Froome und die Tour de France:"Ich an seiner Stelle würde mich schämen"

Lesezeit: 3 min

Startet er nun? Oder startet er nicht? Der Brite Christopher Froome. (Foto: dpa)
  • Ein rechtlich gesehen darf der Brite Christopher Froome trotz seines Doping-Verfahrens bei der Tour de France teilnehmen.
  • Viele Fahrer sind darüber verärgert.
  • Nun wollen die Veranstalter das Problem noch vor dem Start am Samstag klären.

Von Johannes Knuth

Christian Prudhomme hat vor ein paar Tagen noch mal über diese Affäre gesprochen, die seit Wochen auf seine Rundfahrt zurollt, und er klang dabei wie ein Soldat, der mit einem Spielzeugschwert ausgerüstet ist und sich einer hochgerüsteten Roboterarmee entgegenwerfen muss. "Es ist furchtbar, dass die zuständigen Gremien es nicht geschafft haben, dieses Problem vor dem Start des größten Rennens der Welt zu lösen", sagte Prudhomme im französischen Radio. Es gibt ein Video von seinem Auftritt, die rechte Hand des 57-Jährigen sauste bei jedem Wort durch die Luft, als schwinge er ein imaginäres Spielzeugschwert.

Dieses Problem, von dem Prudhomme sprach, ist die noch immer ungeklärte Dopingaffäre von Christopher Froome. Die lähmt den Radsport seit nun fast zehn Monaten - und hat den Briten nicht davon abgehalten, in der Zwischenzeit weitere Meriten auf sich zu vereinen. Das weltweit größte Rennen, das ist natürlich die Tour de France, die Prudhomme organisiert und die am kommenden Samstag auf der Atlantikinsel Noirmoutier anbricht. Ob Froome, der Titelverteidiger, am 7. Juli an der Startlinie stehe? "Rechtlich gesehen darf er", sagte Prudhomme.

Am Anfang grummelten manche Gegner nur - nun sind viele über Froome offen verärgert

Was erst am Sonntag durchsickerte: Dass Prudhomme nun doch gegen Froomes Start zu Felde zieht, in einem offenbar letzten verzweifelten Versuch, Schaden von seiner Rundfahrt abzuwenden. Der Tour-Veranstalter ASO hat den Briten ausgeladen, wie die französische Zeitung Le Monde meldete; Froomes Team Sky bestätigte den Vorgang später. Die ASO stützt sich offenbar auf Artikel 28 im Paragrafendickicht des Radsport-Weltverbands UCI: Einem Veranstalter sei "ausdrücklich das Recht vorbehalten, ein Team oder einen Fahrer auszuschließen, der durch seine Anwesenheit dem Ruf der Rundfahrt Schaden zufügen kann".

Breitensport
:So sinnvoll sind Doping-Proben im Fitnessstudio

In Dänemark dürfen Kontrolleure auch Privatpersonen in Fitnessstudios testen. In Deutschland ist das bislang undenkbar, dabei ist das Dopingproblem im Breitensport riesig.

Von Dominik Schelzke

Frei übersetzt: Prudhomme will keinen Sieger küren, dem er die Insignien nachträglich vielleicht wieder entziehen muss, wie so oft in der Vergangenheit. Sky hat vor dem zuständigen Sportgericht bereits Einspruch eingelegt. Doch dieser Prolog im Gerichtssaal könnte erst der Anfang eines weiteren legalen Ringkampfs sein.

Froome hatte bei der Spanien-Rundfahrt, im September 2017, einen positiven Dopingtest verursacht. Die Fahnder stießen auf 2000ng/ml Salbutamol, doppelt so viel wie der sowieso generöse Grenzwert der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) erlaubt. Froome ist Asthmatiker, seit Kindheitstagen, er muss den Grenzwert aber einhalten. Seitdem versuchen seine Anwälte, Froome aus der Affäre herauszupauken. Sein Wert sei unverschuldet in die Höhe getrieben worden, sagen sie, weil Froomes Körper dehydriert war, weil sein Stoffwechsel bestimmte Eigenheiten aufweise, und überhaupt sei der Nachweis der Wada unzuverlässig. 1500 Seiten Akten sollen die Anwälte dem Doping-Tribunal der UCI mittlerweile präsentiert haben, der Streit zieht sich. Salbutamol kann in großen Mengen leistungssteigernd wirken, so sehen das zumindest viele Anti-Doping-Kenner.

Solange das Verfahren in der Schwebe ist, darf Froome starten. Er gewann im Mai die Italien-Rundfahrt, die er schon verloren zu haben schien, ehe er von den Formschwachen erweckt wurde und ein 80 Kilometer langes Solo an die Spitze aufführte. Ein Sieg bei der Tour wäre sein fünfter, der 33-Jährige wäre dann auf einer Stufe mit Anquetil, Merckx, Hinault, Indurain. Die Kollegen nahmen Froomes Treiben zunächst grummelnd, zuletzt zunehmend verärgert zur Kenntnis. Marcel Kittel, Deutschlands bester Sprinter, sprach von einem "Super-Gau"; Romain Bardet, Frankreichs große Hoffnung für die Tour, sagte gar: "Ich an seiner Stelle würde mich schämen und auf einen Start verzichten."

Prudhomme forderte in seiner jüngsten Radioansprache, die Regeln zu ändern, zum Beispiel, dass Fahrer in laufenden Verfahren nicht für Rennen zugelassen werden. Das Mouvement pour un Cyclisme crédible, ein Kollektiv von Profiteams, das sich strengere Regeln auferlegt hat als die der UCI, wendet derartige Schutzsperren bereits an. Froomes Team, das stets beteuert, porentief rein zu arbeiten, ist nicht Mitglied in diesem Bund, wie zehn weitere der 22 Teams, die jetzt bei der Tour starten. Bernard Hinault, Frankreichs Säulenheiliger, hatte die Profis zuletzt gar im Stile eines wackeren Gewerkschafters zum Streik aufgerufen, sollte Froome es wagen, die Tour mit seiner Präsenz zu besudeln.

Und Froome? Der versichert der Radsport-Gemeinde seit Monaten, er habe keine Regeln verletzt, das werde das Verfahren noch zeigen. Bis dahin habe er "jedes Recht zu fahren, und genau das werde ich tun". Auch sein Team glaubt, "dass Chris die Tour fahren wird, da er nichts falsch gemacht hat". Sky hat zuletzt übrigens einen Bodyguard angeheuert, der Froome vor etwaigen Feindseligkeiten bei der Tour schützen soll, sicher ist sicher. Vor drei Jahren wurde Froome mal mit Urin beworfen, in den Partykehren von Alpe d'Huez.

Löst die UCI den Fall noch vorher?

Lang ist der Schatten, der den Briten verfolgt, ihn, der sich vor sieben Jahren vom Hinterherfahrer zum Dominator wandelte und sich auch von Wurmkrankheiten, Nesselfieber und Asthma nicht stoppen ließ. Das alles in einer Equipe, die von diversen Merkwürdigkeiten umrankt wird. Doch Froomes Chancen in diesem juristischen Prolog stehen gar nicht so schlecht.

Die ASO hatte 2008 die gesamte Astana-Equipe ausgeladen, darunter Titelverteidiger Alberto Contador; das skandalumwitterte Team hatte aber schon diverse Einträge im Dopingregister stehen. Als die ASO 2009 den mit Kokain aufgeflogenen Tom Boonen ausschließen wollte, gab das Schiedsgericht des französischen Olympia-Komitees dem Belgier Recht.

Das gleiche Gremium verhandelt nun Froomes Einspruch, ein Urteil soll am 3. Juli fallen. Dann könnte der Fall zum Internationalen Sportgerichtshof wandern. Es sei denn, die UCI löst den Fall vorher, wie Präsident David Lappartient am Sonntag andeutete. Sicher ist nur: Über Sieg und Niederlage entscheiden wieder einmal die Juristen.

© SZ vom 02.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Giro d'Italia
:Chris Froome, der ungeliebte Sieger

Der Brite verteidigt souverän das Rosa Trikot. Sein Erfolg ist logisch und unlogisch zugleich - doch für Aufregung sorgt die vermeintliche Doping-Äußerung eines anderen Fahrers.

Von Emil Bischofberger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: