Frauenfußball-WM:Neuauflage eines Klassikers

Gegen Schweden geht es für die DFB-Frauen bereits um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro 2016.

Von Kathrin Steinbichler, Ottawa

Viel hatten die Schwedinnen bei dieser Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Kanada bisher nicht zu feiern gehabt, zu einem Sieg hat es noch nicht gereicht. Am späten Mittwochabend aber hüpften die Skandinavierinnen plötzlich mit lautem Gebrüll durch ein Hotelzimmer in Edmonton, als hätten sie gerade schon das Finale gewonnen. Kissen flogen durch die Luft, Spielerinnen fielen sich kreischend in die Arme - nur eine hatte die Ruhe, das Ganze auch noch zu filmen.

Angespannt hatte Schwedens Mannschaft gemeinsam vor dem Fernseher gesessen, um den letzten Vorrunden-Spieltag dieser WM zu verfolgen. Von dessen Ausgang hing schließlich ab, ob der EM-Halbfinalist von 2013 trotz dreier Unentschieden einer der besten vier Gruppendritten der Vorrunde sein und damit ins Achtelfinale einziehen würde. Die erstmalige Aufstockung der WM auf 24 Mannschaften in sechs Gruppen bringt jenen seltsamen Modus mitsamt der langen Ungewissheit mit sich, der im Sommer 2016 auch die Fußballer bei der Europameisterschaft in Frankreich erwartet.

528450011

Deutsche Gegnerin: Schweden-Verteidigerin Elin Rubensson (li.).

(Foto: Jewel Samad/AFP)

Als dann Brasiliens Raquel Fernandes in der 83. Minute in Moncton per Foulelfmeter zum Sieg über Costa Rica traf, brachen im drei Zeitzonen und rund 4500 Kilometer entfernten Edmonton alle Dämme: Dank des Sieges von Südamerikameister Brasilien zieht nun also Schweden statt Costa Rica in die Runde der letzten 16 ein - und trifft dort am Samstag (22 Uhr/ARD und Eurosport) auf Deutschland.

Die Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid hat damit im ersten K.o.-Spiel einen denkbar schweren Gegner erwischt. Als Gruppenerster genießt man normalerweise den Vorteil, im Achtelfinale auf eine vermeintlich schwächere Mannschaft zu treffen; die Schwedinnen aber zählen als Fünfte der Weltrangliste zu den Topnationen. Allein die Klasse der Vorrundengruppe D mit dem Weltranglistenzweiten aus den USA (jetzt gegen Kolumbien) und dem Ranglistenzehnten aus Australien (nun gegen Brasilien) brachte die Schweden zunächst ins Hintertreffen. "Das war ein langer Tag mit diesem Warten", meinte Schwedens erleichterte Elin Rubensson, die sofort wusste, dass es nun zu einer Neuauflage eines Klassikers kommt.

Die Fußballerinnen von Deutschland und Schweden standen sich schon in vielen großen Turnierspielen gegenüber, zuletzt im Sommer 2013 im Halbfinale um die Europameisterschaft. Damals gewann Deutschland in einem spannenden und umkämpften Spiel durch ein Tor von Dzsenifer Marozsan und holte anschließend den Titel. Diesmal, kündigte Schwedens Kapitänin Lotta Schelin an, "wollen wir das andersherum erleben".

Bundestrainerin Silvia Neid hatte noch nachmittags im Stadion von Ottawa den souveränen 5:0-Erfolg von Mitfavorit Frankreich verfolgt, der Mexiko keine Chance ließ und der mögliche Gegner im Viertelfinale wäre. Als feststand, dass vorher allerdings erst einmal die Schwedinnen warten und nicht ein vermeintlicher Außenseiter, da wirkten die Reaktionen erstaunlich gefasst: "Uns war von vornherein klar, dass im Achtelfinale ein starker Gegner auf uns wartet", meinte Team-Managerin Doris Fitschen. Bundestrainerin Neid klang da schon ernster: "Schweden hat große Qualität in der Mannschaft. Spiele gegen sie waren immer umkämpft und eng. Ab jetzt heißt es auf den Punkt alles abrufen, was wir können."

Frauen-WM in Kanada

Achtelfinale

Deutschland - Schweden (Ottawa) Sa., 22.00

China - Kamerun So., 1.30

Brasilien - Australien So., 19.00

Frankreich - Südkorea So., 22.00

Kanada - Schweiz Mo., 1.30

Norwegen - England Mo., 23.00

USA - Kolumbien Di., 2.00

Japan - Niederlande Mi., 4.00

Viertelfinale (Fr., 26. Juni. - So., 28. Juni.)

Sieger Deutschland/Schweden - Sieger Frankreich/Südkorea,

China/Kamerun- USA/Kolumbien, Brasilien/Australien - Japan/Niederlande,

Norwegen/England - Kanada/Schweiz.

Halbfinale (1./2. Juli):

Mögliche DFB-Gegner wären China, Kamerun, USA und Kolumbien.

Finale: Mo., 7. Juli, 1 Uhr in Edmonton.

Bislang hat Deutschlands junges Team gut gespielt bei dieser WM, in der recht leichten Gruppe allerdings auch bei der Chancenverwertung und der Defensivarbeit geschlampt. Nach dem letzten Gruppenspiel hätten sich deshalb "die älteren Spielerinnen und dann auch die ganze Mannschaft" zusammengesetzt, erzählte Annike Krahn. "Wir haben ein paar Dinge besprochen", meinte die Innenverteidigerin, die sich gegen Thailand am rechten Bein die erste schmerzhafte Brand-Schürfwunde dieser Kunstrasen-WM zugezogen hat. Die Elf müsse wieder "zielorientierter, gedankenschneller und handlungsschneller" spielen. Am Samstag gegen Schweden dürfte das auch nötig sein, denn in diesem Duell geht es nicht nur um den Verbleib bei der WM. Der Verlierer der Partie kann auch die Teilnahme am Olympiaturnier 2016 in Rio de Janeiro abhaken.

Nur die drei besten europäischen Mannschaften der WM qualifizieren sich für Olympia, noch dürfen auch Frankreich, Norwegen, die Schweiz und die Niederlande darauf hoffen. Durch das frühe Duell Deutschland gegen Schweden aber wird sich einer der beiden Favoriten am Samstag auf alle Fälle nicht nur von der WM, sondern auch gleich vom Olympiatraum verabschieden müssen. Für Silvia Neid wäre die Partie dann wohl schon die letzte als Bundestrainerin. Ihre Elf müsse jetzt "Leidenschaft zeigen", sagte sie, "und dann entscheidet die Tagesform". Es könnte spannend werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: