Freshfields-Report:WM-Affäre: Und was wird aus Niersbach?

Wolfgang Niersbach

Was wusste Wolfgang Niersbach in der DFB-Affäre?

(Foto: dpa)
  • Die Ermittlungen belasten den einstigen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach.
  • Seine Funktionärskarriere könnte bald zu Ende sein.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Als der deutsche Fußball am Freitag geschlossen nach Frankfurt blickte, weil dort die Ermittler der Kanzlei Freshfields ihre Erkenntnisse zur Sommermärchen-Affäre präsentierten - da weilte Wolfgang Niersbach in Nyon. Die Vorstandssitzung der europäischen Fußball-Union Uefa stand an, es galt einen neuen Generalsekretär zu bestimmen, weil Gianni Infantino in der vergangenen Woche an die Spitze des Weltverbandes Fifa aufgerückt war.

Die Uefa-Vorstände bestimmten allen Ernstes den Griechen Theodore Theodoridis zum neuen starken Mann in der Uefa-Zentrale. Das ist der Sohn eines Vize-Präsidenten von Olympiakos Piräus, das gerade im Zentrum einer Manipulationsaffäre steht, die vom Europa-Verband bisher nicht gerade sonderlich hart behandelt wurde. In Nyon gab der Fußball also mal wieder ein eher trauriges Bild ab am Freitag. Das allerdings passte zu Wolfgang Niersbachs Stimmungslage.

Es ist die Frage, wie oft Niersbach mit Theodoridis beruflich noch zu tun haben wird. Denn Niersbachs Zeit als Fußball-Funktionär könnte bald endgültig vorbei sein. Der 66-Jährige hatte beim Aufkommen der Sommermärchen-Affäre im Oktober 2015 von allen Personen, die früher im Organisationskomitee der WM 2006 zugange waren, eine besondere Rolle: Er war der einzige noch aktive Funktionär, aufgestiegen zum Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), zudem Mitglied in den Vorständen von Uefa und Fifa. Das erste Amt, das im DFB, gab er im November schon ab, die beiden anderen könnte er nach den Erkenntnissen vom Freitag bald verlieren. Auch wenn er fest vor hat, sie zu behalten, wie er in der Welt am Sonntag bekräftigte.

Niersbachs konkrete Rolle in der Affäre ist - wie so vieles andere - auch nach Fertigstellung des Freshfields-Reports nicht letztgültig geklärt. Das eine ist die Frage, wann er was gewusst hat. Die Wertungen der Ermittler fallen da relativ großzügig aus. Es ist seit der ersten Geschichte des Spiegel bekannt, dass Niersbachs Handschrift auf einem Fax aus dem November 2004 zu finden ist, in dem es um den Kern der Affäre geht: um die verschleierte Rückzahlung der 6,7 Millionen Euro an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus für ein drei Jahre zuvor gewährtes Darlehen. Diese Zahlung, die vom WM-OK als Beitrag zum Fifa-Kulturprogramm abgerechnet wurde, steht nun auch im Zentrum der Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft, die wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt.

Dass Niersbach vertuscht hat, bestreitet nur noch er selbst

Zwar hält der Freshfields-Report fest, dass die handschriftlichen Notizen "objektiv eine Verbindung zwischen der Überweisung an die Fifa und der Rückzahlung der "Dreyfus-Forderung" herstellen. (...) Es fällt schwer nachzuvollziehen, wie jemand derartige Anmerkungen machen kann, ohne die Zusammenhänge zu kennen." Andererseits führt der Bericht bemerkenswerte Argumente aus: dass das Original des Faxes nicht auffindbar sei, dass unklar sei, wann genau Niersbach das geschrieben habe, und dass in dem Entwurfschreiben mit den Anmerkungen Zahlungsbetrag, Empfänger und Kontodaten noch offen waren.

"Trotz schwerwiegender Bedenken", so schreibt es Freshfields, sei "nicht mit hinreichender Sicherheit" feststellbar, dass Niersbach schon 2004/2005 Kenntnis von der Kopplung der 6,7-Millionen-Euro-Zahlung an eine Dreyfus-Forderung gehabt habe. Ihre "gesicherte Erkenntnis" bezüglich des ehemaligen DFB-Chefs datieren die Ermittler erst auf den 9. Juni 2015, als in Egelsbach eine prominente Runde ehemaliger OK-Mitglieder zusammenkam, weil die alten Geschichten langsam wieder an die Oberfläche zu kommen drohten.

Das andere ist allerdings die Frage, wie Wolfgang Niersbach mit dem Wissen um Unregelmäßigkeiten im Jahr 2015 umging. Als DFB-Präsident. Dass er - spätestens - seit dem 9. Juni 2015 aktiv an der Verschleierung und Vertuschung der dubiosen Vorgänge beteiligt war, ist unbestritten. Mit Ausnahme seiner engen Vertrauten Helmut Sandrock (Generalsekretär, inzwischen zurückgetreten) und Stefan Hans (stellvertretender Generalsekretär, inzwischen fristlos gekündigt) wusste in der DFB-Spitze niemand davon.

Hat Niersbach Dinge verschleihert?

Zu diesem Vorgehen hat sich Niersbach nach der Veröffentlichung des Reports noch mal geäußert: Er habe sich im Sommer und Herbst 2015 "bemüht, die Hintergründe des Sachverhalts zu recherchieren und zufriedenstellende Antworten zu erhalten". Erst anschließend habe er das DFB-Präsidium informieren wollen. "Dass mir dies nicht gelungen ist, bedauere ich zutiefst", teilte Niersbach mit.

Es drängt sich aber angesichts des Reports stärker denn je die Frage auf, wie weit die Verschleierung durch Niersbach ging. Laut Freshfields entlieh eine seiner Mitarbeiterinnen bei einer privaten Archiv-Recherche im Juni 2015 den Aktenorder "Fifa 2000" - bis zur Fertigstellung des Reports war er nicht mehr auffindbar. In der vergangenen Woche hatte der Spiegel bereits von einem Ordner mit der Aufschrift "WM 2006" berichtet, der verschwunden sei.

"Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass frühere DFB-Mitarbeiter Akten nach ihrem Ausscheiden vernichtet haben. Manche Akten wurden oder werden privat verwahrt", heißt es im Report. Niersbach sagte den Freshfields-Ermittlern, er habe die Assistentin nicht angewiesen, im Archiv allein zu recherchieren und wisse auch nichts über den Ordner "Fifa 2000".

Die Entscheidung fällt in der Schweiz

Von zwei Seiten gerät Niersbach nun unter Druck. Zum einen ist da die aktuelle Spitze des DFB. Interimspräsident Rainer Koch rügte Niersbachs Verhalten als "völlig inakzeptables Vorgehen". Was aber mögliche Konsequenzen angeht, gab sich Koch - ebenso wie sein Co-Übergangschef Reinhard Rauball und der designierte Präsident Reinhard Grindel - eher zurückhaltend. Niersbachs Ämter in der Uefa und in der Fifa sind zwar persönliche Ämter, da kann der DFB nichts verfügen.

Aber auf der Pressekonferenz am Freitag wollte das DFB-Trio den früheren Weggefährten selbst auf mehrere Nachfragen hin nicht zum Rückzug auffordern oder ihm diesen zumindest nahelegen. Koch, Rauball und Grindel verwiesen lediglich auf die Gremien, die das nun zu entscheiden hätten. Das klang durchaus etwas merkwürdig, zumal der DFB unter seinem Präsidenten Niersbach noch vor zwei Jahren den damaligen deutschen Vertreter in Uefa- und Fifa-Exekutive, Theo Zwanziger, geschlossen zum Rücktritt aufgefordert hatte. Aber zwischen den Zeilen ließ sich schon heraushören, dass es bald deutlichere Worte geben dürfte.

Entscheidend für Niersbach aber wird sein, was an anderer Stelle über seine Rolle gedacht wird: bei der Fifa-Ethikkommission in der Schweiz. Diese soll sich insbesondere das Verhalten der Vorständler aus den internationalen Gremien anschauen. Sie prüft den Bericht von Freshfields bereits, es droht eine Sanktion, bis hin zu einer Sperre. In der Ethikkommission werde entschieden, "ob man mir ein Fehlverhalten ankreidet oder nicht", sagt Niersbach: "Ich denke nein und habe Vertrauen in die Abläufe in der Ethikkommission."

Ob man ihm Fehlverhalten ankreidet? Es gibt längst viele maßgebliche Leute, die denken: Ja.

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