Deutsches Aus bei der Frauenfußball-WM:Das Glück ist aufgebraucht

Soccer: Women's World Cup-Semifinal-United States at Germany

Verschossen vom Elfmeterpunkt: Celia Sasic.

(Foto: Michael Chow/USA Today Sports)

Im Stadion herrscht Lärm, als ob eine Staffel Düsenjets eine Parade fliegt: Die DFB-Elf lässt sich beeindrucken und verliert ihr WM-Halbfinale gegen die USA mit 0:2. Célia Šašić patzt ausgerechnet bei ihrer Spezialität.

Von Kathrin Steinbichler, Montréal

Am Ende blieb ein Bild. Die Szene, wie Célia Šašić mit dem Schlusspfiff ihr Trikot über den Kopf und vor das Gesicht zog. Denn der Traum der Deutschen vom dritten WM-Titel ist ausgeträumt: Die Mannschaft von Bundestrainerin Silvia Neid verlor ihr Halbfinale gegen die USA mit 0:2 (0:0). Dabei hatte Šašić vor den Gegentreffern die große Chance zur deutschen Führung gehabt. Doch sie verschoss ausgerechnet bei ihrer Spezialität - einen Elfmeter.

Der Start war den Deutschen zunächst besser gelungen als zuletzt im Viertelfinale gegen Frankreich: Die Elf von Neid, in der wieder Saskia Bartusiak stand, die nach ihrer Gelbsperre für Babett Peter zurück in die Innenverteidigung rückte, präsentierte sich aufmerksam und zielgerichtet und kam in der dritten Minute zur ersten Ecke des Spiels. Doch der Druck, den die USA anschließend mit einer schnellen Überbrückung des Mittelfelds entwickelten, schnürte die DFB-Elf mehr und mehr in der Defensive ein.

Beim ersten Eckball der USA kam Innenverteidigerin Julie Johnston zum Abschluss, Nationaltorhüterin Nadine Angerer parierte mit einem starken Fußreflex (7.). Beim Gegenangriff geriet eine Flanke von Alexandra Popp zum Torschuss, den US-Torfrau Hope Solo über die Latte lenkte. Schon eine Minute später versuchte sich Megan Rapinoe mit einem Torschuss, der allerdings zu schwach geriet und kein Problem war für Angerer. Doch das sollte sich ändern.

Nach einer guten Viertelstunde tauchte Alex Morgan völlig frei vor Angerer auf, Tobin Heath hatte die Stürmerin mit einem simplen Steilpass in die Spur geschickt. Wieder musste Angerer in höchster Not klären, wieder nahm sie dazu den linken Fuß (14.).

Beide Seiten zeigten, dass sie gewillt waren, dem Ruf dieses Spiels gerecht zu werden: Deutschland als Weltranglistenerster gegen die USA als Weltranglistenzweite - diese Weltmeisterschaft in Kanada bekam das ersehnte Duell zweier Großmächte des Frauenfußballs, das es zuletzt 2003 bei der WM in den USA gegeben hatte. Damals gewann Deutschland und holte sich schließlich auch den Titel. An diesem Tag in Montréal aber sollte die Geschichte sich nicht wiederholen.

Nach einer halben Stunde mussten die Spielerinnen in ihrem Bemühen um den Finaleinzug zwangsläufig eine erste Pause einlegen: Nach einer von Lena Goeßling geschlagenen Ecke rasselten Alexandra Popp und Morgan Brian am Fünf-Meter-Raum mit den Köpfen zusammen, beide blieben benommen liegen. Nach vier Minuten Behandlungspause standen beide wieder: Popp mit frisch verklebter Platzwunde, für die sie in der zweiten Halbzeit einen behelfsmäßigen Kopfverband erhielt. Auch Brian hatte sichtlich Probleme. Dennoch liefen beide wieder zum Spielen aufs Feld.

Die USA rannten danach weiter stürmisch auf das deutsche Tor, eine amerikanische Ecke jagte die andere, ständig lag Gefahr in der Luft - 6:2 Ecken hieß es nach der ersten, um vier Minuten verlängerten Halbzeit. Und Torfrau Angerer mahnte ihre Abwehr immer energischer zur Konzentration.

Popp fällt, Šašić verschießt

Nach der Pause tauschte die zweikampfstarke Simone Laudehr mit der gelbverwarnten Leonie Maier auf dem Platz die Position: Die erfahrene 28-Jährige rückte rechts hinten in die Abwehr, Maier sollte ihr Tempo auf dem Flügel vor ihr ausspielen. Die Maßnahme zeigte Wirkung: Nach einem Zuspiel von Laudehr kam Anja Mittag zum Kopfball, doch die Stürmerin bekam keinen Druck hinter den Ball (53.). Deutschland spielte sich nun öfter an den US-Strafraum heran, die eine zwingende, entscheidende Aktion aber wollte nicht gelingen.

Bis Popp im Strafraum an den Ball kam, Johnston sie mit einer Hand an der Schulter zu Boden drückte - und die rumänische Schiedsrichterin Teodora Albon auf den Punkt zeigte. Célia Šašić trat an, die Stürmerin, die fast alle Elfmeter für Deutschland schießt und auch bei dieser WM bereits zweimal aus dem Spiel heraus und einmal beim Elfmeterschießen gegen Frankreich erfolgreich war. Diesmal allerdings verschoss sie (60.) und setzte den Ball dabei knapp links neben den Pfosten. Im voll besetzten Stade Olympique von 1976 brach daraufhin ein Lärm los, als ob eine Staffel Düsenjets eine Parade fliegt. Derart ekstatisch feierten die 51.176 zumeist amerikanischen Zuschauer, dass ihre Elf diesen Moment überstanden hatte.

Vor dem Halbfinale noch war Bundestrainerin Silvia Neid von einem amerikanischem Journalisten gefragt worden, ob das Glück der Deutschen nicht seit dem dramatischen Viertelfinale gegen Frankreich aufgebraucht sei. "Vielleicht ist das Glück aufgebraucht", erwiderte Neid, "deshalb wollen wir das jetzt mit spielerischen und kämpferischen Qualitäten schaffen. Aber vielleicht hat der liebe Gott auch noch ein Quäntchen Glück übrig für uns."

Auch die USA bekamen ihre Chance aus elf Metern, wenn auch zu Unrecht: Annike Krahn foulte die heranstürmende Alex Morgan, allerdings noch vor der Strafraumgrenze, die Schiedsrichterin aber entschied auch hier sofort auf Foulelfmeter. Carli Lloyd, die Kapitänin der USA, schritt in ihrem 201. Länderspiel zur Tat - und sorgte mit einem harten, platzierten Schuss rechts oben ins Tor für das 1:0 (69.).

Neid schickte für die letzte Viertelstunde Dzsenifer Marozsan ins Spiel (77.), auch US-Trainerin Jill Ellis sorgte für frische Energie auf dem Feld: Rekord-Nationalspielerin Abby Wambach sollte am Ende mit ihrer Physis für Entlastung und vielleicht für das entscheidende Tor sorgen. Das allerdings gelang dann der ebenfalls eingewechselten Kelley O'Hara. Carli Lloyd hatte ihre Gegenspielerinnen abgeschüttelt und sich in den Strafraum gespielt, ihren Querpass drückte O'Hara zum 2:0 über die Linie (85.).

Torhüterin Nadine Angerer blickte zu Boden, sie wusste: Die USA und nicht Deutschland werden nun am Sonntag in Vancouver das Endspiel bestreiten. Die DFB-Frauen dagegen müssen jetzt nach Edmonton, zum undankbaren Spiel um Platz drei. Das Glück, es war einfach aufgebraucht.

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