Frauenfußball:Glück im Chaos

Football - Women's First Round - Group F Germany v Australia

Späte Erlösung: Saskia Bartusiak (Nummer 3) rutscht in der 88. Minute quasi aus Versehen der Ball vom Bauch aus ins Tor der Australierinnen.

(Foto: Paulo Whitaker/Reuters)

Die deutsche Elf spielt gegen Australien phasenweise schrecklich, beweist nach 0:2-Rückstand aber ihre Moral und schafft am Ende ein Unentschieden.

Von Jürgen Schmieder

Mit dem Bauch. Natürlich. Gewöhnlich erzielen Fußballerinnen ihre Tore mit Stirn, Spann und Spitze, doch all diese Körperteile wären unpassend gewesen für das, was da am Ende des Gruppenspiels der deutschen Elf gegen Australien passierte. Da prügelte jemand den Ball in den Strafraum der Australierinnen, mal wieder, doch diesmal landete er nicht in der Armen der Torfrau, eines Balljungen oder eines Zuschauers. Er prallte gegen den Bauch von Saskia Bartusiak, von dort aus kullerte er humorlos ins Tor.

Dieser schmutzige Treffer darf als Symbolbild für die Partie gelten: Die deutsche Elf, die sowohl Ideen als auch technische Fertigkeiten im Hotel vergessen zu haben schien, schaffte eben doch noch den wichtigen Ausgleich zum 2:2. Sie hat nun aufgrund des Reglements (es gibt nur drei Gruppen, die beiden besten Dritten erreichen das Viertelfinale) die nächste Runde so gut wie sicher erreicht und kann am Dienstag mit einem Sieg gegen die mit zwei Siegen gestarteten Kanadierinnen die Gruppe gewinnen und damit ein frühes Duell mit den favorisierten Amerikanerinnen oder Brasilianerinnen vermeiden.

Die deutschen Fußballerinnen gehören zu jener Sparte in der deutschen Olympia-Mannschaft, bei der hinter optimistischen Äußerungen eine mit "wenn" oder "aber" eingeleitete Einschränkung folgt. Natürlich hat Trainerin Silvia Neid gesagt, dass sie gerne Gold gewinnen würde und dass sie den Kader mit zahlreichen erfahrenen Spielerinnen für medaillentauglich hält. Wenn, und das ist die erste Einschränkung, ja wenn ihr Team ein paar ideale Tage erwischt. Die Deutschen sind gut, aber - und das ist Halbsatz Nummer zwei - das sind viele andere Teams auch: "Die USA sind der Favorit. Auch mit Australien, Brasilien, Frankreich, Kanada und Schweden ist zu rechnen. Eigentlich müsste man überlegen, wer nicht zum Favoritenkreis gehört."

Sara Däbritz gelingt der Anschlusstreffer durch einen spektakulären Außenristlupfer

Sie erwischten gegen Australien keinen idealen Tag, sondern einen gar schrecklichen - und es war ein Glück, dass dieser Treffer von Bartusiak überhaupt noch fiel. Zu viele Schwächen und Patzer waren ja sichtbar geworden: etwa der groteske Fehler von Dzsenifer Marozsan, den die Australierinnen durch einen Konter zum ersten Treffer (6.) nutzten. Das ungelenke Abwehrverhalten von Annike Krahn vor dem 0:2 (45.). Der skurrile Abwurf von Torfrau Almuth Schult vor die Füße einer Gegenspielerin, die jedoch den Ball verzog. Eine Abwehr, für die Begriffe wie Hühnerhaufen oder Schweizer Käse nicht ausreichen, um jenes Chaos zu beschreiben, das die Australierinnen mit Dutzenden von Flanken in den Strafraum und ähnlich vielen Schüssen aus der Ferne zudem nährten. Ja, es war wirklich so schlimm, wie sich das nun liest. "Wir haben nicht ins Spiel gefunden, das 0:1 hat uns aus dem Konzept gebracht", gab Neid zu, "danach haben wir nicht gut als Team gearbeitet." Der Anschlusstreffer vor der Pause durch einen spektakulär schönen Außenristlupfer von Sara Däbritz habe dem Team aber immens geholfen: "Wir standen dann kompakter. Insgesamt ist das Remis verdient, weil wir so gekämpft und Moral gezeigt haben."

Das war eine zutreffende Analyse. Die DFB-Elf hat einen 0:2-Rückstand aufgeholt und gezeigt, dass man auch erfolgreich sein kann, wenn man Fußball nicht spielt, sondern kämpft. Die deutschen Fußballerinnen können erfolgreich sein in Rio. Wenn sie idealere Tage erwischen. Und noch eine gute Nachricht gibt es: Simone Laudehr, die sich beim Auftakt gegen Simbabwe (6:1) verletzt hatte, könnte in Rio noch zum Einsatz kommen. "Ein Außenband im linken Knöchel ist gerissen und ein weiteres angerissen. Das kann man eigentlich ohne Probleme stabilisieren", erklärte Bernd Wolfarth, der Leitende Arzt des Deutschen Olympischen Sportbundes.

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