Thailand bei Frauenfußball-WM:Drei Punkte für den kranken König

Cote D'Ivoire v Thailand: Group B - FIFA Women's World Cup 2015

Jubel mit Foto des Königs: Die Thailänderinnen nach dem Erfolg gegen die Elfenbeinküste

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Im letzten Gruppenspiel bei der Frauenfußball-WM trifft Deutschland auf die Debütantinnen aus Thailand.
  • Die Asiatinnen haben nach dem Sieg gegen die Elfenbeinküste sogar eine Chance auf das Achtelfinale.
  • Bundestrainerin Silvia Neid muss rotieren. Für das Spiel fallen Simone Laudehr und Alexandra Popp verletzt aus.
  • Zu den Ergebnissen und dem Spielplan der Frauen-WM geht es hier.

Von Kathrin Steinbichler, Winnipeg

Die Provinz Manitoba, die geografische Mitte von Kanada, gilt mit ihren weiten Feldern als Arbeiterland. Wenn es also hier am Montagabend zu Ende sein sollte, ist es für Nuengrutai Srathongvian in Ordnung. "Manitou bou" - "Engpass des Großen Geistes" - nannten die Cree-Indianer ihr Land um den heutigen Manitoba-See, weil dieser sich in der Mitte auf nur knapp einen Kilometer verengt. In Manitoba, so meinten sie, konzentriert sich der große Geist. Es ist ein Gedanke, der auch Srathongvian gefallen könnte.

Wenn es in Thailand um Fußball geht, dann meist um den der anderen. Um den, der über das Satellitenfernsehen zu sehen ist und von den Touristen verfolgt wird. Dass nun eine Mannschaft der ihren erstmals bei einer WM ist und dass ihre Spiele erstmals auch live im nationalen Fernsehen gezeigt werden, ist eine Entwicklung, die Nuengrutai Srathongvian und ihre Mannschaft erst allmählich und erst zurück in der Heimat verarbeiten werden.

"Wir haben hier schon mehr geschafft, als wir zu denken gewagt hatten", sagt die thailändische Nationaltrainerin, sie nickt dabei sanft. Sie und ihre Fußballerinnen haben viel gearbeitet, um es als erste thailändische Mannschaft überhaupt zu einer Weltmeisterschaft zu schaffen. Der Südostasienmeister profitierte bei der Qualifikation auch davon, dass Nordkorea wegen seiner Dopingvorfälle beim Turnier 2011 diesmal gesperrt war. Dass Thailand vor dem letzten Vorrundenspiel gegen Deutschland an diesem Montag (22 Uhr/ZDF, Eurosport) sogar eine kleine Chance hat auf den Achtelfinaleinzug, beschert dem kleinen Königreich ungeahnte Gefühle im Fußball.

Nach dem unerwarteten 3:2 im Spiel gegen die körperlich überlegene Elfenbeinküste in Ottawa hielt die Mannschaft ein Bild hoch vom kranken König Bhumibol Adulyadej und Königin Sirikit. "Dies waren die ersten drei Punkte für unser Land. Wir sind sehr glücklich", sagte Srathongvian. Gegen Deutschland, den aktuellen Weltranglistenersten, dürfte es zwar schwierig werden mit einem Punkt für den 29. der Weltrangliste. Doch auch dieses Aufeinandertreffen, sagt Srathongvian, erfülle ihre Mannschaft mit Glück: "Wir denken, dass wir glücklich sind, auf das beste Team der Welt zu treffen. Und wir denken, dass es uns eine Menge Erfahrung bringen wird, gegen Deutschland zu spielen." Und sie haben sie ja auch noch Hope Powell.

Rotationen aus Pragmatik

Seit Oktober 2014 begleitet die frühere englische Nationaltrainerin das thailändische Team als eine Art Beraterin. 2013, im Anschluss an die Olympischen Spiele in London, hatte Powell ihren Posten im englischen Verband verloren. Ihr einzigartiges Projekt, aus den verschiedenen Fußballverbänden Großbritanniens Spielerinnen zusammen zu holen und ein olympisches Team zu formen, hatte sportlich nicht recht funktioniert. Im Anschluss daran passte auch das Verhältnis zur ursprünglichen, englischen Nationalelf nicht mehr. Nach einem Jahr der Neuorientierung sagte Powell zu, als der Weltverband Fifa anfragte, um Thailand bei der Vorbereitung auf seine WM-Premiere zu unterstützen.

Immer wieder reiste Powell für mehrere Wochen nach Thailand, wo die Mannschaft sich in Bangkok vorbereitete, bevor es für ein vierwöchiges Trainingslager in die Niederlande und schließlich nach Kanada weiterreiste. Bei der WM selbst hält Powell sich im Hintergrund, sie kennt inzwischen die in Thailand gepflegte Zurückhaltung und ihre Rolle hinter den Kulissen. Die 48-jährige frühere Nationalspielerin wohnt daher bei der Mannschaft, sie ist dabei, wenn sie trainiert und spielt. Nach außen aber schweigt sie ausdauernd. Sie gibt die Beobachterin und möglichen Ansprechpartnerin für das Trainerteam und die Spielerinnen. "Es ist eine große Hilfe, dass sie da ist", sagt Nuengrutai Srathongvian, die an ihrer Chefrolle dennoch keinen Zweifel lässt.

Rotation im deutschen Team

Wer auf dem Platz das Sagen hat, möchten die deutschen Fußballerinnen am Montag deutlich klar machen. "Wir werden da keine Zugeständnisse machen", kündigte Verteidigerin Leonie Maier an. Schließlich geht es darum, im Fernduell mit dem punktgleichen Norwegen den Gruppensieg zu sichern. Der würde der deutschen Elf die kraftschonendere Reiseroute in der K.-o.-Runde bescheren, mit möglichen Spielen in Ottawa und Montréal.

Tabea Kemme aber will über die möglichen Konstellationen noch gar nicht nachdenken: "Ich bin hier nicht bei der Mathematik-Olympiade", meinte die Linksverteidigerin, "diese Rechnerei macht mich eher nervös." Auch Bundestrainerin Silvia Neid denkt gerade mehr über die Gesundheit nach: Mittelfeldspielerin Simone Laudehr wird mit einer Bauchmuskelzerrung genauso fehlen wie Stürmerin Alexandra Popp (Kniereizung), es wird rotiert werden in der Aufstellung. Nicht aus Mangel an Respekt, nein, aus Pragmatik: "Wir haben noch viel vor", sagt Silvia Neid, "da schadet es nicht, so vielen Spielerinnen wie möglich mit Einsätzen WM-Erfahrung zu geben."

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