Frauenfußball:Streik für die Miete

Australia s Samantha Kerr R vies for the ball during the group D match between the United States a

Wiederholung abgesagt: Die Australierinnen, hier Samantha Kerr (vorne) im Spiel gegen die USA bei der WM im Juni, streiken bis auf Weiteres.

(Foto: imago)

Australiens Nationalspielerinnen warten seit über zwei Monaten auf ihre Gehälter und weigern sich deshalb, weiter aufzulaufen. Ihr Verband reagiert hilflos.

Von Kathrin Steinbichler, Sydney/München

Am Abend vor dem Finale der Frauenfußball-WM Anfang Juli saß Lydia Williams in einem Restaurant in Vancouver und hörte aufmerksam zu. Nur Stunden zuvor hatte die australische Nationaltorhüterin zusammen mit Spaniens Kapitänin Verónica Boquete bei einer Pressekonferenz der weltweiten Spielergewerkschaft FifPro gesprochen. Es ging dabei um die oft noch unsicheren Vertragssituationen im Frauenfußball und um die wachsende Bereitschaft der Spielerinnen, professionelle Bedingungen nicht länger nur zu fordern, sondern dafür auch zu kämpfen. Nun, beim Abendessen, lauschte Williams Boquete, die erzählte, wie Spaniens Fußballerinnen nur Tage zuvor gegen den jahrelang kritisierten Nationaltrainer Ignacio Quereda revoltiert und dabei auch einen Streik in Erwägung gezogen hatten. "Ich hoffe, ihr habt Erfolg", meinte Williams, "aber ich hoffe auch, wir kommen in Australien nie in solch eine Situation."

Männer-Profis können eine Weile vom Ersparten leben - bei den Frauen ist das die Ausnahme

Wenn nun ab Donnerstag wieder weltweit in den Frauen-Nationalteams der Ball rollt, weil Qualifikations- und Freundschaftsspiele anstehen, werden Spaniens Frauen unter dem neuen Nationaltrainer Jorge Vilda antreten. Lydia Williams und das australische Nationalteam aber stehen erstmals in der Geschichte ihres Verbands im Streik - und haben deshalb nicht die Reise zum Weltmeister USA angetreten, wo die Matildas, wie Australiens Frauenteam genannt wird, am Donnerstag hätten auflaufen sollen. Schließlich warten Australiens Fußballerinnen nun schon seit über zwei Monaten auf ihr Geld, seit Ende Juni der bisherige Rahmenvertrag mitsamt Lohnvereinbarung zwischen dem nationalen Verband FFA, den Vereinen und der Spielergewerkschaft ausgelaufen ist.

Im Männerfußball mag ein Profi zwei Monate vom Ersparten überbrücken können, im Frauenfußball aber sind hohe Verdienste noch immer die Ausnahme. Angesprochen auf den Streik, meinte Australiens Nationalstürmerin Ashleigh Sykes in einem nationalen Radiointerview: "Es wird langsam eng. Es gibt Spielerinnen, die auf Kreditkarten angewiesen sind, um ihren Unterhalt zu finanzieren." Sie selbst sei "mittlerweile an einem Punkt, an dem ich mich entscheiden muss: Bleibe ich verfügbar für die Pflichten der Matildas oder gehe ich arbeiten?"

Nach der Streikankündigung hat die FFA den Spielerinnen offenbar kurzfristig das Angebot gemacht, sich auf ein Jahresgehalt von umgerechnet 25 000 Euro zu einigen. Die Spielergewerkschaft lehnte das im Namen der Fußballerinnen ab. "Am Anfang, wenn du jung bist, denkst du nicht daran, wie du dich als Spielerin finanzierst oder wie du dich versicherst, du bist einfach nur stolz, für dein Land aufzulaufen", sagte Lydia Williams. "Aber ab einem gewissen Alter", sagte die 27-Jährige, die nach einer Zeit in der US-Profiliga wieder nach Australien zurückgekehrt ist, "hast du Verpflichtungen. Da bist du nicht mehr in der Ausbildung, wohnst nicht mehr bei den Eltern. Als Erwachsene Leistungssport zu betreiben, will nicht nur in unserem Sport wohl überlegt sein."

Die USA konnten auf die Schnelle den Weltranglisten-63. Haiti als Ersatz organisieren, um die Spiele nicht absagen zu müssen. Auf den Ranglisten-Neunten Australien kommt nun eine herbe Vertragsstrafe zu. Auch der Ligastart am 8. Oktober ist in Gefahr. Verbandschef David Gallop ist zunehmend verärgert, er sagt, die Interessen der Matildas würden "von der Spielergewerkschaft als Geisel missbraucht". Denn neben den Frauen-Gehältern geht es im Paket auch um höhere Zahlungen an die männlichen Ligaprofis. Australiens Männer allerdings sind vergangenen Dienstag aufgelaufen, als es beim 3:0 in Tadschikistan um die WM-Qualifikation ging. Australiens streikende Frauen, heißt es, waren weniger amüsiert.

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