Freiburgs Jonathan Schmid:Die Frisur trügt

SC Freiburg v Hannover 96 - Bundesliga

Immer wieder ein Grund zur Freude: Mittelfeldmann Jonathan Schmid ist mit bislang acht Treffern Freiburgs zweitbester Torjäger.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Jonathan Schmid sticht beim SC Freiburg nicht nur wegen seines Haarschnitts heraus. Er gehört zu den jungen Spielern, die nun gegen Stuttgart um den Finaleinzug im DFB-Pokal kämpfen. Im Gegensatz zu einigen anderen hat sich Schmidt aber dazu entschlossen, über diese Saison hinaus in Freiburg zu bleiben.

Von Christoph Ruf

Eine Begegnung mit Jonathan Schmid klärt zwangsläufig ein paar Missverständnisse auf. Dass die überhaupt entstanden sind, mag an diesem Haarschnitt liegen, den allenfalls Schmids Friseur als geglückt bezeichnen könnte.

Bis Augenhöhe abrasiert, oberhalb der nackten Fläche wilder Haarwuchs - ältere Zeitgenossen ertappen sich dabei, dass sie einen jener Jungprofis erwarten, die mit 150 Sachen durch die Spielstraße fahren und sich in der Ansprache weiblicher Bedienungen gerne mal im Ton irren.

Nichts, aber auch gar nichts davon trifft auf den Freiburger Mittelfeldspieler zu, der in Wirklichkeit eher schüchtern ist und ein denkbar unexzentrisches Privatleben führt. Der Sohn eines Österreichers und einer Französin ist ein leidenschaftlicher Angler, ein Mensch, für den "die Familie und die Freunde" das Wichtigste im Leben sind. Weshalb der Mann, der seit fast fünf Jahren beim SC Freiburg spielt, auch in seiner 60 Kilometer entfernten Heimatstadt Straßburg wohnt und Tag für Tag ins Badische pendelt.

Schmid ist im Stadtteil Neuhof aufgewachsen, Soziologen würden das Gebiet ein "Problemviertel" nennen, er sieht das ganz anders: "Meine Eltern hatten nicht viel Geld", sagt er, "aber sie haben mich zu einem glücklichen Menschen gemacht. Ich habe mich in Neuhof immer sehr wohl gefühlt."

Einer wie Schmid ist mit 22 Jahren längst solide liiert und wird mit 23 Jahren Vater sein. Letzteres haben die SC-Fans erfahren, als er sich jüngst nach dem 1:0-Siegtreffer beim HSV den Daumen in den Mund steckte und entrückt von dannen lief. Es war der siebte Saisontreffer, gegen Hannover hat er einen weiteren folgen lassen. Schmid, der 28 von 29 Spielen von Anpfiff an mitgemacht hat, ist mit seinen acht Toren der zweitbeste Torschütze der Freiburger hinter Max Kruse.

"Johnny", wie er gerufen wird, spielt dabei meist im rechten Mittelfeld. Dass er in die Spitze vorstößt, ist ausdrücklich erwünscht, im Freiburger System ist das ja so eine Sache mit den Stürmern. Max Kruse oder Jan Rosenthal haben die Position meist nominell bekleidet, klassische Stürmer sind beide nicht, Strafraumstürmer schon gar nicht. Beim SC wird in der Offensive stattdessen viel rochiert.

Die Spieler, die in der offiziellen Kaderstatistik als Angreifer aufgeführt werden, haben zusammengenommen einen Treffer erzielt, die Mittelfeldleute dagegen: 33. Im Grunde reicht diese Zahl, um zu erklären, wie der SC Freiburg spielt.

Keine Ausstiegsklausel

Jonathan Schmid hat dabei die geforderte taktische Flexibilität tief verinnerlicht. Der gelernte Stürmer hat beim SC auch schon ein paar Spiele auf der rechten Abwehrseite absolviert. Er hat allerdings das Pech, dass er den Beobachter nicht nur durch seine Frisur, sondern auch durch seinen Namen auf eine falsche Fährte führt. Im Elsass sind deutsch klingende (Vor-)Namen häufig, doch auch, wer den Seltzbach überquert, um in Niederroedern einen "Flammekueche" zu bestellen, kommt mit Französisch weiter als mit Deutsch.

Kurzum: Schmid konnte nur unwesentlich besser Deutsch als der Senegalese im Team, Fallou Diagne, als er 2008 vom damaligen A-Jugendtrainer Christian Streich entdeckt wurde. Schmid war kurz zuvor nach Offenburg gewechselt, nachdem er acht Jahre bei seinem Heimatverein Racing Strasbourg ausgebildet worden war, der mittlerweile in die Viertklassigkeit abgestürzt ist.

"Die Jugend-Akademien sind in Frankreich sehr gut. Leider klappt es mit dem Übergang in den Männerbereich manchmal nicht ganz so gut. Wenn einer aus Lorient kommt und eine Anfrage aus der Premier League hat, überlegt er meist nicht lange."

Gleiches gilt für Anfragen aus der Bundesliga. Schmid spielte in der A-Jugend des SC Freiburg und in der zweiten Mannschaft, zu Beginn der vergangenen Saison durfte er bei den Profis mittrainieren. Schon Streich-Vorgänger Marcus Sorg hielt viel von ihm. Schnell raunte es rund ums SC-Stadion, dass da einer nachwachse, der verdammt gute Standards treten könne. In der Saison 2010/11, beim 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg am 19. Spieltag, feierte Schmid sein Profidebüt, er war bereits Stammspieler, als sein Entdecker Streich Sorg ablöste.

Streich, der für Schmid zu den "fünf besten Trainern der Liga" gehört, dürfte froh sein, dass Schmid nach menschlichem Ermessen auch in der kommenden Saison in Freiburg spielt. Max Kruse, Jan Rosenthal und Daniel Caligiuri werden den Verein verlassen, vielleicht folgt auch Johannes Flum.

Schmid hat einen Vertrag bis 2015 beim SC Freiburg und dem Vernehmen nach genauso wenig eine Ausstiegsklausel wie andere veranlagte Youngster im Team wie Oliver Sorg, Oliver Baumann oder Matthias Ginter. Bei diesen Spielern entscheidet der Sportclub, ob sie gehen oder ob sie bleiben. Was nichts anderes heißt als: Sie bleiben.

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