Frauenfußball-Nationalelf:Jones muss um ihren Job bangen

Frauen-Bundestrainerin Steffi Jones beim WM-Qualifikationsspiel gegen die Faröer Inseln.

"Ich sehe das als Testspiel und konzentriere mich nur darauf": Bundestrainerin Steffi Jones.

(Foto: Simon Hofmann/Getty)
  • Die Frauenfußball-Nationalelf bestreitet an diesem Freitag (17.55 Uhr/ARD) ein Testspiel gegen Frankreich - das Duell könnte über die sportliche Zukunft von Bundestrainerin Steffi Jones entscheiden.
  • DFB-Präsident Reinhard Grindel hat zuletzt ein Ultimatum gesetzt, weil er mit den Leistungen in der WM-Qualifikation unzufrieden war.
  • Jones selbst gibt sich vor dem Spiel betont locker und sagt: "Ich sehe das als Testspiel und konzentriere mich nur darauf."

Von Anna Dreher

Die Erinnerungen an Bielefeld sind gut, vielleicht hilft das. Die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft hat nicht oft in der ostwestfälischen Stadt gespielt, drei Mal, aber nie verloren - und gleich die Premiere setzte Maßstäbe: Am 31. März 1994 gewann Deutschland in der Qualifikation zur Europameisterschaft 12:0 gegen Wales. Ein Rekord, der neun Jahre ungebrochen bleiben sollte. Und ein Tor schoss dabei auch Steffi Jones. Sie ist schon lange keine Nationalspielerin mehr. Aber wenn Jones am Freitag wieder in Bielefeld antritt, dann wird sich die Bundestrainerin ein Ergebnis wie damals wünschen. Das Länderspiel gegen Frankreich (17.55 Uhr/ARD) ist ohne wettbewerbliche Bedeutung - für Jones jedoch geht es um nicht weniger als ihre sportliche Zukunft, um ihren Job als Bundestrainerin.

Nach dem überraschend frühen Aus im Viertelfinale bei der Europameisterschaft im Sommer bekam die 44-Jährige vom Deutschen Fußball-Bund eine zweite Chance. Ihr Vertrag wurde verlängert, man wollte mit ihr bis zur Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich weiterarbeiten, womöglich sogar darüber hinaus. Der Verband erwartete eine Reaktion von Jones und dem Team. Er wartet gewissermaßen immer noch.

WM und Olympia zu verpassen wäre ein Imageschaden, den der DFB unbedingt vermeiden will

Die WM-Qualifikationsspiele gegen Slowenien (6:0), Tschechien (1:0) und die Färöer (11:0) stimmten zwar im Ergebnis, nicht aber in der Art und Weise. Hinzu kam das 2:3 gegen Island - die erste Niederlage in der WM-Qualifikation nach 19 Jahren gegen einen unangenehmen, aber klar schlagbaren Gegner. Der Nimbus der quasi Unbesiegbaren, der die deutsche Frauenfußball-Nationalmannschaft lange begleitet hatte, schwand in diesem Jahr wie zuletzt 2011 beim Debakel bei der WM im eigenen Land.

Und so hat DFB-Präsident Reinhard Grindel zuletzt trotz Quali-Tabellenführung ein Ultimatum gesetzt. Die Leistungen seien nicht besser, sondern schlechter geworden, Grindel sorgt sich: "Es kommt jetzt darauf an, dass wir das Gefühl bekommen, dass wir die Qualifikation schaffen können." Das Spiel gegen Frankreich sieht er mit Blick auf eine garantierte Teilnahme an der WM als Gradmesser, ob sich das Team auf einem Weg befindet, der hoffen lässt. "Wenn wir das (die WM-Teilnahme, Anm.) nicht schaffen würden, wäre das ein schwerer Rückschlag für den Frauenfußball", sagte Grindel. Auch die Olympia-Qualifikation ist daran gekoppelt - beide Turniere zu verpassen, wäre ein immenser Imageschaden, den der DFB unbedingt vermeiden will.

Jones selbst umging bei der Pressekonferenz am Donnerstag Fragen nach ihrer Zukunft: "Ich sehe das als Testspiel und konzentriere mich nur darauf", sagte sie betont locker. Spielführerin Dzsenifer Marozsan beschrieb die Stimmung als überragend. "Von draußen wird viel Theater gemacht, das interessiert uns nicht. Wir stehen alle hinter Steffi und wollen gemeinsam auf einen guten Weg finden."

Jones muss ausgerechnet jetzt auf mehrere Spielerinnen verzichten

Andere Spielerinnen wählten dagegen kritischere Worte: "Wir machen gerade alles kaputt, was wir uns im deutschen Frauenfußball über Jahre aufgebaut haben", sagte Wolfsburgs Alexandra Popp nach dem Islandspiel, das eine mannschaftsinterne Aussprache mit intensiver Videoanalyse nach sich zog. Sie sei schon erschrocken bei der Betrachtung der eigenen Leistung, hatte Stürmerin Svenja Huth erzählt. "Wenn es fußballerisch nicht lief, war es immer eine unserer Stärken, durch Willensstärke erfolgreich zu sein", betonte Tabea Kemme, "diese Bereitschaft haben wir in diesem Spiel verloren, und deshalb hinterfragen wir uns." Und: "Island war ein Weckruf. Wenn jetzt die Birne nicht brennt, dann läuft da definitiv was ganz falsch."

Auf der Suche nach einer schlüssigen Erklärung ist bislang niemand fündig geworden. Während der EM hat sich eine negative Eigendynamik entwickelt, der die DFB- Frauen zuletzt zwar wieder mehr entgegensetzen konnten - aber bei der wechselnden Spielidee und den Personalrochaden von Jones wurde den Trend längst noch nicht überwunden. Die spielerische Leichtigkeit fehlt. Jones, die während der EM nie ihre Zuversicht verlor, drohte ihren Spielerinnen zuletzt mit mehr "Peitsche", die Ampel stehe auf Rot.

Frankreich ist ein Team aus routinierten, technisch starken Spielerinnen, dem der Wandlungsprozess auf dem Weg zur WM im eigenen Land besser zu gelingen scheint. Seit September ist die frühere Nationalspielerin Corinne Diacre Trainerin. Die 43-Jährige verfügt auch im Männerbereich über Erfahrung an der Seitenlinie, hat Talente integriert und alle Spiele gewonnen. Gegen England saßen 20 000 Zuschauer im Stadion, die Euphorie wächst.

Dass Steffi Jones ausgerechnet bei diesem sogenannten "Schicksalsspiel" auf Lina Magull, Carolin Simon, Hasret Kayikci, Melanie Leupolz, Simone Laudehr, Sara Däbritz , Sara Doorsoun, Kristin Demann und Pauline Bremer verzichten muss, erschwert ihre Aufgabe. Giulia Gwinn (Freiburg) und Jana Feldkamp (SGS Essen) sind erstmals dabei, Bianca Schmidt (1. FFC Turbine Potsdam) kehrt nach mehr als zweijähriger Pause zurück ins Aufgebot - die Lücke aus verletzten Leistungsträgern dürften sie nur schwer füllen können. Umso überraschender war Jones' Verzicht auf die erfahrene Lena Goeßling. Die Führungsspielerin vom VfL Wolfsburg warf der Bundestrainerin daraufhin öffentlich Respektlosigkeit vor. Für Steffi Jones geht es also um mehr als viele Tore.

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