin und diversen anderen Herren Gründungsmitglied der Datschenkooperative "Osero" (See) nahe Sankt Petersburg, ist Teil der Uefa-Exekutive. Die Ukraine weiß lediglich Grigorij Surkis an exponierter Stelle; der frühere Chef von Dynamo Kiew ist inzwischen erster Vize-Präsident der Uefa, er galt früher mal als Parteigänger von Julia Timoschenko, die nun auch wieder fürs Präsidentenamt in der Ukraine kandidiert.

Kaum ein Spieler ist gebürtiger Russe

Noch können die internationalen Verbände darauf verweisen, dass es bisher keinen offiziellen Antrag der beiden Vereine auf einen Ligawechsel gebe. Doch Juristen und Strategen debattieren längst über einen möglichst geräuschlosen Ausweg aus der Situation. Verschiedene Szenarien machen die Runde.

Zum Beispiel, dass sich der regionale Fußballverband der Krim dem russischen Verband anschließt und mit ihm eben auch die Vereine. Oder dass die Vereine zur Strafe für einen Ligawechsel eine zweijährige Sperre für den Europapokal erhalten, was allerdings de facto nicht weiter schlimm wäre, da die beiden Teams selbst in der Ukraine im Tabellenkeller zu finden sind und Simferopol sogar den Abstieg fürchten muss. Oder dass sich die Vereine formal auflösen - und mit dem Geld russischer Geschäftsmänner Neugründungen erfolgen, dann müsste niemand den Verband wechseln.

Bei den Eigentümerstrukturen der Klubs herrscht jedenfalls schon viel Bewegung. Tawrija Simferopol war bisher von den Finanzspritzen des Oligarchen Dmitrij Firtasch abhängig. Dieser wurde vergangenen Monat in Wien auf der Grundlage eines amerikanischen Haftbefehls festgesetzt und kam erst gegen eine Kautionszahlung von 125 Millionen Euro wieder frei. An den Klub fließt angeblich kein Geld mehr. Es gab schon Boykottdrohungen der Spieler, drei von ihnen haben ihre Verträge bereits aufgelöst. Nach Auskunft der Krim-Regierung summieren sich die Ausstände auf eine Million Dollar. "Wir führen jetzt Gespräche mit russischen Partnern und Firmen", sagt Ministerpräsident Sergej Aksjonow.

Bei Sewastopol ist die Lage in der Führungsetage noch komplizierter. Präsident Alexander Krasilnikow hat schon mehrfach erklärt, dass er die Zukunft des Klubs in der russischen Liga sieht. Haupt-Geldgeber Wadim Nowinskij, mit einem geschätzten Vermögen von fast drei Milliarden Euro einer der reichsten Oligarchen des Landes, tendiert eher zur Ukraine.

Er war ein enger Vertrauter des früheren Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch, aber inzwischen gehört er zu den Geschäftsmännern, die mit der neuen Regierung in Kiew ein Bündnis geschmiedet haben - als Reaktion ernannte ihn die neue Krim-Regierung kürzlich zur "Persona non grata" auf der Halbinsel. Unlängst deutete er bereits an, sein Kapital abzuziehen und den Klub in einer anderen Stadt neu aufzubauen.

In Russland gehen sie fest davon aus, dass sich das Problem im Sommer löst - wenn die Fußballwelt auf die WM in Brasilien schaut und weniger auf sportjuristische Aspekte in Osteuropa. Sie sind in der Debatte schon auf der Ebene angekommen, in der die großen Fragen der Weltpolitik als gelöst betrachtet werden und die konkreten Aspekte der Tagesorganisation beginnen: in welcher Liga Sewastopol und Simferopol künftig antreten; und dass sich die Klubs nun schnell ein paar russische Spieler zulegen sollten.

Denn zu den kuriosen Aspekten in der Debatte um die Krim-Klubs gehört auch, dass dort kaum ein Spieler unter Vertrag steht, der gebürtig aus Russland oder von der Krim kommt - aber in der russischen Liga müssen immer mindestens vier von ihnen auf dem Platz stehen. Die zahlreichen ukrainischen Spieler würden plötzlich als Ausländer gelten.

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