Frauenfussball-WM:Bis der Atem wegbleibt

Germany Training & Press Conference - FIFA Women's World Cup 2015

Sie ist erst 21 und könnte in Kürze ihren zweiten Titel gewinnen: Melanie Leupolz, gerade Meister mit dem FC Bayern geworden, bei der WM in Kanada.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Trotz prominenter Ausfälle überzeugen die DFB-Frauen mit ihrem Spiel im Mittelfeld: Melanie Leupolz und Lena Goeßling bilden eine starke Zentrale. Auch das Duell mit Frankreich wird sich im Zentrum entscheiden.

Von Kathrin Steinbichler, Montréal

Die Deckenstrahler im Palais des Congres am Place Jean-Paul-Riopelle werfen ein schales, künstliches Licht. Eines, das kaum Konturen zulässt und wenig einladend wirkt. Ein Licht, das so gar nicht zu Melanie Leupolz passt, aber die Mittelfeldspielerin mit dem breiten Lächeln blickt neugierig in den Raum, in dem sie an diesem Sommertag in Montréal Platz nimmt. Es ist Frauenfußball-WM in Kanada, am Freitag (22 Uhr) steht das Viertelfinalspiel gegen Frankreich an, und die versammelten Medien im Saal wollen jetzt wissen, wie die Allgäuerin das eigentlich so macht - erst 21 Jahre jung sein und doch schon so spielen, dass einem andere den Sieg bei dieser WM zutrauen.

Einen Titel hat Melanie Leupolz kürzlich bereits gewonnen, mit dem FC Bayern München holte sie am letzten Spieltag die deutsche Meisterschaft. Kurz darauf wählten die Bundesliga-Fans die junge Frau mit der starken Technik und der guten Übersicht zur besten Spielerin der Saison. Dass sie jetzt schon zu denjenigen gehört, die den Einzug ins WM-Halbfinale schaffen sollen, ist einem Umstand geschuldet, der der Nationalelf vor dem Turnier erst Sorgen bereitet, sie inzwischen aber sehr zuversichtlich gemacht hat: In Weltfußballerin Nadine Keßler (Knie-OP) und Flügelspielerin Lira Alushi (Schwangerschaft) fehlen Deutschland ja gleich zwei prägende, international erfahrene Figuren im Mittelfeld. Wer, so lautete lange die Frage, würde denn nun neben der routiniert und clever spielenden Lena Goeßling im defensiven Mittelfeld für Ordnung sorgen? Bis Melanie Leupolz in den Testspielen vor der WM zeigte, warum sie schon während der Bundesligasaison zu einer der besten Mittelfeldspielerinnen gezählt wurde: Sie ist "zweikampfstark und technisch top, hat eine gute Übersicht und ein sehr gutes taktisches Verständnis - sie bringt alles mit, was man im Mittelfeld braucht", sagt Bundestrainerin Silvia Neid. Und Spielführerin Nadine Angerer lobt: "Sie ist auch im Kopf schon unglaublich weit für ihr Alter."

Leupolz und Goeßling bilden bisher eine starke Zentrale

Melanie Leupolz jedenfalls spürt keine Nervosität, schon gar nicht, seit die Olympia-Qualifikation klar ist. "Wir haben unser Teilziel erreicht, aber wir haben jetzt natürlich Lust bekommen, hier noch mehr zu erreichen", sagt sie. Und außerdem "fühle ich mich nicht so, als wenn ich die ganze Verantwortung tragen müsste. Wir haben viele, auf die sich das im Spiel verteilt", sagt sie, "ich komme mit dem Druck gut zurecht. Und wenn es Spaß macht, dann läuft es ohnehin."

Bei dieser WM ist es deshalb bislang vor allem sie, die zusammen mit Lena Goeßling im Zentrum dafür sorgt, dass gegnerische Angriffe unterbunden und eigene Ideen nach vorne getragen werden. Kurze Kommandos und Blickkontakte genügen, damit beide wissen, was die andere vorhat. "Taktisch werden wir schon ab der U15 so ausgebildet, wie auch die Nationalmannschaft spielt", erzählte die 21-Jährige. "Deshalb ist es auch egal, wer bei uns da mit wem zusammenspielt - die Trainerin entscheidet, wer an welchem Tag am besten passt." Die Ausfälle haben das Mittelfeld der Deutschen noch flexibler werden lassen, es gilt bei dieser WM neben dem der Japanerinnen als eines der besten - und neben dem der Französinnen natürlich.

Laura George, der erfahrenen Innenverteidigerin von Viertelfinal-Gegner Frankreich, ist die anhaltend hohe Qualität im deutschen Zentrum längst aufgefallen, Deutschland habe viele gute junge Spielerinnen wie "Löpols" (Leupolz) oder auch "Maroscha", wie George die erst 23-jährige, noch nicht ganz so bedacht spielende Dzsenifer Marozsan nennt. Die Französinnen hätten das sehr wohl im Auge: "Sie sind sehr gut ausgebildet, spielen sehr clever und wissen, was sie machen - es ist nicht einfach gegen sie."

"Milieu de terrain" nennen die Franzosen das Mittelfeld, und in diesem komplexen Spielfeldbereich wird sich wohl auch das Viertelfinal-Duell dieser beiden Turnierfavoriten entscheiden. Bei den Französinnen ist seit Jahren Louisa Necib dafür zuständig, das gefällige Spiel ihrer Mannschaft mit den Pässen und Momenten aufzupeppen, die einem Stadion ein Raunen entlocken und einer Abwehr einen Schreckmoment bescheren. Inzwischen aber hat die 28-Jährige auch in der Nationalelf die Ergänzung bekommen, mit der sie sich schon bei Olympique Lyon seit Jahren blind versteht: Die 25-jährige Amandine Henry hält der Künstlerin Necib nicht nur den Rücken frei - sie macht auch das Spiel und trifft gerne mal selbst ins Tor.

Henrys Treffer im Gruppenspiel gegen Mexiko, ein satter Schuss aus 25 Metern in den Winkel, gehört bisher zu den schönsten dieser WM. Am Freitag aber will es das deutsche Mittelfeld zu solchen Situationen gar nicht erst kommen lassen. "Wir dürfen Frankreich keine Luft zum Atmen geben und müssen denen von Beginn an auf die Zehen steigen. Wenn sie ins Kombinieren kommen, wird es schwierig, das zu verteidigen", sagt Goeßling. "Das ist ein Treffen zweier starker Mannschaften. Da gewinnt, wer es an dem Tag mehr will." Melanie Leupolz hat zugehört, sie nickt. Was sie am Freitag will, muss sie jetzt nicht mehr sagen.

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