Friedhelm Funkel:Arbeit ohne Beton

Eintracht Frankfurt blüht auf unter Coach Friedhelm Funkel - der wiederrum hat Spaß an seinen Jungs. Eine Mischung, die auch auf die Zuschauer wirkt.

Ingo Durstewitz

Friedhelm Funkel ist in Gedanken versunken. Neben ihm hockt Trainerkollege Christoph Franke und doziert von Hemmungen und Ängsten, die seine Dresdner Auswahl befiel, weil sie bei der "großen Eintracht" und in "diesem tollen, großen, neuen Stadion" vorspielen und nur 1:2 verlieren durfte. Aber Funkel lebt erst auf, als er auf seine Frankfurter Profis angesprochen wird, die er gern "die Jungs" nennt.

Funkel

Friedhelm Funkel scheint zur Eintracht zu passen.

(Foto: Foto: dpa)

Seine Augen strahlen, er berichtet von "Elan, Willen, Bereitschaft, Freude, Leidenschaft, Hingabe", Tugenden also, die er "in dieser ausgeprägten Form noch nie erlebt" habe. Funkels Fazit: "Die Jungs machen einfach Spaß."

So sind die neuen Zeiten in Frankfurt, die Eintracht, gerade zum dritten Mal in Liga zwo zwangsversetzt, hat eine Mannschaft zusammengestellt, die ankommt: 27000 Zuschauer gegen die nicht als Zugpferde in Erscheinung getretenen Karlsruher, 26000 gegen Dresden; Fußball-Frankfurt fährt auf die neue Eintracht ab, weil das Team jung und hungrig ist, weil es dem Beruf mit Passion nachgeht und frechen, schnellen, schönen Fußball spielt.

Mit gelockerter Spaßbremse in die Zukunft

Der hat die Eintracht in die Spitzengruppe der Zweiten Liga und die 2. Runde des DFB-Pokals geführt. Derzeit mühen sich die Verantwortlichen, jede Form überbordender Begeisterung im Kein zu ersticken. Manager Bruchhagen mimt den Chef-Mahner, nach dem erzitterten Sieg gegen Dresden warnte er: "Im Waldstadion warten noch so viele schwere Spiele auf uns."

Dennoch: Die Tage sind gezählt, da saturierte Profis im immer gleichen Tempo trabten und ihr Spiel so viel Esprit versprühte wie das einer Altherrentruppe auf einem Aschenplatz in Frankfurt-Rödelheim; als die Mannschaft angeleitet wurde von einem mürrischen, bigotten Trainer, der kein Fettnäpfchen ausließ und überdies das hässliche System mit einer Spitze für derart revolutionär hielt, dass er krampfhaft daran festhielt - bis zum Abstieg.

Ein neuer Geist weht im Spätsommer 2004 durch Frankfurt, seit die Spaßbremse gelockert ist. Trainer Funkel, 50, kommt gut an, er ist eloquent und zuvorkommend, nach Reimann wirkt er wie ein schillernder Dampfplauderer - das freilich ist er nicht. Der angeblich farblose Fußballlehrer ist auf dem besten Weg, seinen auf Vorurteilen basierenden Ruf zu entkräften. Als "Beton-Funkel", der "Depri-Fußball" lehre, ist er verspottet worden. Funkel lassen derlei mit heißer Nadel gestrickten Klischees kalt. "Es heißt immer: Der lässt hässlich spielen, defensiv, der hat keine Visionen - das ist doch Quatsch", befindet er und gibt die Richtung vor: "Wer aufsteigen will, darf nicht defensiv spielen."

Arbeit ohne Beton

Der Coach baut auf junge Spieler, in den ersten vier Pflichtspielen hatte die Eintracht eine Mannschaft auf dem Feld, die im Schnitt 25 Jahre alt war, darunter eine Handvoll Fußballer, bei deren Namen selbst profunde Kenner von Liga eins und zwei ratlos mit den Achseln zucken. Oder schon mal etwas gehört von: Christopher Reinhard, 19 Jahre, Patrick Ochs, 20, Markus Husterer, 21, Alexander Meier, 21, Benjamin Köhler, 24?

"Die Jungs haben ungeheures Potenzial", sagt Funkel, der mit Verve für den neuen Frankfurter Jugendstil wirbt. "Alle rufen nach deutschen Talenten, wir bei der Eintracht gehen diesen Weg", sagt er und verweist stolz darauf, "dass wir am meisten deutsche Fußballer aller Bundesligisten haben". Erste, vorschnelle Vergleiche mit dem VfB Stuttgart machen die Runde.

Natürlich geht die Eintracht Risiken ein mit dieser jungen No-Name-Truppe. Denn diese ist, da gibt es kein Vertun, zum Wiederaufstieg verdammt, sei soll 2005, wenn das neue Stadion als Prunkstück erstrahlen soll, wieder Aufnahme im elitären Zirkel der Bundesliga finden. Finanziell aber sieht es trotz eines unter der Woche geschlossenen Vertrages mit der Hamburger Rechteagentur "Sportfive" eher bescheiden aus.

Die Eintracht, mit dem zweithöchsten Zweitliga-Etat (12,5 Millionen Euro) ausgestattet, sei zu einer "Low-Budget-Mannschaft" gezwungen, sagt Bruchhagen und erinnert ganz gerne an Altlasten aus den Verträgen mit den Vermarktern Octagon und ISPR. "Wir haben", sagt der 56-Jährige, "trojanische Pferde im Garten." Das kann auch nicht jeder Verein von sich behaupten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: