Führungschaos bei 1860 München:Zwischen Präsidentschaft und Farce

Gerhard Mayrhofer

Gerhard Mayrhofer am Tag seiner Wahl - die nun für ungültig erklärt wurde.

(Foto: dpa)

Das Gezerre bei den Löwen nimmt kein Ende. Gerhard Mayrhofers Wahl zum Präsidenten des TSV 1860 war ungültig, urteilt nun das Landgericht München. Es wird aber weiter aufgeregt darüber gestritten, wer nun das Amt des Vereinsbosses ausüben darf.

Von Benedikt Warmbrunn

Es wehte ein frischer Wind in das alte Gebäude hinein, alle Fenster waren geöffnet, und so wehte der Wind Gerhard Mayrhofer direkt ins Gesicht. Er beugte sich über die Unterlagen, die vor ihm auf dem Fenstersims lagen, hörte seinem Anwalt Guido Kambli zu. Dann ging Mayrhofer durch den fensterlosen Gang, um die Ecke, dorthin, wo wieder Fenster waren. Und mit ihm ging die Frage, wer da nun durch die Gänge lief: der Präsident des TSV 1860 München? Oder einer, der sich nicht mehr Präsident nennen darf?

Wenige Minuten zuvor saß Mayrhofer im Sitzungssaal 212 des Landgerichts München I, ihm gegenüber Helmut Kirmaier, der Mann, der seit einem Jahr klagt, dass der TSV 1860 Satzungsrecht gebrochen habe. Und dass sich Gerhard Mayrhofer daher nicht Präsident nennen dürfe. Am Freitagmittag sollte das Urteil gesprochen werden, Mayrhofer lehnte betont entspannt in seinem Stuhl, Kirmaier etwas angespannt. Er trug - zur Verärgerung der anwesenden 1860-Anhänger - ein rotes T-Shirt. Dann erschien Richterin Christina Weitnauer. Und sprach ein Urteil, das vieles offen ließ. Ein Urteil, das zunächst keine unmittelbaren Konsequenzen haben wird.

Im Kern ging es in dem Prozess um die Frage, ob Mayrhofers Wahl zum Präsidenten im Juli 2013 rechtskräftig war - eingeladen hatte Hep Monatzeder, der zwar vom Aufsichtsrat zum Präsidenten vorgeschlagen, aber noch nicht von den Delegierten gewählt worden war.

In diesem Punkt erkannte Weitnauer die Klage an, sie erklärte, dass alle in dieser Mitgliederversammlung "gefassten Beschlüsse und durchgeführten Wahlen ungültig und nichtig sind". Der zweite Punkt ihres Urteils: "Im Übrigen wird die Klage abgewiesen." Kaum hatte Weitnauer gesagt, dass das Urteil von ihr erst einmal nicht weiter begründet werde, sondern schriftlich zugesendet, hatten Kirmaier und dessen Anwalt Heinz Veauthier den Sitzungssaal verlassen.

Mayrhofer und seine Präsidiumsmitglieder Peter Helfer und Heinz Schmidt schauten sich still an, dann versammelten sie sich im Flur vor dem geöffneten Fenster, um ihren Anwalt Kambli herum. Mayrhofer, der ja nun erst einmal kein gewählter Präsident mehr ist, sagte: "Es gibt nix dazu zu sagen." Dann verschwand er. Es stand nun allein Anwalt Kambli vor dem Fenster. Kambli sagte: "Fußballerisch betrachtet hat man 3:1 gewonnen."

Fußballerisch betrachtet hat der Verein laut Kambli ein Gegentor kassiert: dass Mayrhofer und sein Präsidium nicht rechtskräftig gewählt wurden. Fußballerisch betrachtet hat der Kläger Kirmaier laut Kambli aber drei Gegentore kassiert, da die übrigen Punkte seiner Klage abgewiesen wurden: Sein Versuch im Oktober 2013, die Mitgliederbeschlüsse anzufechten.

Ist am Ende Dieter Schneider noch im Amt?

Dass die Eintragungen im Vereinsregister ab März 2013 ungültig seien, weil sie seitdem kein gewähltes Präsidium mehr gefasst habe. Und dass das zuletzt gewählte Präsidium um Dieter Schneider noch im Amt sei. Die drei Punkte wies Richterin Weitnauer am Freitag ab. Die Frage ist nun, ob das, fußballerisch betrachtet, auch als drei Tore für den TSV 1860 zählen.

Kambli findet: ja. Mayrhofer und seine Vizepräsidenten sind für ihn "ein faktisches Präsidium", da auch sie gewählt wurden, sie sind "faktisch im Amt und dürfen auch weiter agieren". Kambli interpretiert das Urteil so, dass die Ende April 2013 beschlossene Satzungsänderung gültig sei; unter dem bestellten Präsidenten Monatzeder wurde damals beschlossen, dass das Präsidium direkt von den Mitgliedern und nicht mehr von Delegierten gewählt wird. Monatzeder selbst fiel dann bei der Abstimmung durch, der neue Modus der Wahl wurde laut Kambli am Freitag jedoch nicht als ungültig erklärt.

Rechtskräftig ist das Urteil erst, wenn keine Rechtsmittel mehr möglich sind. Noch können beide Parteien Einspruch einlegen; Kambli will davor die schriftliche Begründung lesen und dann entscheiden. Sollten Kirmaier oder der TSV 1860 vor das Oberlandesgericht ziehen, wird sich der Prozess, vermutet Kambli, über ein weiteres Jahr ziehen. Nur wenn dann die Wahl ungültig bliebe, müsste es Neuwahlen geben. "Es gibt ein handlungsfähiges Präsidium", sagt Kambli, er meint das Präsidium um Mayrhofer. Und: "Es hat sich im Endeffekt nichts Wesentliches verändert."

Kirmaiers Anwalt Veauthier widerspricht Kambli am Telefon in diesem und in allen anderen Punkten. Dass Mayrhofer weiter als Präsident auftreten dürfe, "ist für mich aus dem Urteil nicht zu erkennen". Für ihn gibt es zwei mögliche Präsidien: ein gewähltes oder ein vom Gericht gestelltes, ein sogenannter Notvorstand. Da dieser nicht angeordnet wurde, ist für Veauthier der zuletzt in einer gültigen Wahl bestimmte Präsident im Amt: Dieter Schneider, gewählt im November 2011.

Da die Anwälte das Urteil so widersprüchlich interpretieren, erscheint es sehr wahrscheinlich, dass weiter verhandelt wird, vor dem Oberlandesgericht. Vor dem offenen Fenster sagte Anwalt Kambli: "Es geht bei den Löwen weiter wie gehabt." Es dauerte einen Augenblick, ehe er sich verbesserte: "Beziehungsweise hoffentlich besser und positiver."

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