French Open - Match des Tages:Schrotflinte im Schlagrepertoire

Die French Open sind das einzige Grand-Slam-Turnier, das an einem Sonntag beginnt. Das lohnt sich vor allem für den Veranstalter. Aber auch die Zuschauer können profitieren - wie in diesem Jahr von einem Fünfsatzkrimi zwischen einem deutschen Qualifikanten und einem gesetzten Österreicher.

Milan Pavlovic, Paris

Match des Tages (1): Michael Berrer (Stuttgart) - Jürgen Melzer (Österreich/Nr. 30) 6:7 (5), 4:6, 6:2, 6:2, 6:3

Tennis French Open 2012

Berrer in Paris: Spektakuläres Schlagrepertoire

(Foto: dpa)

Wer hätte gedacht, dass Franzosen geschäftstüchtiger sein könnten als Amerikaner, Engländer und Australier zusammen? Seit 2006 beginnen die Veranstalter der French Open mit ihrem Grand-Slam-Turnier bereits am Sonntag.

Auf diese Weise kann die Tennis-Anlage trotz abgespeckten Programms gut gefüllt und tausende Zuschauer in die Boutiquen gelockt werden, in denen T-Shirts ab 35 Euro über die Ladentheke gehen. Natürlich könnten sie das in Wimbledon, New York und bei den Australian Open auch tun, aber seltsamerweise ist das bisher noch nicht passiert, und so sonnen sich die Franzosen in ihrem unbeabsichtigten Monopol.

Zurecht, wie der erste Tag im äußersten Westen der französischen Kapitale unterstreicht. Es gibt zwar auch diesmal nicht ein Match für die Historie. Aber die Zuschauer strömen in Scharen, das Wetter ist vorzüglich und die Atmosphäre ausgelassen.

Ein paar Minuten lang sieht es auch so aus, als gäbe es den ersten Favoritensturz: Juan Martin del Potro ist in Schwierigkeiten. Der Schlaks aus Argentinien, der 2009 die US Open gewann, verliert einen Satz. Der giftige Gegner Juan Monaco sieht danach, wie sein Kontrahent, der einen Kopf größer ist, zu Beginn des dritten Durchgangs am Knie behandelt wird. Doch als die Partie fortgesetzt wird, verliert kurioserweise der Spanier den Faden - und verliert in vier Sätzen.

Spannender geht es auf Court 3 zu. Zumindest eine Weile lang. Michael Berrer misst sich dort mit Jürgen Melzer. Der Österreicher stand hier 2010 im Halbfinale (und kurz vor einem Satzgewinn gegen den Sandplatzkönig Rafael Nadal). Doch eine Hüftverletzung hat den 31-Jährigen danach weit zurückgeworfen, diesmal ist er als Nummer 30 gerade so gesetzt, und man spürt, dass sein deutscher Gegner daran glaubt, einen kleinen Coup landen zu können.

Berrer beginnt die Partie enorm aggressiv und schafft ein frühes Break. Der Stuttgarter, im Juli auch schon 32 Jahre alt, verfügt über ein Schlagrepertoire, das größer und spektakulärer ist als bei einigen Top-20-Spielern: Volleys, Treibschläge, Halbvolleys, die selbst Pete Sampras zu einem anerkennen Nicken bewegen würden, sowie Stops und Lobs sorgen immer wieder für ein Raunen auf Court 3.

Allerdings kommen dann garantiert wieder Momente, die verdeutlichen, warum der Linkshänder über Platz 42 der Welt noch nicht hinausgekommen ist und sich diesmal durch die Qualifikation kämpfen musste. Er verstreut dann seine Schläge, als müsste er mit einer abgesägten Schrotflinte agieren - oft dummerweise in wichtigen Situationen.

Bei 4:4 im ersten Satz vergibt Michael Berrer drei Breakchancen, eine davon mit einem grotesken Rückhandfehler. Im Tie-Break ist Melzer exakt um jenen einen Gewinnschlag besser, der in Tennisspielen oft den entscheidenden Unterschied ausmachen.

Im zweiten Satz macht Berrer einen Aufschlagverlust wett - nur um direkt danach wieder sein Service und den Satz abzugeben. Nach dem 4:6 spricht nichts mehr für den Deutschen, denn noch nie in seiner Karriere hat er einen 0:2-Satzrückstand aufholen können, bisher konnte er überhaupt noch keines seiner drei Fünfsatzspiele gewinnen.

Doch im dritten Durchgang geschieht etwas Seltsames. Berrer geht noch höheres Risiko, begeht aber weniger leichte Fehler. Das übernimmt nun Melzer. Es folgen zwei unaufgeregt einfache Sätze, die Berrer jeweils mit 6:2 gewinnt. Es sind inzwischen zweieinhalb Stunden gespielt, und das Spiel beginnt im Grunde von neuem.

Berrer scheint sogar moralisch im Vorteil zu sein, doch rasch wird klar, dass das Gegenteil der Fall ist. Melzer gelingt sofort das Break zum 1:0 und erhöht auf 2:0. Beim übernächsten Punkt verfehlt der Österreicher die Linie um wenige Zentimeter. Berrer ballt die Faust, denn er ahnt: Dieser Punkt leitet die nächste - und letzte - Wende ein. 25 Minuten später hat er den Satz und damit nach drei Stunden und 42 Minuten auch das Match gewonnen. Nach dem 6:7 (5), 4:6, 6:2, 6:2, 6:3 geht es frühestens am Dienstag weiter den Franzosen Nicolas Devilder, wie Berrer ein Qualifikant.

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