French Open:Rafael Nadal erklimmt den Mount Everest

2017 French Open - Day Fifteen

Am Boden, aber glücklich: Rafael Nadal.

(Foto: Getty Images)
  • Rafael Nadal gewinnt zum zehnten Mal die French Open in Paris.
  • Diesmal fertigt er Stan Wawrinka in drei Sätzen ab.

Von Gerald Kleffmann, Paris

Ehe der "ultimative Kampf" anstand, wie die tägliche Postille der French Open namens Le Quotidien titelte, wurde es ein bisschen kuschelig. Zumindest auf dem Hauptplatz im Court Philippe Chatrier rückten frühere ehrenwerte Akteure zusammen. Der großartige Stan Smith war in der Reihe dabei, die sich in der Arena den vielen Menschen präsentierte, und das wirklich Beeindruckende an diesem Moment war, dass Stan Smith die wohl berühmtesten Turnierschuhe der Welt selbst trug. Sie heißen Stan Smith, und ja: Das ist keine Kunstfigur der Streifen-Marke, sondern ein ehemaliger amerikanischer Spitzenspieler.

Bei Ilie Nastase war der Applaus dann weniger gefällig, der Rumäne hatte sich zuletzt mit unangebrachten Tiraden bezüglich Spielerinnen zur unerwünschten Person entwickelt. Ion Tiriac immerhin, der gerissene Unternehmer, hält zu ihm und ließ Nastase, neben ihm stehend, dem Ganzen beiwohnen. Nicole Kidman übrigens saß derweil in der ersten Reihe und klatschte höflich, als der dreimalige Sieger Gustavo Kuerten nette Worte sprach. Die Schauspielerin hatte den Pokal ins Stadion gebracht, und just als das Gefühl aufkam, gleich könnten noch leckere Eclairs verteilt werden, wurden doch die Duellanten hineingebeten.

Nadal zum Zehnten: French-Open-Sieger der Männer seit 2003

2003: Juan Ferrero (Spanien) 2004: Gaston Gaudio (Argentinien) 2005: Rafael Nadal (Spanien) 2006: Rafael Nadal (Spanien) 2007: Rafael Nadal (Spanien) 2008: Rafael Nadal (Spanien) 2009: Roger Federer (Schweiz) 2010: Rafael Nadal (Spanien) 2011: Rafael Nadal (Spanien) 2012: Rafael Nadal (Spanien) 2013: Rafael Nadal (Spanien) 2014: Rafael Nadal (Spanien) 2015: Stan Wawrinka (Schweiz) 2016: Novak Djokovic (Serbien) 2017: Rafael Nadal (Spanien)

Robin Haase sagte es so schön: Er sei viel besser gewesen als Nadal - dann war das Einspielen vorbei

Es wurde dann allerdings eher ein Kämpfchen, und ultimativ agierte an diesem Sonntagnachmittag nur einer: Rafael Nadal, 31, aus Mallorca, fertigte - das lässt sich leider nicht anders zusammenfassen - seinen Gegner Stan Wawrinka, 32, aus Lausanne ab. Es war natürlich dennoch ein sehr spezielles Endspiel von Roland Garros, denn mit dem 6:2, 6:3 und 6:1-Erfolg des Spaniers muss jetzt der Tennis-Almanach an diversen Stellen auf den neuesten Stand gebracht werden. Bei der Gelegenheit ließe sich auch gut ein eigenes Kapitel einfügen, mit der Überschrift: La Décima.

Am 29. Mai 1953 standen Edmund Hillary und Tenzing Norgay als Erste auf dem Mount Everest. Am 21. Juli 1969 betrat Neil Armstrong als Erster den Mond. Und am 11. Juni 2017 erspielte sich Rafael Nadal den zehnten Sieg beim selben Grand-Slam-Turnier - das hat in der Profi-Ära des Tennissports seit 1968 kein Mensch geschafft.

Den Spruch des Turniers, der die Dominanz und die, ja, Gnadenlosigkeit Nadals amüsant und doch wahrheitsgemäß zum Ausdruck brachte, hatte Robin Haase geäußert. "Am Anfang war ich viiiiiiiiel besser", sagte der Holländer nach seinem Zweitrundenmatch gegen den Weltranglisten-Vierten und ergänzte: "Dann war das Einspielen vorbei." Acht Spiele hatte sich Haase wenigstens erkämpft, aber weder ihm noch den sechs anderen Gegnern von Nadal war es gelungen, auch nur einen Satz zu stibitzen. Am ehesten noch wurde Wawrinka, dem Weltranglisten-Dritten, dem dreimaligen Grand-Slam-Sieger, zugetraut, die peitschenden Topspinschläge des Linkshändern zähmen zu können.

Bei ihm war die Partie dann aber kaum länger offen als bei Haase: Bis zum 2:3 hielt er gut mit, die 28 Minuten bis dorthin waren intensiv, spannend, ausgeglichen. Nadal nahm Wawrinka dann erstmals das Aufschlagspiel ab - und zog auf und davon. Eineinhalb Stunden später, nach insgesamt 2:05 Stunden Spielzeit, ließ sich Nadal nach einem Fehler Wawrinkas auf die berühmte Terre Battue fallen. Er streckte alle Viere aus, und da lag er, der neue Rekordmann, der sich in der ewigen Bestenlisten der Grand-Slam-Sieger nun von Pete Sampras absetzte und mit 15 Titeln jetzt allein hinter Roger Federer (18 Titel) aus der Schweiz liegt.

Nadal: "Mein Französisch ist sehr schlecht"

Immer dann, wenn Nadal in Paris den Platz betrat, ratterte der Stadionsprecher jene Jahre vor, in denen Nadal das wichtigste Sandplatzturnier gewonnen hatte. Im nächsten Jahr wird dieser Vorgang also länger dauern, wenn es heißt: "2005, 2006, 2007, 2008, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2017!" So lautet die Bestmarke bis auf Weiteres. Die Australierin Margaret Court, zurzeit gerade beliebt wie Nastase aufgrund ihrer homophoben Kommentare, hat zwar elf Titel bei den Australian Open erzielt, darunter aber auch einige als Amateurin.

"Ich habe das Décima gewonnen, das ist wirklich sehr, sehr speziell", sagte Nadal als Erstes, seine Augen sollten eine Weile feucht bleiben vor Rührung. "Merci beaucoup", sagte er, dann verhaspelte er sich ein bisschen. "Mein Französisch ist sehr schlecht", ergänzte er, "und jetzt ist es besonders schlecht, weil dieser Moment sehr emotional für mich ist." Wie ein Schüler, der die Hausaufaufgaben vergessen hat, nickte er reuevoll und entschuldigend. Nadal ist für seine Höflichkeit bekannt. Man darf ihn eben nur nicht zu einem Duell auf Asche bitten. Dort ist er eher rücksichtslos.

Wawrinka hat nun das erste seiner vier Grand-Slam-Finals verloren

Gegen Wawrinka gelangen Nadal 27 direkte Gewinnschläge (Wawrinka 19) und nur 12 Fehler (Wawrinka 29). "Es ist immer eine Ehre, gegen dich zu spielen", sagte Wawrinka, der das erste seiner vier Grand-Slam-Finals verlor. Vor dem Endspiel war, eine Nachricht am Rande, bekannt geworden, dass der Schweizer in der Rasensaison zusätzlich zu Coach Magnus Norman mit Paul Annacone arbeiten wird.

Der Amerikaner führte einst Pete Sampras und Federer zu Titeln in Wimbledon. Nadal hat allein in Paris von zehn Finals zehn gewonnen. In einem Video wurden seine früheren neun verwandelten Matchbälle gezeigt - und am Schluss zeigten sie Matchball Nummer zehn. Bei den French Open halten sie die Zuschauer wirklich up-to-date.

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