Freiburg schlägt den Meister 2:1:Mit Petersens Bayern-Gen

Der eingewechselte Torjäger erzielt gegen seinen früheren Klub seinen wichtigsten Treffer zum 2:1 und verhilft dem SC Freiburg zur besten Ausgangsposition aller Abstiegskandidaten.

Von Filippo Cataldo, Freiburg/München

Christian Streich wollte in die Kabine. Sofort. So schnell wie möglich. Das Problem war nur: Freiburgs Trainer wollte auch jubeln und den ebenso späten wie unverhofften 2:1-Sieg gegen den FC Bayern feiern. Ein weiteres Problem: Vor dem Eingang des Kabinentrakts tummelten sich ziemlich viele, die auch alle feiern wollten. Ordner, Klubangestellte, Streichs Mitarbeiter. Und so bahnte sich Streich mit wild rudernden Armen direkt nach dem Abpfiff im Zickzack hüpfend, rennend, fallend, lachend den Weg.

25 Spiele lang hatte der Sportclub zuvor nicht mehr gegen den FC Bayern gewonnen, der letzte Sieg datierte vom November 1996. Auch am Samstag wäre Streich zufrieden gewesen, wenn es am Ende 1:1 gestanden hätte. Noch in der ersten Halbzeit hatte seine Mannschaft die Führung der Bayern durch Schweinsteiger (13.) egalisiert, Admir Mehmedi hatte nach einem recht haarsträubenden Fehlpass, der wieder Schweinsteiger als Protagonisten hatte, aus 20 Metern Manuel Neuer überwunden (33.).

Danach war dem Sportclub zwar in der zweiten Halbzeit ein klarer Elfmeter verweigert worden — nicht zum ersten Mal in dieser Saison — doch auch Streich wusste, dass die Münchner im Normalfall nicht so viele Chancen liegen lassen, wie sie es in Freiburg taten. Mario Götze war bei seinem Kopfball in der 50. Minute an den Reflexen und dem Fuß von SC-Torwart Roman Bürki gescheitert, Schweinsteiger, bei seinem insgesamt 500. Pflichtspiel überhaupt sehr um Präsenz bemüht, hatte mit seinem Freistoß nur die Latte gestreift (69.), Bürki in der 85. Minute Thiagos tolle Direktabnahme pariert.

Nach Bürkis letzter Großtat zieht Streich den Joker

Auch mit einem Unentschieden wäre noch alles drin gewesen für den SC im Abstiegskampf, das Duell gegen Hannover 96 wäre zum absoluten Entscheidungsspiel geworden. Zumal die Freiburger zwar unterlegen waren gegen Bayern, aber eine kämpferisch starke Leistung boten und sich die Spieler gegenseitig das ganze Spiel über halfen.

Dennoch entschied sich der Coach nach Bürkis letzter Großtat, seinen Joker zu ziehen. Für Mehmedi, den Torschützen, brachte er Nils Petersen, den Rückrunden-Torjäger. Sieben Tore hatte die Bremen-Leihgabe in nur zehn Spielen für den Sportclub erzielt, vier davon als Joker. Doch als Streich seinen Torjäger vom Dienst zur Einwechslung nominierte, war dieser selbst "eher überrascht". Petersens Geständnis war sogar noch umfassender: "Ich hab' gedacht, es gibt keinen Grund zu wechseln. Wir hätten auch gerne den Punkt mitgenommen gegen den Meister. Ich denke auch nicht, dass irgendjemand dachte, dass wir noch treffen würden, als ich reingekommen bin."

Tja, falsch gedacht. In der 86. Minute betrat Petersen den Rasen, in der 89. Minute setzte Karim Guedé sich gegen Juan Bernat durch, flankte unwiderstehlich in die Mitte, wo Petersen stand, kurz Maß nahm und einfach mal traf. "Stürmer-Gen, würde ich sagen", meinte der Held des Tages hinterher. Um sogleich zu relativieren: "Es ist die Aufgabe von Stürmern, die richtige Position zu finden. Gerade, wenn am Ende der Verteidiger vielleicht etwas unaufmerksam ist, musst du ihn dann rein machen."

Kaltschnäuzig vorm Tor sei er schon immer gewesen, merkte er noch an, aber das Torjägersein richtig gelernt hätte er bei den Bayern. In der Saison 2011/2012 war Petersen für ein Jahr in München, spielte wenig, machte vier Tore und zog danach nach Bremen weiter. Und doch: "Bei Bayern musste ich ein Jahr lang jeden Tag an meine Grenzen gehen, auch im Training", sagte Petersen, "das hat mich weitergebracht, mir Coolness vorm Tor gegeben." Von dieser Coolness profitiert nun Freiburg im Abstiegskampf. Wobei Petersen auch anmerkte: "Ich hätte mir nicht groß verziehen, wenn ich den Ball vergeben hätte. Das war mit Abstand mein wichtigster Treffer."

Schema & Statistik

Alle Daten und Fakten zum Spiel stehen hier.

Ganz traut Trainer Streich der Lage noch nicht

Tatsächlich: Dank des Sieges gehen die Freiburger mit 34 Punkten und als 14. in den letzten Spieltag. Ein Punkt in Hannover reicht, um auch in der nächsten Saison den FC Bayern im Breisgau begrüßen zu dürfen. Pep Guardiola, der nun mit den Bayern die letzten drei Bundesligaspiele als Meister verloren hat, wünschte sich dies nach der Partie jedenfalls ausdrücklich. Streich hätte gegen weitere Spiele gegen die Bayern natürlich auch nichts einzuwenden. Zu optimistisch wollte er sich aber noch nicht geben — trotz der besten Ausgangslage aller Abstiegskandidaten. "Wir haben jetzt die Möglichkeit, vielleicht in der Bundesliga zu bleiben", sagte er vorsichtig.

Möglicherweise traut Streich der Sache auch noch nicht. Die ganze Saison über beklagte er nach fast jedem Spiel unglückliche Schiedsrichterentscheidungen, mangelnde Kaltschnäuzigkeit seiner Spieler bei Elfmetern, späte Gegentreffer oder andere Schicksalsschläge. Vier, fünf Strafstöße wurden dem SC nicht gegeben, drei Elfmeter vergaben seine Spieler, zwölf Punkte verlor die Mannschaft nach Gegentoren ab der 88. Minute. Streich aber gab sich mental bestens vorbereitet auf die entscheidenden Momente: "Wir haben so viel Pech gehabt in dieser Saison, aber das ist so eine schöne Gegend hier, man kann wunderbar Fahrradfahren. Ich habe hier sehr viele Vertraute, sehr viele Freunde, die mich wieder aufbauen", hatte er vor Anpfiff gesagt.

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