Frauenfußball:Darf Steffi Jones weitermachen?

Germany Departure - UEFA Women's Euro 2017

Darf sie weitermachen? Steffi Jones, die deutsche Fußball-Nationaltrainerin.

(Foto: Maja Hitij/Getty Images)
  • Wir sind schuld, nicht die Trainerin: Das ist die Botschaft der DFB-Fußballerinnen nach der überraschenden EM-Niederlage gegen Dänemark.
  • Im Verband wird nach dem Viertelfinal-Aus dennoch über Steffi Jones diskutiert.

Von Anna Dreher, Sint-Michielsgestel

Um halb neun Uhr am Morgen war die Röte aus ihren Augen wieder verschwunden, die Enttäuschung und innere Leere noch nicht. Dzsenifer Marozsán musste am Montag mit Gefühlen umgehen, auf die sie lieber verzichtet hätte. Aber ändern konnte die Spielführerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft das auch nicht mehr. Und so stand die 25-Jährige vor dem Teamhotel und versuchte in Worte zu fassen, was sie noch gar nicht verarbeitet hatte. "Das war eine kurze und keine schöne Nacht", sagte sie. "Am meisten verletzt mich die Art und Weise, wie wir verloren haben. Das tut einfach weh und ist schwer zu akzeptieren."

Im Hintergrund liefen ihre Mitspielerinnen mit gepackten Koffern zum Mannschaftsbus, lächeln konnte kaum eine. Das Team von Bundestrainerin Steffi Jones war einen Tag zuvor gegen Dänemark mit 1:2 (1:0) im Viertelfinale der Europameisterschaft ausgeschieden. "Das ist eine bittere Lehrstunde für uns, wir hatten das klare Ziel, weiterzukommen", sagte Jones. "Wir müssen jetzt alle erst mal runterfahren. Das ist schon ein harter Brocken für uns."

"Uns hat die Courage gefehlt und der letzte Biss"

Der Titelverteidiger und achtmalige EM-Sieger hat sein großes Ziel verpasst - nach dem Finale am Sonntag werden andere jubeln. Für Babett Peter war die Enttäuschung darüber so groß, dass sie die Niederlage gegen Dänemark mit jener von 2011 bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land verglich, die bisher als emotionaler Tiefpunkt im deutschen Frauenfußball gegolten hatte. "Wir haben uns das alle ganz anders vorgestellt. Uns hat die Courage gefehlt und der letzte Biss", sagte die Abwehrchefin. "Wir haben im Kollektiv versagt. Jede Spielerin muss sich jetzt auch selbst hinterfragen, woran das lag."

Um viertel vor neun fuhren die Spielerinnen ein letztes Mal vom Teamhotel die Allee zur Hauptstraße entlang. Eine Woche früher als erwartet und statt des erhofften Pokals mit lauter Fragen im Gepäck.

Vom ersten Moment dieser EM an hatte die deutsche Auswahl nicht richtig ins Turnier gefunden, sie konnte die spielerische Qualität nie in der erwarteten Dominanz zeigen. In der Vorrunde hatte Steffi Jones alle Feldspielerinnen eingesetzt, doch egal, in welcher Kombination sie spielen ließ - gegen Schweden (0:0), Italien (2:1) und Russland (2:0) -, brauchte es im offensiv ausgerichteten 4-4-2 mit Raute drei Elfmeter und einen Torwartfehler, um die Gruppenphase zu überstehen. Als Isabel Kerschowski gegen Dänemark ein herausgespieltes Tor gelang, befreite das die Mannschaft nicht, sondern verunsicherte sie noch mehr. Hinzu kamen eklatante Fehler und Schwächen im Abschluss.

Spielerinnen nehmen Schuld auf sich

Zum ersten Mal überhaupt hat Deutschland nicht das Halbfinale einer EM erreicht, das Team scheiterte beim Versuch, den siebten Titel nacheinander zu gewinnen. Einen größeren Favoriten gab es nicht - vielleicht lag genau darin das Problem. Kurz nach dem überraschend frühen Aus stellte sich jedenfalls gemäß den Mechanismen des Fußballs schnell die Trainerfrage.

Für Steffi Jones, 44, ist die sportliche Leitung der Nationalelf die erste Anstellung als Trainerin. Ihre Erfahrungen macht sie von Beginn an unter besonderer Beobachtung und hohem, auch selbst auferlegtem Erwartungsdruck. Erst neun Monate vor der EM wurde sie Nachfolgerin von Silvia Neid, die das Amt stark geprägt hat. Jones' Ernennung ohne vorherige Erfahrung war von der Branche skeptisch begleitet worden. Die Kritik blieb auch jetzt nicht aus. Die frühere Nationalspielerin Inka Grings sagte: "Wir haben kein internationales Top-Niveau mehr. Das Spiel war erschreckend." Es gab aber auch Unterstützung wie von Frankfurts Manager Siegfried Dietrich oder Wolfsburgs Sportchef Ralf Kellermann, die Jones' Weg - sofern die richtigen Schlüsse gezogen würden - als vielversprechend bewerteten.

Anspruch, eine Entwicklung einzuleiten

Jones übernahm ihre Aufgabe mit dem Anspruch, eine Entwicklung einzuleiten. Sie änderte Spiel- und Herangehensweise. Ambitionen, die per se nicht fehl am Platz sind, in der kurzen Zeit vor einem so wichtigen Turnier aber wohl zu allgemeiner Überforderung geführt haben - auch wenn nicht nur Jones, sondern auch die Spielerinnen von diesem Weg überzeugt waren und weiterhin sind. "Es fühlt sich schon so an, als hätten wir sie im Stich gelassen", sagte Marozsán. "Für sie tut es mit besonders leid. Die Fehler haben wir gemacht, die Trainerin war überhaupt nicht schuld."

Alle Spielerinnen bemängelten später die eigene Einstellung und bekräftigen gleichzeitig den Wunsch, mit Jones weiterzuarbeiten. Ein derart klares Bekenntnis vermied der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes noch. Während Reinhard Grindel zuvor erklärt hatte, man messe Jones Arbeit nicht nur am Erfolg, hieß es nun: Man werde in Ruhe und mit allen Beteiligten analysieren, was zu tun sei, damit die Frauen-Nationalmannschaft an frühere Erfolge anknüpfen könne. Grindel und Jones hatten am Sonntagabend telefoniert. "Es geht hier nicht um eine Arbeitsplatzgarantie, sondern die Identifikation mit dem Prozess, der mittel- und langfristig angelegt ist, und den der DFB mitgehen wird, wenn er dahinter steht", sagte Jones, deren Vertrag bis 2018 läuft. "Das signalisieren sie mir - mit dem Auftrag, dass man wissen möchte, wie der Weg aussehen soll." Sie sei motiviert und gewillt, ihn weiter zu gehen.

Die Entscheidung darüber, zumindest darin dürften sich alle einig sein, sollte möglichst schnell getroffen werden. Die Qualifikation zur Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich beginnt im September.

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