Führung des Fußball-Weltverbandes:Was die Fifa jetzt tun muss

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Harold Mayne-Nicholls, 53, war Fußball-Präsident in Chile. Vor der Vergabe prüfte er für die Fifa die WM-Kandidaten für 2022. Er gilt als möglicher Kandidat gegen Fifa-Präsident Sepp Blatter.

(Foto: Robert Prezioso/Getty)

Mehr Transparenz und endlich eine beschränkte Amtszeit des Präsidenten: Wenn die Fifa es mit Reformen ernst meint, müssen grundlegende Veränderungen her, findet der Mann, der im Mai möglicherweise Sepp Blatter herausfordert.

Von Harold Mayne-Nicholls

Das Jahr 2015 stellt den Weltfußball-Verband Fifa vor große Herausforderungen. Da ist die Wahl des Fifa-Präsidenten im Mai. Da ist der aus meiner Sicht gerechtfertigte Aufstand der Fußballerinnen dagegen, dass bei der Weltmeisterschaft der Frauen diesen Sommer in Kanada auf Kunstrasen gespielt werden soll. Außerdem muss die Fifa das Vertrauen der Werbepartner zurückgewinnen - zwei Hauptsponsoren sind schon ausgestiegen, was sicher auch mit dem unglücklichen Bild zusammenhängt, das die Fifa in der Öffentlichkeit abgibt. Und es gilt, endlich einen Termin zu finden für die Männer-WM 2022 in Katar.

Zunächst einmal zu den notwendigen strukturellen und administrativen Veränderungen. Dazu zählt insbesondere, dass die Amtszeit des Fifa-Präsidenten beschränkt wird. Niemand sollte länger als acht Jahre Oberhaupt des weltweiten Fußballs sein dürfen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass der Fifa-Präsident auch wirklich für die Zukunft des Spiels arbeitet - und nicht nur für seine nächste Wahl.

Eine weitere Kernforderung ist die Offenlegung aller Geldströme. Das betrifft Zahlungen an Einzelpersonen in Form von Gehältern, Spesen und Tagegeldern, außerdem Beratungshonorare sowie alle anderen Provisionen, die der Weltverband ausschüttet - nicht zuletzt an seine Vorstände. Zudem sollte die Öffentlichkeit auch über die Verträge der Fifa mit Dritten informiert werden. Außerdem gehört das Geld der Fifa besser verteilt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Weltorganisation Milliarden verwaltet - und trotzdem einige ihrer Mitgliedsverbände bettelarm sind. Das hemmt die Entwicklung des Spiels.

Und wenn wir für die Frauen gleiches Recht wie für die Männer fordern, heißt das: Wir müssen auch hier einen Konföderationen-Pokal organisieren, eine Klub-WM sowie Futsal-Turniere und Beach Soccer für Mädchen. Und wir müssen die Klage ernst nehmen, mit denen sich eine Gruppe der weltweit besten Fußballerinnen derzeit gegen eine WM auf Kunstrasen wehrt.

Schließlich brauchen die Fifa-Organe eine engere Beziehung zur Fußball-Basis auf der ganzen Welt. Es muss ein Weg gefunden werden, wie jede der am Spiel beteiligten Parteien - Spieler, Schiedsrichter, Trainer, Funktionäre - an der Wahl des Fifa-Präsidenten und der Vergabe anderer Ämter mitwirken können. Ich werde meine Vorschläge am Mittwoch einer Gruppe von EU-Parlamentariern vorstellen. Ich finde, diese neue Transparenz ist wesentlich, damit die Fifa das verspielte Vertrauen zurückgewinnen kann.

Doch neben all diesen Schritten braucht es auch dringend eine Lösung bei der Frage, wann nun die WM 2022 stattfinden soll. Mehr als vier Jahre sind vergangen, seit Katar zum Gastgeber gekürt wurde, seither wird - neben der Frage, wie dieses Votum zustande kam - über die Hitze in dem Emirat debattiert. Ja, die von mir geleitete Evaluierungskommission hat auf die extremen Temperaturen schon vor der Kür für die Weltmeisterschaft hingewiesen.

Es besteht großer Handlungsbedarf

Und ja, kritikwürdig ist in Katar natürlich auch anderes: die Arbeitsbedingungen, die logistischen Probleme. Aber jetzt liegt der Fokus des Fußballs nun mal auf der Frage, was der beste Spieltermin dort wäre. Es gilt eine Vielzahl von Aspekten zu bedenken. Nachdem die Fifa-Medizinkommission schon erklärt hat, dass das traditionelle WM-Zeitfenster im Juni und Juli wegen der Hitze definitiv ausscheidet, bleiben drei Möglichkeiten.

Erstens: November und Dezember 2022. Weil Weihnachten in großen Teilen der Welt gefeiert wird, ist dann aber klar, dass das Turnier spätestens am Donnerstag, 22. Dezember 2022, beendet sein müsste. Da es 31 Tage dauert, müsste es spätestens am Dienstag, 22. November beginnen. Weil allen Teams wenigstens 15 Tage Vorbereitung garantiert werden müsste, würde das für die Ligen auf der ganzen Welt bedeuten, dass sie ihren Spielbetrieb am 6. November stoppen und alle Nationalspieler freigegeben müssten.

Das klingt zunächst nicht so kompliziert, ist es aber durchaus. An der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien nahmen Profis aus 55 Fußball-Ligen teil. Davon hat nur eine, die kanadische, keine Spiele im November. Ein Termin Ende des Jahres hätte also nachteilige Auswirkungen auf mindestens 50 Ligen weltweit.

Möglichkeit Nummer zwei: ein Turnier im Januar und Februar. Viele Ligen haben im Januar Pause - etwa die deutsche Bundesliga. Aber in England, Spanien, Italien sowie in vielen Ländern der südlichen Hemisphäre findet zu dieser Zeit der normale Spielbetrieb statt. Gerade in Englands Fußballkultur sind die Spiele während der Weihnachts- und Neujahrstage tief verankert.

Das Problem wäre womöglich zu lösen - doch es gibt gerade zu dieser Zeit Kollisionen mit anderen Sporterminen. Vor allem mit den Olympischen Winterspielen, aber auch mit der Super Bowl in den USA, dem Großereignis im American Football, das wachsende internationale Bedeutung und TV- und Werbeverträge überall auf der Welt hat. Wegen des Problems mit Olympia 2022 könnte eine Winter-WM wohl gar nicht 2022, sondern überhaupt erst Anfang 2023 stattfinden.

Alternative drei wäre, die WM-Endrunde vom 5. Mai bis 5. Juni 2022 zu spielen. Früher wäre das Turnier nicht möglich - wegen des Ramadan im April. Auch um diesen Termin zu realisieren, bräuchte es eine Feinabstimmung unter den rund 50 beteiligten Ligen für die Spielzeiten 2020/21 und 2021/22. Die europäischen Liga- Betriebe müssten im WM-Jahr 2022 sehr früh enden: am 17. April. Bei dieser Option gibt es aber wieder das Problem mit den hohen Temperaturen.

Im Jahr 2014 war es im Vergleichszeitraum zum Beispiel am 7. Mai 25 Grad warm - am 28. Mai, mittags, aber schon 48 Grad. Wenn die Fifa also entscheiden sollte, im Mai und Juni zu spielen, müsste Katar sicherstellen, dass sämtliche Stadien - und zwar das Spielfeld und die Tribünen - gekühlt werden, und das, wie versprochen, ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe. Nur dann könnten die Spiele stattfinden - nach Sonnenuntergang. Denn niemand kennt ja die Risiken von Hochleistungssport, der zwar in künstlich gekühltem Ambiente stattfindet, aber unter direkter Sonneneinstrahlung.

Nur: Was machen wir im Falle von Abend- und Nacht-Spielen im Frühsommer mit den Hunderttausenden Fans und Gästen, die ja auch in den heißen Tagesstunden die Hauptstadt Doha und das Emirat Katar insgesamt bevölkern würden? Auch hier sind alle Fragen offen.

Die Fifa hat es nach vier Jahren, in denen sie mit dem Problem Katar schon lebt, nicht geschafft, eine Lösung anzubieten. Es wartet also jede Menge Arbeit.

(Übersetzung: Thomas Kistner)

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