Führungschaos:Tratsch- und Streitverein 1860 München

Lesezeit: 1 min

Mit dem Rückzug von Präsident Schneider mag die 50+1-Regel bei den "Löwen" faktisch untergraben worden sein. Formal jedoch ist alles in Ordnung, denn die Mehrheit des Aufsichtsrates hat sich auf die Seite des Investors geschlagen - der neue Boss soll eine Person aus den eigenen Reihen sein. Wer immer es ist, er ist nicht zu beneiden.

Ein Kommentar von Markus Schäflein

Nun ist es so weit - nach Wochen, die einem wie Jahre vorkamen, hat Dieter Schneider bekannt gegeben, dass er nicht mehr Präsident des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München sein will. "Ein unwürdiges Schauspiel" müsse beendet werden, erklärte er; und in der Tat war die quälende Zermürbungstaktik nicht nur für den 65-jährigen Unternehmer eine Beleidigung, sondern schädlich für den ganzen Klub. Schneider kam nun der Entscheidung des Aufsichtsrats zuvor, ihn nicht mehr zu nominieren.

Damit ist der größte Wunsch des arabischen 1860-Investors Hasan Ismaik in Erfüllung gegangen, der Schneider seit langem loswerden wollte. Weil Schneider Ismaiks Idee, mit dem weltbekannten Trainer Sven-Göran Eriksson und Zugängen aus Afrika in die Bundesliga zu streben, nicht ernst genommen hatte, war das Verhältnis der beiden Männer irreparabel zerrüttet. Ismaiks seltene Besuche in München entwickelten sich zu reinen Diffamierungskampagnen.

Mit Schneiders Rückzug mag die 50+1-Regel der Deutschen Fußball-Liga, wonach Vereine in ihren Entscheidungen als Mehrheitsgesellschafter eigenständig bleiben müssen, faktisch untergraben worden sein. Formal jedoch ist alles in bester Ordnung: Schließlich hatte sich die Mehrheit des Vereins-Aufsichtsrats auf Ismaiks Seite geschlagen, und dieses Gremium nominiert qua Satzung das Ende März zu wählende neue Präsidium.

Schneider geht - wie fast jeder Präsident in der Historie des Tratsch- und Streitvereins von 1860 - begleitet von allerlei Vorwürfen. Die einen kreiden ihm an, dass er den Investor überhaupt ins Boot holte - wobei der Klub ohne Ismaik insolvent gewesen wäre, was nicht Schneiders Schuld, sondern von seinen Vorgängern verursacht worden war, begleitet von etlichen Mitgliedern des heutigen Aufsichtsrats. Die anderen argumentierten, Schneider hätte Ismaik doch einfach Geld ins Projekt pumpen lassen sollen, statt ihn ständig zu verärgern.

50 Jahre Bundesliga
:SZ wählt die Elf der kuriosesten Tore

Platz eins geht an Tomislav Piplica, Platz zwei an Jürgen Pahl, es folgt Uwe Reinders und sein Einwurf-Tor. Die SZ-Sportredaktion hat ihre elf kuriosesten Tore aus 50 Jahren Bundesliga-Geschichte gewählt. Stimmen Sie ab.

Der neue Präsident soll nun eine Person aus den eigenen Reihen werden. Fest steht jetzt schon: Wer auch immer es ist, er ist nicht zu beneiden. Er hat qua Amt die Interessen des Vereins zu vertreten - also einen zu risikoreichen Kurs zu vermeiden. Der nächste Konflikt mit dem Investor scheint programmiert zu sein. Und Ismaik hat ja schon bewiesen, dass er in solchen Fällen nicht dazu neigt, Sitzkreise zu bilden und alles noch mal auszudiskutieren.

© SZ vom 08.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: