French Open - Match des Tages (4):Lokalmatador bezwingt Großmaul

2013 French Open - Day Four

Lokalmatador: Der Franzose Monfils setzt sich gegen den Letten Ernests Gulbis beim French Open durch.

(Foto: Getty Images)

Vor dem Spiel teilte er noch gegen Federer, Djokovic, Nadal und Murray aus: Der Lette Ernests Gulbis gilt als das wohl größte Großmaul der Tour. Gegen den Franzosen Gaël Monfils ist er aber zu "müde". Das Match kommt spät in Schwung, gewinnt aber mit jedem Ballwechsel an Qualität. Zwischendurch dreht Monfils sogar ein Video.

Von Milan Pavlovic, Paris

Match des Tages (4): Gaël Monfils (Frankreich) - Ernests Gulbis (Lettland) 6:7 (5), 6:4, 7:6 (4), 6:2

Mitte der ersten Woche ist bei den French Open traditionell Kindertag, tausende Minderjährige strömen dann auf die Anlage im äußersten Westen von Paris. Viele von ihnen kommen zum ersten Mal in Berührung mit Tennis, was nicht allen Profis gefällt. Man erkundige sich nur bei den Herren Michael Stich und Boris Becker, die das Spektakel mit umher rennenden, in Ballwechsel schreienden und auch sonst plappernden Kindern mit zunehmendem Alter immer weniger zu würdigen wussten.

Charmant ist natürlich, dass Becker einen seiner spektakulärsten Siege an einem Kindertag feierte, 1991 gegen Todd Woodbridge in der zweiten Runde auf dem Court 1: In der berüchtigten, rund gebauten "Stierkampfarena" holte er beim 5:7, 1:6, 6:4, 6:4, 6:4 gegen den Australier nicht bloß einen 0:2-Satzrückstand auf, sondern er lag auch in den Sätzen drei, vier und fünf jeweils mit einem Break zurück - und gewann die Partie, indem er Woodbridge in diesen Sätzen jeweils bei einer 5:4-Führung den Aufschlag ein zweites Mal abluchste.

Doch die Kinder werden seit einigen Jahren immer seltener auf die beiden Hauptplätze gelassen, wo die Billets teuer verkauft werden. Deshalb gab es das Gewusel und Geschnatter überwiegend auf den Nebenplätzen. Die Partien dort waren allerdings meistens einseitig oder merkwürdig. Auf besagtem Court 1 etwa legte Tobias Kamke einen ebenso beherzten wie unglücklichen Auftritt gegen den Franzosen Julien Benneteau hin. Der Deutsche hätte knapp in drei Sätzen gewinnen können, wenn nicht sogar müssen.

Stattdessen verlor er nach vier Stunden 6:7 (9), 5:7, 7:5, 6:0, 4:6 - obwohl Benneteau zweimal wegen Oberschenkel-Problemen behandelt werden musste und Kamke im fünften Durchgang bereits 2:0 geführt hatte. "Da dachte ich schon, ich wäre draußen", sagte Benneteau, der Kamke damit die Chance nahm, am Freitag gegen Roger Federer antreten zu dürfen. Nach dem Break im fünften Satz "habe ich kurz gedacht, ich hätte ihn", gab Kamke zu. "Die Zuschauer haben mich gerettet", erklärte der Franzose, nicht nur wegen ihrer Unterstützung, sondern "weil sie mir mit ihrem Spektakel zwischen den Punkten mehr Zeit zum Durchatmen gaben."

Lokalmatador gegen Großmaul

Auf dem Court Central fand derweil das Spiel statt, von dem man sich am meisten erwartet hatte: Lokalmatador Gaël Monfils, der Held vom Montag (siehe Match des Tages 2), traf auf Ernests Gulbis, wohl das größte Großmaul der Tour. Der Lette genießt ohnehin nicht den besten Ruf auf der Tour, und als suchte er neue Feinde, gab er vor dem Match ein explosives Interview, in dem er Federer, Djokovic, Nadal und Murray als "Langweiler" bezeichnete, die desinteressiert am Wohl der Männertour seien . Er verwahrte sich gegen den Vorwurf, ein "verwöhntes Kind" zu sein, gab aber zu, sich in seiner Karriere oft dumm verhalten zu haben - zum Beispiel, weil das Feiertier zweimal je ein halbes Jahr seiner Karriere verdaddelte, "weil ich zu viel gefeiert habe und so lange brauchte, um wieder fit zu werden". Auch deshalb konnte er die hohen Erwartungen in ihn noch nie erfüllen.

In den vergangenen Wochen jedoch schien er - mal wieder - zum Durchbruch bereit zu sein. In Rom blies Gulbis mit seinem variantenreichen Angriffstennis Rafael Nadal eineinhalb Sätze lang vom Feld. Der 24-Jährige beging allerdings den Fehler, den Star regelrecht vorzuführen, was den Spanier zu einem großartigen Comeback animierte.

Erst unterkühlt, dann kurios

Mit Monfils kommt Gulbis persönlich besser zurecht, die beiden blödelten sogar während ihrer Partie herum, die ganz anders verlief als erwartet. Monfils war wie schon am Montag gegen Tomas Berdych total konzentriert, nichts sollte ihn ablenken, für Clownerien, die ihn etliche Matches gekostet haben, hatte er keine Zeit. Jede Unze Kraft, die er hatte, wollte er in seine Schläge stecken.

So entwickelte sich eine seltsam unterkühlte Partie, in der Gulbis nach gut einer Stunde den ersten Satz im Tiebreak gewann, ihm genügte dafür ein Minibreak. Auch danach hatten die Zuschauer Probleme, eine Stimmung wie am Montag zu kreieren. Das gelang erst am Ende des zweiten Satzes. Da sackte die Konzentration von Gulbis ein paar Sekunden ab, das reichte Monfils, um dem Gegner das Service zum 6:4 abzunehmen.

Kurios ging es weiter: Der Lette konterte zu Beginn des dritten Satzes mit einer 2:0-Führung - nur um danach fünf Spiele in Serie abzugeben. Seine Topspin-Vorhand, vor der der Rechtshänder stets eigenwillig seine linke Hand nach vorne führt, klappte nun kaum noch, weshalb er die Vorhand nun oft als Slice rüber löffelte. Bei 5:3 schlug Monfils zum Satzgewinn auf und führte 40:0, doch mit einem Mal spielte Gulbis wieder auf höchsten Niveau. Ein irrwitziger Punkt jagt den nächsten, Monfils hielt dagegen, das Match gewann mit jedem Ballwechsel an Qualität, Gulbis wehrte zwei weitere Satzbälle ab. Kurz danach glich der Lette zum 5:5 aus, erhöhte den Druck und kam zu vier Breakbällen, die womöglich die ganze Partie entscheiden würden. Monfils wehrte sie ab, einen davon mit einem Rückhandslice in höchster Not, der cross an die Netzkante flog und so knapp hinter dem Netz herunter tropfte, dass Gulbis nicht mehr herankam, obwohl er schon an der T-Linie stand.

Videodreh während des Spiels

Es war der Punkt des Spiels. Denn obwohl der Lette ungefährdet das 6:6 machte, war sein Widerstand gebrochen. Im Tiebreak war er chancenlos, beim Seitenwechsel zückte Monfils sein Smartphone und machte - mit Erlaubnis des Schiedsrichters - einen kleinen Film der "Olà", die nun durch das Stadion schwappte. Im vierten Durchgang, den er 6:2 gewann, war Monfils unantastbar, weil Gulbis müde war. "Ich gehe jetzt wieder auf den Trainingsplatz und werde trainieren", sagte der Lette, "denn es kann nicht sein, dass ich in einem solchen Spiel müde werde."

"Müdigkeit?", hatte Monfils vorher gesagt. "Daran denke ich jetzt gar nicht erst." Zumal er um seinen nächsten Gegner weiß: den spanischen Sandwühler Tommy Robredo. Und sollte der Franzose diese fiese Hürde nehmen, wird es noch schwerer: In seinem Horrortableau warten höchstwahrscheinlich die Sandplatzspezialisten Nicolas Almagro (Achtelfinale), David Ferrer (Viertelfinale), danach ein gewisser Herr Federer. Die beste Nachricht für Monfils: Von den beiden Turnierfavoriten Rafael Nadal und Novak Djokovic, die beide in die andere Hälfte des Tableaus gesetzt wurden, müsste er nur einen besiegen.

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