Führungschaos bei 1860 München:Ab jetzt nur noch per Anwalt

TSV 1860 München, Fußball Hasan Ismaik, Robert Schäfer

Anwaltschreiben statt Geld: Hasan Ismaik verwundert weiter seinen Klub. 

(Foto: dpa)

Die Löwen streiten mittlerweile offen ums Geld: Der TSV 1860 erhält statt einer erwarteten Millionenzahlung ein Juristen-Schreiben von Mitgesellschafter und Geldgeber Hasan Ismaik. Der arabische Geschäftsmann stellt sein Investment in Frage - und lässt schwere Vorwürfe übermitteln.

Von Gerald Kleffmann und Markus Schäflein

Am Vormittag sah alles unverdächtig aus. Die Frühlingsvögel zwitscherten, im Löwenstüberl sortierten sich ältere Gäste, die Zweitliga-Profis des TSV 1860 München standen auf dem Trainingsplatz und führten Übungen durch, was man von weitem schon anhand aufgestellter Metallmännchen auf dem Rasen feststellen konnte.

Kein schwarz gekleideter Mann war zu sehen, der mit einem Aktenköfferchen angerauscht kam, um eine wertvolle Fracht in den dritten Stock der Geschäftsstelle zu befördern. Auch fuhr keiner dieser Panzerwagen vor, in denen meist besondere Güter von A nach B gebracht werden. So ging das Warten weiter. Das Warten auf 13 Millionen Euro plus X.

Diese Summe forderten die Löwenbosse an diesem denkwürdigen 9. April von ihrem Mitgesellschafter Hasan Ismaik ein, der hinsichtlich des 2012 gemeinsam beschlossenen Dreijahresplans nun schlagartig in Vorleistung gehen sollte mit den Raten zwei und drei. Immerhin will der ja unbedingt einen Strategiewechsel im Klub durchdrücken, argumentiert der Klub, und neue Leute installieren. Sportchef, Trainer, Spieler, sonstiges Fachpersonal.

Sechzig selbst braucht, das hatte stets der vom 1860-Aufsichtsrat fallengelassene frühere Präsident Dieter Schneider angemahnt, Garantien, falls das Zweitligateam kostenintensiv aufgerüstet werden soll. So hat der neue Klubpräsident Hep Monatzeder, der so vieles anders machen wollte, einfach diese Haltung übernommen - und sogar diesen Dienstag als Ultimatum gesetzt, mit schnittigem Ton.

Gegen Mittag hieß es im Verein, man könne um 17 Uhr erfahren, ob die nächsten beiden Raten des Dreijahresplanes auf dem Vereinskonto eingegangen seien oder nicht.

17 Uhr. Nachträglich muss man sagen: ein schlechter Witz.

Um 15.12 Uhr schickte Hasan Ismaik seinen Anwalt los. Per Email eröffnete er eine neue Runde - gegen 1860.

Nun ist der Graben, der zwischen Klub und Investor herrscht und seit Beginn der Partnerschaft im Frühjahr 2011 oft genug sichtbar wurde, auf extreme Weise belegt. Man korrespondiert auf juristischem Wege. Von wegen "unser Freund", wie der Verein einst den jordanischen Geschäftsmann zu umschmeicheln versuchte. Jetzt kracht es, und die gewaltige Drohkulisse Ismaiks ist klar: Er stellt sein Investment in Frage.

Der Münchner Rechtsanwalt Michael Scheele kennt Ismaik und dessen Firmengruppe HAMG seit Februar, sagt er, am vergangenen Montagabend wurde er von Ismaik persönlich mit dem Mandat beauftragt, "seine rechtliche Position auszuloten". Es gehe um eine "ergebnisoffene Prüfung". Deshalb werde Scheele 1000 Seiten an Unterlagen durchforsten, analysieren, "es liegt viel Arbeit vor uns". Heißt das, Ismaik überlege auszusteigen? Seine Anteile zu verkaufen?

"Er will ganz sicher sein Investment nicht verlieren", antwortet Scheele allgemein, "Herr Ismaik will einfach wissen, wie er in der Situation mit allem umgehen kann." Demnach steht eindeutig jede Option zur Debatte - auch der Ausstieg. Warum Ismaik sich zu diesem Schritt genötigt sieht, erklärt Scheele so: "Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen angesichts einiger öffentlicher Äußerungen, insbesondere von Herrn Monatzeder."

In der Tat waren manche Verhaltensweisen seit vergangenem Freitag äußerst fragwürdig. Auf beiden Seiten. Zunächst war Ismaik, der sich mal wieder in München blicken ließ, auf einer Pressekonferenz mit Monatzeder vorgeprescht und hatte - mal wieder - Forderungen aufgestellt. 1860 brauche einen neuen Sportchef, wohl auch einen neuen Trainer, demnächst gebe es einen neuen Geschäftsplan, und ach, der frühere ägyptische Nationaltrainer Hassan Shehata werde zwei Wochen lang die Löwen inspizieren und Ismaik beim Umbau beraten. Monatzeder saß überrumpelt daneben. Schwieg. Dann brauste der 35-jährige Ismaik davon und flog nach Abu Dhabi.

Ismaiks taktloses Auftreten

Gelandet, konnte er die ersten Konter der Löwen vernehmen, die über das Wochenende ausgedehnt wurden. Ismaik, der mit seinem oft taktlosen Auftreten seinen Anteil an der Dauerfehde hat, musste sich einiges anhören, das ihn offensichtlich zur Weißglut getrieben hat. "Er will, dass endlich seine Interessen berücksichtigt werden", sagt Scheele diplomatisch für seinen Mandanten. Im undiplomatischen Klartext heißt das: Ismaik will sich nicht mehr verarschen lassen. So denkt er wohl. Schriftliche Nachfragen ließ er wie meist unbeantwortet.

An die 30 Millionen Euro hat der Investor, der nach eigener Aussage mit Öl- und Immobiliengeschäften zu seinem Vermögen kam und nun Geschäftsführer beim Baukonzern Arabtec ist, seit seinem Einstieg in den damals insolventen Klub gepumpt. Und nun setzte ihn Monatzeder - nachträglich, durch einen Rundruf bei Münchner Medien und die Offenlegung einer internen Abmachung - unter Druck, bis Dienstag sollten weitere 13 Millionen fließen?

Sonst bliebe alles, wie es ist, sprich: auch Sportchef Florian Hinterberger verweile im Amt, den Ismaik als ersten Austauschposten sieht? Eine Brüskierung muss das für jenen Mann gewesen sein, der mit seinen ständigen Forderungen nach dem Rücktritt Schneiders selbst ein Negativbeispiel abgab. Vor dem 1:1 des Teams gegen Cottbus am Sonntag legte 1860 nach. Geschäftsführer Robert Schäfer sagte: "Solches Feuer aus den eigenen Reihen, das kann er mit mir machen, wenn er unbedingt will, aber nicht mit meinen Leuten."

Monatzeder sagte: "Dass Herr Ismaik ein bisschen viel redet, ist sein Thema." Sogar Trainer Alexander Schmidt sagte, im Fernsehen: "Ich erwarte mir Respekt, egal aus welchem Kulturkreis." Wie Punktsieger standen die 1860-Bosse da. Welch ein Irrtum. Nun kommen ihre Sätze wie ein Bumerang zurück.

"Wir mahnen an, auf öffentliche Äußerungen zu verzichten, die Herrn Ismaik diskreditieren und diskriminieren", sagt Scheele, der diese Kritik in sein Schreiben an den TSV 1860 aufnahm. Der Anwalt machte den Brief samt dem Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit öffentlich, "weil das, was öffentlich gesagt wurde, eine öffentliche Kritik verlangt", so Scheele.

Der Verein selbst reagierte nur schmallippig. "Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Herr Ismaik rechtlichen Beistand in Deutschland genommen hat", teilte Geschäftsführer Schäfer mit. So bleibt offen, ob 1860 nun, da die 13 Millionen nicht überwiesen wurden, seine Drohkulisse wahr macht und etwa die Verträge von Hinterberger und Schmidt verlängert. Es wäre ihnen wohl nicht anzuraten in diesem Machtspiel, in dem es um mehr geht als um einen heillos überforderten Klub und einen sehr, sehr rätselhaften Investor. Es ist der erste Einstieg eines arabischen Investors bei einem deutschen Profiklub.

Am Montag, so der Plan, will Scheele mit Ismaik die Ergebnisse besprechen. "So darf man nicht mit einem Investor umgehen, er hat nur jene Interessen, die ein Investor hat", sagt der Anwalt noch: "Er will sein Investment nicht gefährden."

Warum nur, sollte er sich mit dieser Haltung dann allerdings fragen, ist er bei diesem Verein überhaupt erst eingestiegen?

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