Fußball:Ab zum Uhrmacher

SC Paderborn 07 v FC Augsburg - Bundesliga

Hoheit verloren: Augsburgs Ragnar Klavan (links) im Zweikampf mit Paderborns Sueleyman Koc.

(Foto: Sascha Steinbach/Getty Images)

Neun Spiele, nur ein Sieg: Der FC Augsburg muss nach der Niederlage in Paderborn neu justiert werden für den Kampf um die Europa-League-Plätze.

Von Ulrich Hartmann

Man muss ein bisschen zurückspulen, um das momentane Dilemma des FC Augsburg zu verstehen. Im vergangenen Sommer hätte sich niemand ausmalen mögen, dass es überhaupt einmal so weit kommen kann wie in diesem April: Der Klub spielt kurz vor Saisonende in der Bundesliga aussichtsreich um die erstmalige Qualifikation zur Europa League - und trotzdem sagt man ihm gerade jetzt eine veritable Krise nach. Aber im Fußball verändert sich die Perspektive nun mal sehr schnell. Der Trainer Markus Weinzierl formuliert das so: "Relativer Erfolg hat auch seine negativen Begleiterscheinungen."

"Wir müssen die Automatismen wiederfinden."

Der FC Augsburg hat von neun Bundesligaspielen zuletzt nur eines gewonnen. Am Samstag verlor die Mannschaft beim Abstiegskandidaten SC Paderborn 1:2. Eine starke Anfangsphase und ein Tor zum Ausgleich durch Pierre-Emile Hojbjerg reichten nicht zum Gewinn eines Punktes in Ostwestfalen. Die Augsburger waren nicht schlecht. Sie werden zurzeit auch ein bisschen zum Opfer ihres zuvor überragenden Erfolgs. Das meint Weinzierl mit den Begleiterscheinungen. Der Torwart Marwin Hitz reagierte auf moralische Vorhaltungen in Paderborn trotzig: "Kleine Krise, große Krise - das Wort ist mir pups; wenn man von neun Spielen nur eines gewinnt, dann ist das einfach schlecht."

Der FC Augsburg ist mittlerweile aber auch ein Opfer eigener Erwartungen. Denn die waren enorm gewachsen nach einer geradezu unglaublichen Erfolgsserie im Winter. Anfang Februar hatte das Team 1:0 in Dortmund gewonnen und war Vierter - punktgleich mit Mönchengladbach, fünf Punkte hinter dem Zweiten, dem VfL Wolfsburg. Seither aber hat Augsburg aus neun Spielen nur sechs Punkte geholt. Gladbach ist jetzt 14 Punkte weg, Wolfsburg 21. Die Augsburger könnten darob verzweifeln. Oder sie betrachten die Situation so wie ihr Torwart Hitz: "Unsere Situation ist Luxus, weil wir die Punkte schon haben, die wir brauchen - aber es wäre natürlich schön, wenn wir noch ein paar Spiele gewinnen."

15 Minuten lang haben die Augsburger in Paderborn zu Beginn ihren Erlebnisfußball zelebriert. Sie haben den Ball und den Gegner laufen lassen. Die verzweifelten Gastgeber kamen kaum in Ballbesitz. Doch dann riss die Dominanz. Binnen Minuten. "Wir haben die Paderborner mit unseren Ballverlusten aufgebaut", sagte Hitz. "Wir machen am Ball zu einfache Fehler", sagte der Kapitän Paul Verhaegh. "Wir bekommen Gegentore auf naivste Weise", sagte der Trainer Weinzierl.

Fußball auf diesem Niveau ist vergleichbar mit dem Uhrwerk einer Armbanduhr. Greifen die winzigen Rädchen nicht präzise ineinander, dann geht die Uhr einfach nicht mehr. Deshalb sagen Fußballer in Phasen des Misserfolgs oft: Viele Kleinigkeiten machen den Unterschied.

Weinzierl sagt sinngemäß, dass man nun neu justieren muss. Das Augsburger Uhrwerk muss zum Uhrmacher. "Wir müssen die Automatismen wiederfinden", heißt das in den Worten des Trainers. "Wir müssen unsere Passsicherheit zurückgewinnen", sagt Kapitän Verhaegh: "Wir müssen zurück zu unserer Basis und einfache, klare Bälle spielen."

Der Sportdirektor Stefan Reuter findet beim Blick auf die Tabelle noch die positivsten Ansätze zur schnellen Genesung. Trotz der vielen sieglosen Spiele steht Augsburg weiterhin in aussichtsreicher Position. "Im Grunde musst du ja froh sein, dass die direkte Konkurrenz da mitmacht und uns überhaupt noch die Chance lässt, um einen Europa-League-Platz mitzuspielen. Wenn man die letzten Wochen sieht, haben wir da eigentlich gar nichts mehr zu suchen."

Der Blick auf die Tabelle ist es auch, der Verhaegh alle notwendigen Argumente dafür liefert, warum man sich beim FCA jetzt nicht zu zerfleischen braucht. Der Trend zeigt vielleicht nach unten, aber die Gesamtbilanz ist sechs Spieltage vor Saisonende mit weiter allen Chancen auf Platz sechs immer noch ziemlich gut. "Wir brauchen nicht von einer Krise zu reden", sagt Verhaegh dann auch demonstrativ entspannt. "Denn wir sind ja immer noch oben mit dabei."

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