Frauen-WM: Birgit Prinz im Gespräch:"Ich wollte einen Plan für die Zeit danach"

Birgit Prinz ist Deutschlands Rekord-Nationalspielerin. Ein Gespräch über die große Konkurrenz im WM-Sturm, ihren nahenden Abschied aus der Nationalelf und ihre Zukunft in einem ganz normalen Beruf.

Kathrin Steinbichler

Zwei WM- und fünf EM-Trophäen, drei Uefa-Cup-, zehn Pokal- und zehn Meistertitel, darunter den der US-Profiliga: Birgit Prinz, 33, ist die erfolgreichste Fußballerin, die Deutschland je hatte. Keine lief öfter im Nationalteam auf (213 Länderspiele), keine traf öfter (128 Tore). Vor dem zweiten WM-Gruppenspiel gegen Nigeria am Donnerstag (20:45 Uhr/ARD) in Frankfurt spricht die Spielführerin über ihren bevorstehenden Rücktritt aus der Nationalelf.

Frauen-WM 2011 - Deutschland - Kanada

"Natürlich will ich ein Spiel immer durchspielen": Birgit Prinz.

(Foto: dpa)

SZ: Frau Prinz, diese WM ist Ihre fünfte - und Ihre letzte. Ist Ihnen die Entscheidung, nach dem Turnier aus der Nationalelf zurückzutreten, schwergefallen?

Birgit Prinz: Überhaupt nicht, die war schon relativ früh klar.

SZ: Wacht man auf und spürt: Das war's jetzt?

Prinz: Nein, es ist ja jetzt schon ein paar Jahre klar, dass diese WM hier stattfinden würde. Ich glaube, wenn sie nicht nach Deutschland vergeben worden wäre, hätte ich schon früher aufgehört...

SZ: ...aber dann wollten Sie der DFB, Ihr Verein und die Sponsoren vor diesem Großereignis nicht aus der Verantwortung entlassen?

Prinz: Eine WM im eigenen Land ist etwas Besonderes, und sie zu spielen, war für mich ein großes Ziel. Und dafür, dachte ich mir, lohnt es sich auch, den Aufwand zu betreiben und die anderen Lebensbereiche zurückzustellen.

SZ: Wie schon bei der EM 2009 werden Sie auch jetzt beäugt, wann Sie wohl Ihr erstes Tor machen.

Prinz: Es ist immer dieselbe Diskussion. Dabei kommt es gar nicht darauf an, wer die Tore schießt, wichtig ist nur, dass sie eine schießt. Die Trainerin hat ein sehr gutes Team aufgestellt, in dem jede eine andere Rolle hat, das zeichnet uns aus. Meine Rolle ist es längst nicht mehr, ständig die Dinger reinzumachen.

SZ: Sondern?

Prinz: Meine Spielart hat sich verändert. Im Verein habe ich oft ein Stück hinter der Spitze gespielt, und das kommt mir auch entgegen. Mir gefällt das, wenn man mal einen schönen Ball spielen kann. Ich habe mich ohnehin nie als reine Stürmerin gesehen. Mein Anspruch war schon immer, auch Tore vorzubereiten und mitzuspielen, statt vorne drin zu stehen, aber auch meine Auslegung des Fußballs ist eine andere geworden. Spielerischer. Mit 30 rennt man ganz anders über den Platz als mit 18, weil man viel mehr guckt. Einen guten Pass zu spielen, Räume zu blocken, die Abwehr zu beschäftigen und die Mitspielerin einzusetzen - das ist genauso wichtig fürs Spiel.

SZ: Im ersten Spiel gegen Kanada wurden Sie in der zweiten Halbzeit ausgewechselt. Bedeutet die zunehmende Konkurrenz durch eine Célia Okoyino da Mbabi oder eine Alexandra Popp, dass Sie Ihre letzte WM teilweise auf der Bank verbringen müssen?

Prinz: Es ist doch gut, dass so gute Spielerinnen nachkommen und dass wir in der Lage sind, in der Offensive so viele Optionen zu haben. Natürlich will ich ein Spiel immer durchspielen, aber wenn die Trainerin etwas anderes vorhat, wird sie schon wissen warum.

"Mittlerweile werde ich ja auf der Straße erkannt"

SZ: Beobachten Sie die Nachwuchsstürmerin Alexandra Popp besonders, weil Sie wissen: Die muss die nächsten Jahre meinen Job machen?

Prinz: Es gibt einige jüngere Spielerinnen, die auf sich aufmerksam machen. Alles auf eine zu fokussieren, wäre nicht fair, und es würde auch Alex nicht gut tun, wenn man nur auf sie blickt und ihr künftig die gesamte Verantwortung auf die Schultern legen würde.

SZ: Ihnen erging es früher nicht anders: Da waren Sie diejenige, die im Offensivspiel für den Sieg sorgen sollte.

Prinz: Ich weiß, wie das ist, und dass es unfair ist. Aber wenn Alex sich so weiter entwickelt wie bisher, wird sie mit Sicherheit eine tragende Rolle spielen - jetzt wie in der Zukunft.

SZ: Gehen die Jüngeren heute besser mit den öffentlichen Erwartungen um?

Prinz: Die gehen damit nicht besser um, aber es ist für sie eben normal. Die sind einfach mit dem Thema und den Medien aufgewachsen, das war bei mir noch anders. Die Jungen sind da in einer anderen Startposition. Früher wollte keiner irgendwas von uns, heute haben wir jeden Tag Medientermine. Mittlerweile werde ich ja auf der Straße erkannt und oft auch angesprochen, ob im Supermarkt oder beim Bäcker.

SZ: Dabei wollten gerade Sie nie diesen Rummel um Ihre Person.

Prinz: Ich habe mir darüber nie Gedanken gemacht, wie das ist, wenn einen jeder kennt, und ob ich das gut finde oder nicht. Das hat sich peu à peu so entwickelt, und es ist eben nicht so meins. Aber das kam auch nicht plötzlich, das ist über die Jahre immer intensiver geworden. Den Schritt zurück gibt es dabei eben nicht.

SZ: Ist auch deshalb, nach 17 Jahren im DFB-Trikot, nach der WM Schluss?

Prinz: Natürlich finde ich es eine nette Begleiterscheinung, dass ich dann wahrscheinlich wieder etwas mehr meine Ruhe haben werde. Aber das ist nicht der Grund, warum ich gesagt habe, dass es jetzt reicht.

SZ: Was ist der Grund?

Prinz: Ich habe grundsätzlich das Gefühl, dass es jetzt reicht. Ich bin in einem Alter, in dem man durchaus aufhören kann, und so eine WM im eigenen Land ist ein guter Schlusspunkt. Dann hatte ich eine schöne Zeit mit einem hoffentlich schönen Ende.

SZ: Sie haben rund zwei Jahrzehnte den deutschen Frauenfußball geprägt, genauso lang mussten Sie immer wieder erklären, warum Sie nicht den Kommerz bedienen sondern lieber Ruhe und Normalität wollen. Glauben Sie, die Leute verstehen Ihre Haltung inzwischen?

Prinz: In großen Teilen schon. Aber es sind auch Lücken gefüllt worden durch andere Spielerinnen, die ich vorher alleine füllen musste. Gerade bei den Jüngeren sind viele dabei, die erfüllen, was von Medien und Sponsoren gewünscht ist, und die das auch gut machen. Ich glaube aber auch, dass viele inzwischen mich als Person akzeptiert haben und auch akzeptieren, dass ich eben nicht immer so funktioniere, wie man es sich wünscht.

SZ: Nach der WM 2003 haben Sie für Aufsehen gesorgt, weil Sie ein hoch dotiertes Vertragsangebot des AC Perugia abgelehnt haben. Dessen damaliger Präsident Luciano Gaucci wollte Sie für rund eine Million Euro in den italienischen Männerfußball holen - Sie haben abgesagt mit dem Hinweis, lieber Fußball spielen als Ihren Hintern verkaufen zu wollen. Bereuen Sie manchmal, das Geld nicht genommen zu haben?

Prinz: Ich war da ganz klar in meiner Entscheidung und habe das nie bereut.

SZ: Sie haben dieser Summe nie hinterhergetrauert?

Prinz: Überhaupt nicht. Zu dem Zeitpunkt hätte das Ganze absolut nicht in mein Leben gepasst. Ich habe mir das natürlich gut überlegt, aber es ging um die Entscheidung: Mache ich Geld oder versuche ich, seriös meinen Sport auszuüben. Und ich habe mich klar entschieden: Ich mache den Werbegag nicht mit und bin bereit, dafür auf eine Menge Geld zu verzichten. Das hat sich damals wie heute gut und richtig angefühlt.

"Ich weiß noch nicht, ob ich im Verein weiterspiele"

SZ: Neben dem Fußball haben Sie erst als Physiotherapeutin gearbeitet und inzwischen auch ein Psychologie-Studium abgeschlossen. Arbeiten Sie künftig lieber mit dem Körper oder mit dem Kopf?

Prinz: Ich hatte schon während des Uni-Studiums ein Praktikum bei einer Managementberatung angefangen, das jetzt natürlich ruht. Aber die Planung ist, mit denen später mal etwas zu machen. Wir wollen gemeinsam einen neuen Zweig aufbauen, der sich "Zentrum für Performance-Psychologie" nennen soll.

SZ: Performance-Psychologie?

Prinz: Es soll darum gehen, im Sport- wie im Managementbereich gute Nachwuchs- und Spitzenleute zu unterstützen und in die Spitze zu bringen. Da werde ich probieren, meine Füße auf den Boden zu bekommen. Wenn das klappt, wäre es das, was ich während meiner Karriere immer versucht habe zu planen: im Sport zu bleiben, aber auch den Bezug nach außen zu haben.

SZ: Klingt, als ob Sie sich auf diesen neuen Lebensabschnitt schon freuen.

Prinz: Das ist eine ziemliche Herausforderung, aber das finde ich cool.

SZ: Gerade Ihnen wollten die Leute immer in die Seele schauen, je mehr Sie zugemacht haben. Jetzt sind Sie Psychologin und kennen sich mit der menschlichen Psyche besser aus als die meisten Gesprächspartner. War das die Absicht?

Prinz: Ich finde das Thema einfach spannend, und ich finde Menschen spannend. Ich konnte mir vorstellen, in dem Bereich später einmal zu arbeiten. Zusätzlich war es mir wichtig, etwas zu machen, was in meine Biografie passt. Was nicht einen totalen Bruch bedeutet mit dem, was ich bisher gemacht habe, sondern das fortsetzt. Ich habe dadurch andere Leute und andere Blickwinkel kennengelernt, und das hilft mir natürlich auch jetzt als Fußballerin.

SZ: Wie sehr beschäftigen Sie sich mit diesem Leben, das nach der WM beginnen wird?

Prinz: Rund um die WM ist es natürlich schwierig, da ist die Energie einfach gebunden. Aber im Vorfeld habe ich ziemlich viel darüber nachgedacht. Es ist zwar klar, dass ich im Nationalteam aufhöre, aber ich habe immer noch nicht entschieden, ob ich im Verein weiterspiele. Deswegen weiß ich auch gerade nicht, ob meine Fußballkarriere als Ganzes jetzt endet oder erst in einem Jahr. Aber wie auch immer ich entscheide: Ich wollte einen Plan haben für die Zeit danach, und den habe ich.

SZ: Wenn Sie erleben, welche teils gut dotierten Verträge die jüngeren Nationalspielerinnen inzwischen abschließen: Wären Sie gerne fünf Jahre später geboren?

Prinz: Nein, ich bin sehr glücklich über die Zeit, in der ich spielen durfte. Ich denke, es war eine sehr gute Zeit, in der sich unheimlich viel bewegt hat. Und Teil dieser Bewegung gewesen zu sein, ist ein gutes Gefühl. Ich bedauere da nichts.

SZ: Spüren Sie Stolz?

Prinz: Stolz nicht, Zufriedenheit. Ich denke, unsere Generation hat ihre Möglichkeiten genutzt und viel für den Frauenfußball getan. Dass die Jüngeren jetzt diese Startmöglichkeiten haben und dass Frauenfußball selbstverständlich geworden ist, das freut mich. Da einen Teil beigetragen zu haben, da kann man ganz zufrieden drauf gucken.

SZ: Sie haben jetzt noch mindestens zwei Gruppenspiele, dann kämen die K.-o.-Spiele, danach ist Schluss. Nehmen Sie innerlich schon Abschied?

Prinz: Der Moment wird kommen, an dem es ein Abschiednehmen geben wird. Muss ja. Aber einzeln abzählen werde ich die Spiele nicht. Ich versuche, jedes Spiel so zu nehmen wie es kommt. Und danach kommt eben etwas Neues.

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