11 Freunde:Der geborene Chef

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Er bezeichnete Armin Veh als Übergangslösung und gab Mario Gómez während der EM den Rest. VfB-Aufsichtsratschef Dieter Hundt ist einer der streitbarsten Typen der Bundesliga.

Johannes Scharnbeck

In seinem Metier kennt sich Dieter Hundt bestens aus. Deswegen sagt er auch: "Die Imponderabilien sind bei einem Fußballverein größer als bei einem Wirtschaftsunternehmen." Weil der Arbeitgeberpräsident und Aufsichtsratsvorsitzende des schwäbischen Autozulieferers Allgaier ahnt, dass sein Gegenüber mit dem betriebswirtschaftlichen Fachbegriff für nicht messbare Einflussfaktoren zunächst nichts anfangen kann, wiederholt er ihn noch einmal: "Imponderabilien." Wo die Berechenbarkeit groß und die Urteilsfindung an eindeutige Fakten geknüpft ist, konnte der heute 69-Jährige stets auftrumpfen. Er sitzt im Aufsichtsrat eines halben Dutzends großer deutscher Unternehmen und ist die Stimme des Arbeitgeberverbandes. Der in Esslingen bei Stuttgart geborene Schwabe hat viel Macht und viele Kritiker. Denn mit Kalkül poltert er regelmäßig gegen die Gewerkschaften, schimpft auf das Sozialsystem oder die akademische Lehrerausbildung. Dem sich ständig einmischenden Hundt hat der Musiker Peter Licht sogar ein eigenes Lied gewidmet: "Benimmunterricht (Der Arbeitgeberpräsident)".

Fußballbegeisterung pur: Dieter Hundt spielte während des Studiums in der Stammelf des Grasshopper Clubs in Zürich. (Foto: Foto: imago)

Dieter Hundt ist jedoch nicht nur Wirtschaftsfunktionär, sondern auch Aufsichtsratschef des VfB Stuttgart, und wenn er über Fußball redet, spielen ihm die Imponderabilien, besonders die Emotionen, oft einen Streich. Neulich, bei "Waldis EM-Club", witztelte Hundt, nach den Leistungen von Mario Gómez im Nationaltrikot müsste der Verein bei einem Wechsel eigentlich "einen dreistelligen Millionenbetrag" bekommen. Nun ist Gómez Fußballer und kann mit Ironie ungefähr so viel anfangen wie andere mit Betriebswirtschaft. Daher schoss er umgehend zurück, sein Berater kanzelte Hundts Aussage gar als "Ungeheuerlichkeit" ab. Beste Steilvorlage für ein schwäbisches Medientheater.

Armin Veh als "Übergangslösung"

Hundt sagt dazu mittlerweile nur: "Ich bedaure die Reaktion auf meine flapsige Bemerkung in einer satirischen Sendung." Dabei müsste er doch wissen, dass er mit kernigen Fußballersprüchen schon einige Male daneben gelegen hat. Im Februar 2006 hatte er den neuen VfB-Coach Armin Veh an dessen erstem Arbeitstag als "Übergangslösung" bezeichnet - sein eigentlicher Wunschkandidat war Christoph Daum.

Bekanntermaßen führte Veh die Stuttgarter zur Meisterschaft, und Hundt wurde sein Satz immer wieder vorgehalten. Auch vor der letzten Saison wagte er sich bei der Bewertung der VfB-Transfers weit aus dem Fenster und sagte in einem Interview: "Ewerthon wäre eine Lösung, die meinen Beifall finden würde." Der brasilianische Stürmer enttäuschte maßlos, erzielte ein mickriges Tor und wurde schon nach der Hinrunde wieder zurück nach Spanien entlassen.

Das allerdings ficht Hundt nicht an. Vielmehr verweist er auf eine überaus erfolgreiche Amtszeit als Aufsichtsratsvorsitzender der Stuttgarter. Seinen Anteil am Meistertitel 2007 schätzt er gering ein, ihm geht es um die wirtschaftliche Sanierung des Klubs. Die führt er nicht zuletzt auf die Arbeitsweise des Aufsichtsrates zurück: Hundt entscheidet am liebsten im Kreise enger Vertrauter - oder allein. Obwohl er mit dem VfB-Präsidenten Erwin Staudt längst nicht immer einer Meinung ist, "passt zwischen uns kein Blatt", betont Hundt, "wir diskutieren teilweise kontrovers, und auch der informelle Weg funktio- niert bei dieser Achse bestens".

Ein "typischer Strafraumspieler"

Der VfB ist Hundts Herzensangelegenheit, seine Machtposition hat er abgesichert. Das Amt des Aufsichtsratschefs trat er 2002 nur unter der Bedingung an, die übrigen vier Mitglieder selbst auswählen zu dürfen. Hundt rechtfertigt dies ganz lapidar: "Ich wollte sicherstellen, dass in diesem Gremium Persönlichkeiten sitzen, die sich wie ich von wirtschaftlichen Kriterien leiten lassen und fußballbegeistert sind."

Diese Begeisterung bekommen auch seine Mitarbeiter beim Arbeitgeberverband zu spüren. So fragte Hundt seinen Kommunikationschef Uwe Mazura bei dessen Einstellungsgespräch, was er denn von Fußball halte. Mazura erwiderte, er interessiere sich gar nicht dafür. "Seinen Gesichtsausdruck über meine Antwort werde ich nie vergessen", sagt Mazura. Dieter Hundt ist nämlich außerdem noch Präsident des österreichischen Drittligisten SV Bad Aussee, seinem Urlaubsdomizil, und auch seine Laufbahn als aktiver Fußballer kann sich sehen lassen. Während seines Studiums in Zürich spielte der Mittelstürmer in der Stammelf des Grasshopper Clubs. Die Kompetenz als "typischer Strafraumspieler" übertrug er auch auf seine Karriere in der Wirtschaft.

Mitarbeiter charakterisieren ihn als großen Motivator, der alle gleich behandele, und als geborenen Chef mit Steherqualitäten. Hundt selbst beschreibt seine Stärken so: "Ich bin ausdauernd, beharrlich und gebe nicht so schnell nach." Dass er deshalb zuweilen in die Kritik gerät, gehört für ihn zum Metier. Um es mit einem typischen Arbeitgeberpräsidentensatz zusammenzufassen: "Wer Probleme mit der Hitze hat, sollte nicht Koch werden."

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