French Open:Djokovic schafft Historisches im roten Sand von Paris

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Platt: Novak Djokovic nach seinem Sieg gegen Andy Murray (Foto: AFP)

Als achter Spieler der Tennis-Historie gewinnt der Serbe alle vier Grand Slams. Beim Finalsieg dominiert er Andy Murray wie seit Monaten das gesamte Männertennis.

Von Philipp Schneider, Paris

Als es endlich so weit war, als Novak Djokovic dieses letzte verdammte Turnier gewonnen hatte, das ihm in seiner Sammlung noch gefehlt hatte, blieb er nicht allzu lang freudentrunken liegen im roten Sand von Roland Garros. Er dachte bald an Andy Murray, den unterlegenen Weltranglisten-Zweiten. Also rappelte sich Djokovic wieder auf und lief im Sauseschritt hinüber zu Murray, der sogar übers Netz gestiegen war, um Djokovic zu gratulieren. 3:6, 6:1, 6:2, 6:4, das waren die Zahlen nach diesem Endspiel. Aber Zahlen erzählen nie alles. Djokovic hatte Historisches geschafft am Sonntag um kurz nach 18 Uhr: Er hatte als achter Spieler in der Tennis-Geschichte alle vier Grand-Slam-Turniere gewonnen, und, was noch mehr herausragt: Er ist nach Don Budge (USA) und Rod Laver (Australien) erst der Dritte, der vier Majors in Serie holte. Diese 115. French Open waren der zwölfte Anlauf des serbischen Weltranglistenersten auf die Coupe des Mousquetaires. Alle anderen Pokale hatte er längst in seiner Sammlung. In Melbourne gewann er erstmals 2008, 2011 holte er sich erstmals die Titel in Wimbledon und New York.

Am Sonntag hielt dieses von Regengüssen geplagte Turnier die letzte Überraschung bereit: Es blieb trocken. Und die vormals frostigen Temperaturen stiegen auf 20 Grad Celsius. So als wäre dies eine makabre Schlusspointe, schien sogar die Sonne auf Djokovic, als er schließlich den Pokal in den Himmel von Paris streckte.

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"Thank you, Andy", sagte Djokovic. Es sei das erwartete harte Match geworden. Aber das war eine höfliche Übertreibung des Serben. In Wahrheit hatte er dieses Finale dominiert, wie er nun schon seit Monaten das Männertennis nach Belieben bestimmt. "It sucks to lose this match", es sei ärgerlich, dieses Spiel verloren zu haben, entgegnete der Schotte, nachdem er sich beim Pariser Publikum brav dafür entschuldigt hatte, des Französischen weiterhin nicht mächtig zu sein.

Natürlich hatten die mal wieder gewandelten Wetterbedingungen auch Auswirkungen auf die Match-Strategie der zwei besten Spieler der Welt. Zum dritten Mal innerhalb weniger Wochen standen sich Djokovic und Murray gegenüber. In der Höhenlage von Madrid hatte Djokovic bei trockenen Bedingungen gewonnen, darauf hatte Murray in einem feuchten Finale im flacheren Rom triumphiert. Nun also: Roland Garros, Court Philippe Chatrier, der Höhepunkt der Sandplatzsaison. Und endlich kein Regen mehr.

Djokovic war in dieses Finale geschwebt, Murray in der zweiten Turnierwoche auch. Auf dem Weg ins Endspiel hatte der Serbe nur einen Satz abgegeben - gegen den robusten Spanier Roberto Bautista Agut, als er im Nieselregen spielen musste. Murray dagegen hatte für seine Siege in den ersten zwei Runden gegen Spieler jenseits der Top 100 erstaunliche zehn Sätze benötigt: gegen den Tschechen Radek Stepanek und den Franzosen Mathias Bourgue. Danach steigerte sich auch er deutlich, bis zum Höhepunkt, als er im Halbfinale mit Leichtigkeit den Titelverteidiger Stan Wawrinka aus dem Wettbewerb warf.

Eine "physische Schlacht" hatte Djokovic angekündigt, aber in diesem Finale kam dann doch alles anders. Es stand ja für beide einiges auf dem Spiel. Murray, der erste Brite im Paris-Finale seit 79 Jahren, verlor gleich sein erstes Aufschlagspiel zu Null, gewann dann aber vier Spiele in Serie.

Schwer drückte die einmalige historische Gelegenheit auf den Schultern von Djokovic, in der verletzungsbedingten Abwesenheit von Rekordsieger Rafael Nadal (neun Siege) seinen ersten Titel in Paris zu gewinnen. Nach 45 Minuten holte sich Murray den ersten Satz mit 6:3 - allerdings erst, nachdem die Stimmung im Stadion Philippe Chatrier fast eskaliert war.

Murray hatte einen Aufschlag auf die Linie serviert, der Linienrichter gab ihn zunächst aus, wurde dann aber überstimmt vom Stuhlschiedsrichter. Djokovic lief nach vorne zum Referee, begann eine Diskussion und forderte zwei neue Aufschläge. Die lehnte der Schiedsrichter ab, mit der Begründung, Djokovic habe seine Schlagbewegung schon vollführt gehabt im Moment des Ausrufs des Linienrichters. Die Zuschauer begannen zu pfeifen, minutenlang, sie hörten gar nicht mehr auf zu pfeifen. Nicht gegen Djokovic, sondern gegen den Schiedsrichter.

Aber möglicherweise bezog Murray die Pfiffe auf sich. Er sei mit der Situation gut klar gekommen, erzählte er einerseits später. Andererseits sei es "gut für mich, solche Situationen durchzustehen in der Karriere", sagte Murray. "Wenn ich bald in Queens oder Wimbledon spiele, dann sieht das wieder ganz anders aus", dann gebe ihm das Publikum einen "Boost". Schon nach seinem Finaleinzug hatte Murray die mangelnde Unterstützung des Pariser Publikums kritisiert. Die Atmosphäre im Halbfinale gegen Wawrinka sei "tough" gewesen, sagte Andy Murray, der sich Anfang des vergangenen Monats von seiner Trainerin Amélie Mauresmo getrennt hatte - der ehemaligen französischen Nummer eins. Nach dem Satzgewinn sank seine Aufschlagquote auf unter 50 Prozent, er verlor die Kontrolle über das Match. Vor allem aber, weil Djokovic nach dem Satzverlust sein Spiel in die gewohnten spielerischen Sphären schraubte.

Und es machte sich wohl auch bemerkbar, dass Murray bis zum Finale fünf Stunden mehr auf den Plätzen gestanden hatte als Djokovic, dem in den drei Sätzen danach jeweils frühe Breaks gelangen. Murray gab insgesamt siebenmal seinen Aufschlag ab, weil Djokovic mutig und kraftvoll von der Grundlinie dominierte. Und weil ihm dreimal derselbe Zauberschlag gelang: kurz und cross übers Netz, nachdem Murray einen Stopp versuchte hatte.

"Was Novak heute erreicht hat, ist etwas sehr Spezielles", lobte Murray. "Viele Menschen hätten das gerne gesehen; oder wären Teil davon gewesen." Und das war Murray nun tatsächlich: ein Teil von etwas Großem.

© SZ vom 06.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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