Frauen-Riesenslalom in Sölden:Ois a bisschen neu

Frauen-Riesenslalom in Sölden: Oh happy day: Federica Brignone aus Italien gewinnt überraschend den Weltcup in Sölden.

Oh happy day: Federica Brignone aus Italien gewinnt überraschend den Weltcup in Sölden.

(Foto: Alessandro Trovati/AP)

Beim Auftakt des Frauen-Weltcups - ohne die verletzten Fenninger und Vonn - gibt es eine unerwartete Siegerin: Die Italienerin Federica Brignone. Viktoria Rebensburg wird Sechste und ist nicht zufrieden.

Von Johannes Knuth, Sölden

Viktoria Rebensburg stapfte durch den Zielraum im Stadion am Rettenbachgletscher, sie stand jetzt mit dem Rücken zum Podest, das die Kolleginnen Weirather, Shiffrin und Brignone gleich in Besitz nehmen würden. Rechts Tina Weirather, Liechtenstein, die Fachkraft für die schnelleren Disziplinen hatte einen dritten Platz in die Wertung gebracht. Links Mikaela Shiffrin, 20, die Vorjahressiegerin aus den USA war diesmal Zweite geworden, sie bastelt in diesen Tagen an ihrer ersten, ernstzunehmenden Bewerbung für den Gesamtweltcup. Und in der Mitte die Tagesbeste, die Italienerin Federica Brignone. Wer diese Reihenfolge vor dem Rennen getippt hätte, er hätte mit dem Wetterlös wohl einen Jahrespass für den Rettenbachgletscher in Sölden finanzieren können.

Dann war da also noch Rebensburg, die nicht enttäuscht, aber auch nicht so recht einverstanden war mit ihrem sechsten Platz. Den ersten Lauf hatte sie verbummelt. "Das war ned der Plan", sagte sie, um kurz darauf festzustellen, dass sich zumindest der Plan für den zweiten Abschnitt zufriedenstellend entfaltet hatte. Brignone, die Tagesbeste, befand Rebensburg, war sowieso "in ihrer eigenen Liga". Was niemand so recht erwartet hatte, und was Rebensburg jetzt zu einer ersten, kleinen Momentaufnahme veranlasste: "Ich hab das Gefühl", sagte sie, "es mischt sich momentan 'ois wieder a bisschen neu."

Fenninger kommt jetzt ohne Schlafmittel durch die Nacht

Die Tage vor den Rennen in Sölden sind Tage der freundlichen Unverbindlichkeiten. Die Athleten sagen viel, ohne richtig etwas zu sagen; am ehrlichsten kleidete noch Shiffrin ihr Befinden in Worte, als sie sagte: "Niemand weiß so recht, wo er steht." Diesmal waren die Athleten noch ein wenig verunsicherter. Die Stammgäste auf den Podesten aus den vergangenen Jahren pausieren gerade (Tina Maze) oder sind verletzt, mal mehr (Anna Fenninger), mal weniger (Lindsey Vonn). Vor allem Fenningers Knieverletzung vom Mittwoch beschäftigte bis zum Samstag die Skination Österreich, der ohne Fenninger im Technik-Sektor gerade eine geprüfte Seriensiegerin fehlt. Am Samstag zitierte die Krone Fenningers Arzt: "Die Patientin ist mit den Krücken schon gut unterwegs. Sie brauchte in der Nacht auch kein Schlafmittel mehr. Der Verband wurde gewechselt, es sieht alles gut aus." Unterdessen wurde munter spekuliert, wer nun während Fenningers neunmonatiger Pause aufrücken würde, Vonn, Lara Gut, vielleicht Shiffrin, vielleicht sogar Rebensburg. Woraufhin Wolfgang Maier, Sportdirektor im Deutschen Skiverband (DSV), konterte: "Wir wissen gar nicht, wie sich andere Konkurrentinnen entwickelt haben."

Zum Beispiel Federica Brignone, 25, aus La Salle im Aostatal, Tochter der ehemaligen Skirennfahrerin Maria Rosa Quario. Und seit diesem Samstag erstmals Siegerin eines Weltcup-Rennens.

Brignone hatte im ersten Durchgang offenbar eine Abkürzung gefunden. Das legte zumindest die große Lücke nahe (0,95 Sekunden), die zunächst zwischen ihr und Shiffrin klaffte, der Zweitbesten. Brignone hatte die 46 Tore auf der steilen Gletscherrampe stabil, aber doch frech passiert, frecher als der Rest. "Es ist wirklich steil dort oben", sagte Shiffrin später, "man will sich die ganze Zeit zurücknehmen und auf den flacheren Teil warten, ehe man angreift. Federica hat nicht eine Sekunde nachgelassen." Rebensburg war "schon erschrocken", als sie feststellte, dass ihr Brignone 2,95 Sekunden enteilt war. Die Piste in Sölden biegt kurz vor dem Ziel scharf nach links ab und trudelt flach aus, Rebensburg war kurz vor der Abzweigung in Schwierigkeiten geraten. Sie sagte: "Das war a bissel mit der Handbremse."

Der DSV sieht sich "mit einem blauen Auge davongekommen"

Im zweiten Lauf schaltete Rebensburg ein paar Gänge hoch. Sie bot sogar die beste Laufzeit aller Fahrerinnen an. "Das ist das, was sie kann. Da sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen", sagte Markus Anwander, Cheftrainer der DSV-Frauen. Rebensburg lächelte ein wenig in die Kameras, es war ein verhaltenes Lachen, wohl auch, weil Gut, Weirather und Shiffrin besser waren. Und weil Brignone trotz ihres Vorsprungs jedes Tor so fuhr, als entscheide es über den Ausgang des Rennens. Eine ganz große Überraschung war ihr Sieg nicht, Brignone hatte 2011 bei der WM in Garmisch Silber gewonnen, sie hatte immer mal wieder auf dem Podium hospitiert, nur ganz oben hatte man sie noch nicht gesichtet. "Ich glaube, ich habe bislang nie gewonnen, weil ich es noch nicht verdient hatte", sagte sie am Samstag.

Während der Sommerpause hatte sie länger pausiert als sonst, sie räumte ein wenig auf im Kopf, um herauszufinden, was ihr noch fehlte für die letzten Schritte zum Erfolg. Sie verpflichtete einen Athletiktrainer, der mit ihr die skifreien Tage zu Hause nutzte. "Ich konnte heute bis zum Ende pushen, ich habe mich so gut gefühlt", sagte Brignone. Manchmal führen auch mehrere kleine Schritte ins Ziel.

Rebensburg hatte im Sommer ebenfalls einiges umgebaut. Sie hatten im DSV einen eigenen Techniktrainer für ihre Abfahrtsgruppe abgestellt, Rebensburg kann bei Bedarf nun beides an einem Trainingsort einstudieren: schnelle und technische Disziplinen. In Sölden blieb der 26-Jährigen die Erkenntnis, dass man etwaige Auswirkungen wohl erst später in der Saison messen wird. Und die übrigen Deutschen? Deren Vorstellung fand Alpindirektor Maier "a bisserl enttäuschend"; weder Simona Hösl (36.), Lena Dürr (41.) und Susanne Weinbuchner (44.) bekamen die Zugangsberechtigung für den zweiten Durchgang. Am Sonntag kommt erneut den deutschen Männern die Aufgabe zu, die Bilanz des Wochenendes zu verfeinern. Vor einem Jahr hatte Fritz Dopfer es zumindest geschafft, die Ordnung im Riesenslalom neu zu mischen.

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