Frauen-WM 2011:Willkommen in der Welt der Härteprämie

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Die deutschen Frauen haben bei ihren ersten beiden Auftritten bei dieser WM eher gerumpelt als geglänzt. Wie oft haben sich DFB-Männer-Mannschaften mühsam in Turniere hineinkämpfen müssen? Und galt das bei denen nicht immer als völlig normal?

Claudio Catuogno

Wenn man die Frauenpolitik von Frau Haderthauer richtig verstanden hat, dann spielt Streuselkuchen darin eine wichtige Rolle. Die glückliche Frau, wie Bayerns Frauenministerin Haderthauer sie sich vorstellt, schiebt ihre Kinder nicht in Kitas ab, sondern betreut sie liebevoll zu Hause, wofür sie von der CSU mit einer "Herdprämie" belohnt werden muss.

Mehr Kampf denn Spiel: die Partie der deutschen Elf gegen Nigeria. (Foto: dpa)

Auf dass sie ihrem Herd (zur Not auch dem Backofen) feinste Streuselkuchen entlocke. Insofern wird es Frau Haderthauer freuen, dass auch die Nationalspielerin Lira Bajramaj, eine Art Vorzeigefrau im deutschen Team, gerade zum Thema Streuselkuchen befragt wurde.

Hä? Streuselkuchen?, reagierte Bajramaj allerdings irritiert. Von dieser Facebook-Seite, auf der sie angeblich Kuchenrezepte veröffentlicht (und, wie man annehmen muss, auch von den Segnungen der Herdprämie) hat Bajramaj noch nie etwas gehört. Offenbar gibt sich im Internet jemand als Lira Bajramaj aus, um öffentlichkeitswirksam Unsinn zu erzählen. Wobei wir wieder bei Frau Haderthauer wären.

Statt um Kuchenklischees geht es nämlich auch für Lira Bajramaj längst um die Kernfragen einer WM. Nicht um "High Heels, Lipgloss und Handtaschen", wie Frau Haderthauer gerade vorwurfsvoll dem Focus mitgeteilt hat, und auch nicht um "Barbiepuppen-Schablonen à la Heidi Klums Topmodels".

Mit ihrer Klage vom angeblich "frauenfeindlichen Frauenbild" dieser WM kommt Christine Haderthauer definitiv ein paar Wochen zu spät. Vor dem Turnier mag sich der Eindruck aus Plakaten und Fernsehspots gespeist haben, doch jetzt wird gespielt - und das Thema ist sowas von durch.

Öffentliche Auftritte absolvieren die deutschen Fußballerinnen nur noch im Trainingsanzug. Ihre Bandagen, Blutergüsse und Kratzer tragen sie wie Trophäen mit sich herum. Es geht jetzt um Sport, und zwar in allen, auch den schmerzhaften Facetten. Es geht sogar so sehr um Sport, dass sich einige im deutschen Team erst daran gewöhnen müssen.

Eine Vorrunde nach dem Motto "Augen zu und durch". Eine auf- geregte Führungsspieler-Debatte. Eine Turnier-Elf, die im laufenden Betrieb gefunden werden muss. Gegner, gegen die man tatsächlich verlieren kann.

Wie oft haben sich DFB-Männer-Mannschaften erst mühsam in ihre WM- oder EM-Turniere hineinkämpfen müssen? Und galt das bei denen nicht immer als völlig normal? Willkommen also, lieber Frauenfußball, in der Turnier-Realität. Willkommen in der Welt der Härteprämien.

© SZ vom 05.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Carsten Eberts, Frankfurt

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