Fußball: AC Mailand:700 Millionen? Kein Problem!

Es wäre der Riesencoup: Ausgerechnet ein Albaner, ein Landsmann der ersten Bootsflüchtlinge an Italiens Küsten, will den AC Mailand kaufen. Und so Berlusconi helfen.

Birgit Schönau

Mit 38 Jahren ist Rezart Taci in seiner Heimat Albanien ein gemachter Mann. Er besitzt das Erdölunternehmen Taci Oil mit hundert Tankstellen. Er ist außerdem Mehrheitseigner des ehemals staatlichen Energiekonzerns Armo, Patron des Fußball-Erstligisten KS Gramozi Erseke und Präsident des albanischen Schachverbandes. Eine beachtliche Karriere für einen Mann, der noch vor gut einem Jahrzehnt als Aushilfskellner gejobbt hat.

Fußball: AC Mailand: Schwach wie nie seit Silvio Berlusconi da ist: der AC Mailand beim 0:1 gegen den FC Zürich.

Schwach wie nie seit Silvio Berlusconi da ist: der AC Mailand beim 0:1 gegen den FC Zürich.

(Foto: Foto: AFP)

Damals war Taci ewiger Student, zum Abschluss reichte es nicht, aber heute nennen ihn trotzdem alle "Herr Ingenieur". Taci hat alles, Reichtum und Macht, doch das reicht ihm nicht mehr. In Italien groß herauszukommen, das wäre es. Italien war für Albanien lange Zeit wie Amerika auf der anderen Seite der Adria. Am größten kommt man in Italien heraus, wenn man Silvio Berlusconi ersetzt. Genau das will Rezart Taci: den AC Mailand kaufen und Präsident werden an Berlusconis Stelle.

Es wäre der Sprung an die Spitze, ein Riesencoup. Ausgerechnet ein Albaner, ein Landsmann der ersten Bootsflüchtlinge an Italiens Küsten, will dem mächtigsten Mann Italiens beispringen. Denn Berlusconi hat gewisse Geldsorgen, nachdem ihn das höchste Zivilgericht Italiens vor ein paar Tagen zur Zahlung von 750 Millionen Euro Schadensersatz an einen Konkurrenten verdonnert hat, den der amtierende Regierungschef beim Poker um einen Großverlag über den Tisch gezogen hatte.

Damals war Richterbestechung im Spiel. "Ich erkläre mich solidarisch mit meinem Freund Silvio Berlusconi”, verkündet Taci einigermaßen großspurig in der Gazzetta dello Sport. 700Millionen Euro für Milan zu zahlen, wäre für ihn kein Problem. Der alte Patron und sein Manager Adriano Galliani könnten weiter ihre Posten im Klub haben, Ehrenämter vielleicht.

Berlusconis Konzern Fininvest hat Verhandlungen mit Taci dementiert. Der Mutterkonzern des AC Mailand gibt seit Monaten ein Dementi nach dem anderen heraus, doch die Kaufgerüchte verstummen nicht. Zu offensichtlich erscheint der Rückzug Berlusconis aus einem Traditionsklub, den er Jahrzehnte lang als Konsensmaschine benutzt hat und den er jetzt doch ablegen möchte. Seine fünf Kinder drängten Berlusconi zum Verkauf, heißt es. Fußball sei für sie gleichbedeutend mit Geldverschwendung. Auch das Interesse des Patrons hat nachgelassen. Immer seltener hält er bei Heimspielen Hof, immer öfter übt er aus der Ferne harsche Kritik.

Bologna? Lieber Milan!

"Ein Desaster", befand Berlusconi nach der 0:1-Niederlage gegen den FC Zürich in der Champions League. In der Liga ist Milan Zwölfter. Nach dem Verkauf von Kakà an Real Madrid und dem Abschied des langjährigen Trainers Carlo Ancelotti sowie des Kapitäns Paolo Maldini erlebt der Klub die tiefste Krise der Ära Berlusconi. Der Boss selbst hat die Verkaufsgerüchte angetrieben, zuletzt bei seinem libyschen Partner Muammar al Gaddafi.

Ob er nicht bei Milan einsteigen wolle, fragte Berlusconi wie im Scherz den Libyer. Geschäftsfreunde sind sie ohnehin: Gemeinsam mit Gaddafi erwarb Berlusconi vor ein paar Wochen einen Anteil am tunesischen Sender Nessma TV. Doch Libyens Diktator, der bereits Anteile von Juventus Turin besitzt, scheint kein Interesse am AC Mailand zu haben. Gaddafi tätigt Investitionen, keine Abenteuer.

Da kommt Taci wie gerufen. Der Mann, der aus dem Nichts ein Oligarch und Berlusconis Duzfreund wurde, bezeichnet sich stolz als Milan-Fan der ersten Stunde und "Partner des AC Mailand in Albanien". Zwei Mal hat Taci Milan zu Freundschaftsspielen nach Albanien gebracht, angeblich gegen Zahlung von acht Millionen Euro. Zuletzt spielte der AC Mailand im Mai gegen die albanische Nationalmannschaft um den "Taci-Oil- Pokal". Die Italiener gewannen nach Elfmeterschießen. Taci aber zog es erst einmal nach Bologna.

Anfang August wurde er dort vorstellig, um pünktlich zur Hundertjahrfeier den FC Bologna zu übernehmen. Prompt wurde Taci gefeiert, als wolle er die ganze Stadt kaufen. Der Bürgermeister lud ihn ins Rathaus ein, auf den Straßen gab der Albaner mit dem feisten Kindergesicht und den Blümchenkrawatten leutselig Autogramme. Bologna lag Taci zu Füßen - da überlegte er es sich anders. Zur Unterzeichnung des Kaufvertrages erschien er einfach nicht, stattdessen sandte er eine lapidare SMS an den Notar. Bin nicht mehr interessiert, stand da nur.

Angeblich war Taci der Kaufpreis von 20 Millionen Euro zu hoch. Er selbst sagt, im letzten Moment sei ihm Besseres in Aussicht gestellt worden als der Provinzklub in der Emilia: "Warum sollte ich in Bologna einsteigen, wenn ich ahnte, dass sich bald ein noch größeres Tor öffnen würde?” Im abgewirtschafteten Calcio suchen viele Klubs ausländische Käufer. Es ist wie einst in Albanien. Und Taci will auch hier der Erste sein. Noch ist ihm das Tor zum ACMailand verschlossen. Doch Taci setzt den Hebel in den Medien an. Er bedient sich ihrer, er weiß, wie man mit Präsenz und Versprechungen Tatsachen schafft. Er beherrscht das Spiel. Wie Berlusconi.

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