Führungsdebatte bei 1860 München:Manöver in der Maximilianstraße

Schneider, Ismaik und Maget

Es wird wieder gesprochen: Investor Hasan Ismaik (Mitte), Präsident Dieter Schneider (links) und Vize-Präsident Franz Maget.

(Foto: dpa)

Die Führungsdebatte beim Traditionsklub 1860 München geht weiter: Investor Hasan Ismaik bietet einen Kompromiss an - er fordert nun doch nicht den Rücktritt von Präsident Dieter Schneider. Klar ist aber: Auch die Löwen müssen dem Partner etwas bieten.

Von Gerald Kleffmann

Sie verschwanden durch die Tiefgarage. Wie Agenten. Vom oberen Stockwerk des Bürokomplexes in der feinen Maximilianstraße hinab ins Untergeschoss. Ab ins Auto und weg. Bloß nicht gesehen werden. Bloß keine Kommentare abgeben. Bloß nicht den vor dem Gebäude wartenden Reportern Rede und Antwort stehen nach dieser zweistündigen Sitzung, die vertraulich angesetzt worden war.

Und doch wussten alle Bescheid. So ist das bei 1860 München, diesem unverwechselbaren Traditionsklub, der zu Wochenbeginn in den Trümmern seiner selbst zu liegen schien - nachdem Vereins- und Investorenseite heillos zerstritten nach einem Krisengespräch auseinander gegangen waren. Und nun? Schnee von gestern.

Denn nun könnte es die nächste Pointe geben. Eine gemeinsame Zukunftsgestaltung ist plötzlich ein Thema. Und das, nachdem Hasan Ismaik, der tatsächlich mal in München vorbeischauende Löwen-Investor, zu einem Dutzend Exklusivinterviews ins Mandarin Oriental geladen und eisern den Rücktritt von Präsident Dieter Schneider sowie anderer Löwen-Führungskräfte gefordert hatte. Ein Internetblog titelte: "Die irre 51-Stunden-Show des Hasan I.". Ja, welch ein Irrsinnsplot.

Nun also will - Stand Donnerstag, 10. Januar 2013 - Ismaik wieder auf Schneider & Co. zugehen, nichts von Rücktrittsforderungen wissen, die Regularien der Deutschen Fußball Liga (DFL) achten, auch die vereinsstärkende 50+1-Regel, und den TSV nicht seinem Schicksal überlassen, der hieße: Plan B. Kosten runter, Spieleretat runter, ade Aufstiegspläne.Da hätte Ismaik, der jordanische Geschäftsmann, fröhlich zuschauen können, wie seine fast 30 Millionen Euro, die er über Anteilskauf und Darlehen in den Klub gepumpt hat, versanden. Mit dem unmärchenhaften Ende: Es war einmal ein Investor ...

Möglich machte das Schlichtungstreffen Hamada Iraki, der vor zwei Jahren den Deal zwischen 1860 und Ismaik eingefädelt hatte, den Millionär lange beriet und vertrat, dann aber seine Ämter (Aufsichtsrat und Beirat) hinwarf. Offiziell aus beruflichen Gründen, inoffiziell, weil er mit Ismaik nicht mehr konnte. Nun scheint ausgerechnet jene Person, die lange selbst Probleme mit Schneider und dem e.V. hatte, diejenige zu sein, die kühlen Kopf bewahrt, ehe die zwei Lager den TSV gegen die Wand fahren. Zwei Jahre, sagt ein Insider, könnte 1860 ohne Investor durchhalten. Allein die Arena kostet um die fünf Millionen Euro an Miete jede Saison. Das alles soll Ismaik nun auch verstanden haben.

Zuletzt pochte der 35-Jährige ja auf einen Strategiewechsel. Sechzig könne schneller aufsteigen, nicht erst spätestens 2015, müsse in einen Trainer à la Sven-Göran Eriksson und afrikanische Spieler investieren. Und er, der die "Fans glücklich machen" will, könne das Füllhorn öffnen. Nur wie der Großangriff abgesichert und DFL-konform gestemmt werden sollte, ließ er offen. Dem Vernehmen nach wurden auch am Montag, beim ersten Krisentreffen, die Klubvertreter nicht viel schlauer. Immerhin wehrte man sich danach.

"Manchmal kommt es rüber, als wären wir zu blöd, geschenktes Geld abzunehmen", sagte wiederholt der unverwüstliche Vize Franz Maget. Dabei sei es anders. Bis jetzt, sagt jemand im Hintergrund, habe Ismaik dem TSV nicht einen Euro geschenkt. Dieses Zerrbild existiere aber. Vereins- und Investorenseite, das ist, auf Neudeutsch: Kulturkampf at its best! Sichtbar im Showdown zwischen Schneider, Mittelständler aus Röhrmoos, und Ismaik, Global Player aus Abu Dhabi mit facettenreicher Vita.

Kommt also Eriksson?

Nächstes Kapitel: Maximilianstraße. Ismaik selbst fehlte bei dem Manöver in Irakis Büro, er war abgereist. So kam es Iraki zu, das in neun Stunden mit Ismaik konzipierte Kooperationsmodell zu präsentieren. Der Vorteil an Irakis neuer Rolle: Er kennt beide Lager, beide Kulturen. Und er hat auch viel Geld in 1860 investiert. Das dürfte ihn als Mediator zusätzlich prädestinieren. Ismaik hat dem Entwurf natürlich schon zugestimmt. Nun muss der TSV entscheiden. Eine Frist gibt es nicht, und doch wäre eine schnelle Lösung notwendig.

Schließlich hängt von ihr ab, ob noch kurzfristig in die nicht sehr prickelnde Mannschaft investiert werden kann, bekanntere Spieler geholt werden als Christopher Bieber vom Regionalligisten Würzburger Kickers und der vereinslose Serbe Zarko Karamatic, die gerade zur Probe vorspielen. Dem Vernehmen nach soll nämlich, nächster Treppenwitz, wieder der alte, von Ismaik gekippte Dreijahresplan greifen. Eventuell würde man nur Investments vorziehen, DFL-konform natürlich.

Über drei Jahre verteilt wollte er je 6,5 Millionen Euro als Rangrücktrittsdarlehen nachschießen; der Verein muss erst die Schuld begleichen, wenn er schwarze Zahlen schreibt. Eine Rate hat Ismaik im Sommer gezahlt, die anderen wollte er verweigern. Bis Mittwochabend. Da überbrachte Iraki die Nachricht, Ismaik wolle wieder zahlen. Ein neues Druckmittel? Nun ist in diesem Poker ja 1860 an der Reihe, Zugeständnisse zu machen. Nur was kann der TSV anbieten? Otto Steiner, e.V.-Aufsichtsratschef, schwächte jedenfalls schon mal die Verhandlungsposition der Sechziger. "Ich denke, dass der von Herrn Ismaik vorgeschlagene Weg gangbar ist", teilte der Medienunternehmer, im Urlaub in Indien, der AZ mit.

Mit dieser Aussage dürfte es dem Präsidium nicht leichter fallen zu verhandeln, ohnehin sind Schneider, Maget und Wolfgang Hauner nicht gut gelitten bei Ismaik. Er könne nicht mit einem Autoverkäufer, einem Politiker und einem Polizeihauptmeister arbeiten, ließ der bei seinem Medienmarathon wissen. Steiner verriet überdies, dass er eine außerordentliche Sitzung des e.V.-Aufsichtsrats einberufen habe (am Montag). Der nächste Krisengipfel mit Ansage. Wenn alle abtauchen, gibt es gerne einen, der ausschert. Das ist Sechzig. Und noch einer ging am Donnerstag aus der Deckung: Trainer Alexander Schmidt. "Das geht nicht spurlos an mir vorbei. Mir wäre es lieber, wenn Herr Ismaik mal bei uns im Training vorbeischauen würde und er sieht, wie wir trainieren", sagte er. Das klang nach einem Versuch, für sich zu werben. Verständlich.

Wenn man die Forderungen durchgeht, die Ismaik zugestanden werden könnten, landet man bei den schwächsten Gliedern: beim Trainer und beim Sportdirektor. Schmidt gilt bei Ismaik offiziell als Übergangscoach. Hinterberger steht wegen offensichtlicher (und teurer) Fehleinkäufe, die er neben Geschäftsführer Robert Schäfer und Ex-Trainer Reiner Maurer zu verantworten hat, in der Kritik. Dass Hinterberger wie Schmidt um den Job kämpft, wurde am Mittwoch deutlich, als er sich öffentlich verteidigte.

Kommen also Eriksson und ein Sportchef? Oder kommt Eriksson erst mal als Sportchef? So einfach ist das nicht, auch betreffend dieser Positionen sind Verein und Investor - noch - auf Kollision. Präsident Schneider hatte im Dezember Schmidt eine Weiterbeschäftigung in der Rückrunde zugesagt. Und würde Eriksson als Sportchef im Nacken von Schmidt sitzen, bedarf es nur wenig Phantasie, um sich Fanreaktionen vorzustellen, wenn 1860 die ersten Spiele nicht reüssiert. Andererseits: Am Sonntag reist die Mannschaft ins Trainingslager nach Belek, für zehn Tage. Wenn, würde es nur Sinn ergeben, vorher Trainer und/oder Sportchef auszutauschen, wertvolle Zeit würde sonst verstreichen. Nichts scheint bei diesen Löwen einfach nur einfach zu lösen sein.

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