Frauenfußball-Nationalelf:Ausgekugelter Finger, blaues Auge

04 04 2015 Fussball Saison 2014 2015 Training und Fototermin DFB Nationalmannschaft Damen Fra

Tut weh, ist aber kein Ausfallgrund: Celia Sasic trug im Pokalhalbfinale ein Veilchen davon.

(Foto: Zink/imago)

Die WM-Vorbereitung des Frauen-Teams wird immer schwieriger: Fast eine ganze Elf ist verletzt.

Von Kathrin Steinbichler, Herzogenaurach

Der Moment, in dem Anna Blässe mit schmerzverzerrtem Gesicht in die Knie geht, ist für Doris Fitschen alarmierend. In knapp sechs Wochen startet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Frauen zur Weltmeisterschaft nach Kanada, am Mittwoch (18 Uhr/live in der ARD) tritt sie dazu in Fürth für einen letzten Test vor heimischen Publikum gegen Südamerika-Meister Brasilien an. "Noch eine Verletzte können wir echt nicht gebrauchen", murmelt DFB-Managerin Fitschen am Rand des Trainingsplatzes in Herzogenaurach, wo Blässe jetzt behandelt werden muss.

Die Offensivspielerin von Meister VfL Wolfsburg hat im Training einen Ball unglücklich an die linke Hand bekommen, das vordere Gelenk des kleinen Fingers steht jetzt in einem unnatürlichen Winkel ab. "Ausgekugelt", sagt Blässe, als sie an den Spielfeldrand kommt. "Wieder eingerenkt", meint die medizinische Betreuerin wenige Sekunden später. Mit einem Verband um die Hand läuft die Wolfsburgerin zurück aufs Feld. Dieser Lehrgang mit dem Brasilien-Spiel ist ihre Chance, vielleicht ihre Eintrittskarte zur WM, nachdem die Auswahl wie schon vor der Europameisterschaft 2013 von einer fast furchterregenden Serie von Ausfällen gebeutelt ist. Blässe gehört bereits zu den Nachnominierten, die für eine Verletzte vorgerückt sind. Da will die Offensivspielerin wegen einer Handverletzung nicht klein beigeben.

Schon vor dem öffentlichen Foto-Shooting am Samstag hatte es die nächsten Hiobsbotschaften gegeben. Lira Alushi, die Mittelfeldspielerin vom Champions-League-Halbfinalisten Paris St. Germain, ist von einer Sponsorenreise ihres Klubs nach Katar mit einem dicken Knie zurückgekommen. Eine MRT-Untersuchung ergab eine Entzündung, Alushi fällt damit für das Spiel gegen Brasilien aus. Genauso wie auch Bianca Schmidt, Lena Petermann (beide muskuläre Probleme), Verena Faißt (Kniebeschwerden) sowie die Torhüterinnen Almuth Schult (Muskelverhärtung) und Lisa Weiß (Sehnenverletzung am Finger), die sich am Sonntag abmeldeten.

Zuvor war bereits Pauline Bremer von Turbine Potsdam abgereist. Bei der medizinischen Eingangsuntersuchung der Nationalspielerinnen war eine Schambeinreizung festgestellt worden. Sie stammt vom aufreibenden Pokal-Halbfinalsieg gegen den 1. FFC Frankfurt. Und Lena Goeßling vom VfL Wolfsburg und Leonie Maier vom FC Bayern hatten wegen muskulärer Probleme von vornherein absagen müssen. Bundestrainerin Silvia Neid hat deshalb Svenja Huth (Frankfurt), Katharina Baunach (FC Bayern) und Torfrau Meike Kämper (MSV Duisburg) nachnominiert.

Die Suche nach dem richtigen Kunstrasen war sehr schwierig

Der angestrebte Vorbereitungseffekt im Spiel gegen Brasilien dürfte für die Bundestrainerin aber kaum zu erreichen sein. Wie vor zwei Jahren muss die deutsche Auswahl kurz vor einem Turnier auf sechs Positionen umbesetzt werden. Dabei wollte Neid die Tage in Herzogenaurach nutzen, um den Kader weiter auf das Turnier in Kanada einzustimmen und die Abläufe zwischen den Mannschaftsteilen zu verfeinern. Um sich bestmöglich vorzubereiten, hat Teambetreuerin Patrizia Hell sogar einen Kunstrasenplatz in Spielfeldgröße ausgemacht, der genau jene Art von Untergrund hat, auf der die Deutschen auch beim WM-Turnier antreten müssen. "Einfach war die Suche nicht", sagt Hell, "so viele Plätze von der Sorte gibt es in Deutschland nicht."

Beim ASV Fürth wurde der DFB fündig: Seit Herbst 2013 liegt dort ein Belag, der dem höchsten Qualitätsstandard des Fußball-Weltverbands Fifa entspricht und von der Firma hergestellt wird, die auch die WM-Stadien in Kanada ausstattet. So kann die Mannschaft sich jetzt bereits an den Untergrund und seine Beschaffenheit gewöhnen. "Das ist auch notwendig", sagt Hell, "der Ball läuft darauf noch mal anders als auf vielen herkömmlichen Kunstrasenplätzen in Deutschland, und der Antritt ist dort auch noch mal ein anderer." Das Brasilien-Spiel am Mittwoch im Stadion des Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth ist deshalb auch das letzte vor der WM auf Naturrasen. Am 27. Mai wird Deutschland bei WM-Debütant Schweiz zum Abschluss der Vorbereitung auf Kunstrasen auflaufen. Im Stadion Esp im kleinen Baden bei Zürich liegt ebenfalls der Belag aus, auf dem es von 6. Juni bis 6. Juli in Kanada um den WM-Titel gehen wird.

Den zu gewinnen ist das große Ziel der Deutschen, nachdem 2011 beim Turnier im eigenen Land im Viertelfinale Schluss war. Und es ist ein besonderes Ziel für Bundestrainerin Neid. Sie hatte in der Vorwoche ihren Abschied für 2016 angekündigt, die bisherige DFB-Direktorin Steffi Jones wird ihr nachfolgen. "Natürlich haben wir Spielerinnen mit der Trainerin darüber gesprochen", erzählt Verteidigerin Babett Peter, "und so schade es ist, so sehr kann ich sie verstehen. Sie will noch mal etwas Neues anpacken, das ist ein legitimer Wunsch."

Stürmerin Celia Sasic sagt, der Titel sei vom Team für Neid "ein passendes Geschenk". Bis dahin muss sich aber auch die Frankfurterin noch auskurieren: Aus der Niederlage gegen Wolfsburg im DFB-Pokalhalbfinale hat Sasic eine Blessur davon getragen. Eine allerdings, die mehr die Fotografen stört als die Stürmerin: Als es beim Fotoshooting an die Einzelporträts geht, lächelt Celia Sasic mit einem leuchtend blauen Veilchen am Auge in die Kameras.

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