French Open - Match des Tages (12):Großes Kino im Abseits

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Harte Schläge, große Zukunft: Antonia Lottner bei den French Open.  (Foto: Getty Images)

Was sich in Paris auf dem abgelegenen Court 17 tut? Hochinteressantes, vor allem aus deutscher Sicht: Im Juniorinnen-Wettbewerb steht mit Antonia Lottner eine junge Düsseldorferin im Halbfinale - den Dreisatz-Sieg gegen eine Russin muss sie sich hart erkämpfen.

Von Milan Pavlovic, Paris

Match des Tages (12): Antonia Lottner (Düsseldorf) - Jelizaweta Kutschkowa (Russland) 6:7 (4), 7:5, 6:4

Court 17 ist vom Herz der Anlage von Roland Garros so weit entfernt, wie es nur geht. Es ist einer dieser Außenplätze, an deren Kopfenden keine Zuschauer sitzen, sondern Bäume stehen. An der einen Seite drei schüchterne Kiefern, an der anderen ein kleiner Wald, aus dem ein paar Äste in den Court hineinragen, wenn der Gärtner nicht aufpasst. Dahinter verläuft, so knapp wie nirgendwo sonst auf der Anlage im Westen von Paris, die stark befahrene Avenue de la Porte d'Auteuil.

Manchmal rasen hier, keine 20 Meter entfernt, Notarztwagen mit ihren hysterischen französischen Sirenen vorbei. In einer Ecke des Platzes kann man sich im Schatten fast verstecken oder von dort zum Court 15 rüber gucken, einem Trainingsplatz. Auf Platz 17 gibt es außerdem - ein Anachronismus im heutigen Medienzeitalter - keine Anzeige für die Geschwindigkeit der Aufschläge und keine Livebilder für die TV-Sender, weil es nur eine Standkamera mit leichter Fischaugen-Optik gibt.

Dies ist ein Platz, auf dem Karrieren beginnen. Oder ausklingen. Oder wieder beginnen. Vor zwei hat auf diesem Platz Tommy Haas sein Einzel-Comeback nach eineinhalbjähriger Verletzungspause gegeben. An diesem anfangs siedend heißen Donnerstag läuft auf diesem Platz ein Teil der Zukunft des deutschen Tennis auf, und wer in der Mittagshitze nicht gerade mit schwarzer Jeans und schwarzem T-Shirt (mit Don Vito Corleone vorne drauf) sitzt, kann den Aufenthalt genießen.

Zunächst gewinnt der gerade einmal 16-jährige Alexander Zverev, die Nummer vier des Juniorenturniers, 6:2, 5:7, 6:0 gegen den in Südafrika geborenen Briten Kyle Edmund (Nr. 5) und erreicht das Halbfinale gegen den Serben Nikola Milojevic, der in zehn Tagen volljährig wird. Danach betritt Antonia Lottner Court 17, und wer sie aus der Ferne kommen sieht, darf erstaunt sein: Die 16-Jährige ist 1,85 Meter groß und schon jetzt eine imposante Erscheinung. Die Düsseldorferin fängt an wie die Feuerwehr, geht schnell mit 4:1 in Führung. Dann jedoch beginnt das Mädchen mit etwas, das sich wiederholen soll: Sie kommt vom Weg ab, gestattet der deutlich kleineren Russin ein Rebreak.

"Da habe ich meine Taktik aufgegeben", erklärt sie später und fasst sich an den Kopf, weil sie das immer noch nicht versteht, "ich habe aufgehört, mit Spin zu spielen und ihr die Bälle viel zu flach zugespielt". Kutschkowa sagt das zu, sie gleicht mit ihren gradlinigen, flachen Schlägen aus, wehrt einen Satzball der Deutschen ab (na ja: Lottner schlägt einen Volley ins Netz) und gewinnt den Durchgang im Tiebreak. Zweiter Satz, ähnliches Bild: Grundlinienduelle, einige davon sehr sehenswert, die anfangs von Lottner dominiert werden, die bald 4:1 führt. Und dann? Genau: 4:4, diesmal sogar 4:5, und kurz darauf bei 15:40 für Kutschkowa. Nun aber zittern der spindeldürren Gegnerin die Arme, was zu zwei grotesken Fehlern führt. Das ist diesmal alles, was Antonia Lottner braucht.

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Milan Pavlovic

Sie gewinnt den Satz mit 7:5, geht im letzten Satz mit 4:1 in Führung und ... Sie ahnten es schon - ermöglicht es Kutschkowa, das 4:4 zu erzielen. Dann jedoch stürzt die Russin in ein kleines Hitzeloch, serviert einen Doppelfehler, bei dem das Service nicht einmal bis zum Netz kommt - und diese Einladung KANN Lottner gar nicht ablehnen. Ein letztes Mal begegnen sich die beiden Spielerinnen am Netz.

Ihr Händedruck in der Hitze fällt so kühl aus, als wären sie schon länger erbitterte Kontrahentinnen auf der Profitour. Als Antonia Lottner eine Stunde später im Pressesaal 3 auftaucht, setzt sie sich zunächst dorthin, wo gewöhnlich die Journalisten sitzen - "das ist mein erstes Mal in so einem Raum", sagt sie fast entschuldigend, während sie sich auf die andere Seite hinter ein Tischchen setzt.

Dann lauscht die Düsseldorferin ("Ich trainiere in Köln", erzählt sie kichernd, "und in einem Auto mit Düsseldorfer Kennzeichen dorthin zu kommen, das geht gar nicht.") den Fragen zweier Interessierter. Einer amerikanischen Reporterin sagt sie in flüssigem Englisch, sie habe hier "einfach an Sachen für die Zukunft arbeiten" wollen. "Ich bin echt überrascht, im Halbfinale zu stehen, denn in den vergangenen Monaten habe ich nicht so gut gespielt." Da sei es unrealistisch, mit dem Ziel ins Turnier zu starten, dieses zu gewinnen.

Bei den beiden Matchbällen gegen sich habe sie nur gedacht: "I'm going home now." Stattdessen steht sie wie schon im Vorjahr im Halbfinale des Juniorinnen-Turniers von Paris. "Sie lieben offenbar die große Bühne", sagt die Amerikanerin und trägt ihr vor, wie weit sie bei den Grand-Slam-Turnieren gekommen ist, Halbfinale, Viertelfinale, Halbfinale, jetzt wieder Halbfinale. "Ja", sagt Lottner grinsend, "ich spiele mein bestes Tennis bei den großen Turnieren." Im Halbfinale muss sie das gegen die Favoritin Ana Konjuh tun. Den Namen muss man sich merken. Lottner hatte die Kroatin bei den vergangenen US Open bezwungen, "aber das war ein enges Ding", erinnert sie sich.

Und seitdem ging Konjuhs Weg steil nach oben, die 15-Jährige führt inzwischen die Weltrangliste der Juniorinnen an. Ja, mit 15! Später erzählt Lottner kurz von ihren Lieblingsfilmen, die NICHT jene unbedingt sind, die der Deutsche Tennis-Bund gesammelt hat. ""The Hangover"?", fragt sie zurück. "Kann mich erinnern, dass ich das mal gesagt habe... Obwohl, das ist ein guter Film. Der erste wohlgemerkt." Und was ist mit dem gerade angelaufenen dritten Teil? "Den hab ich noch nicht gesehen - musste ja Tennis spielen." Was ist mit "Ted", der deftigen Teddybären-Komödie?

"Als Lieblingsfilm? Die Liste muss meine Mutter zusammen gestellt haben", sagt Lottner. "Obwohl, das ist auch ein guter Film." Sie möge am liebsten romantische Komödien, "aber ein bisschen Action ist auch nicht schlecht". Und was ist mit den oben genannten deftigen Komödien? "Die mag ich auch." Fassen wir es so zusammen: Fräulein Lottner mag Kino. Sehr sympathisch.

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