Frauen-Nationalmannschaft:Die Entlassung von Steffi Jones ist ein überfälliger Schritt nach vorn

Bereits ihre Ernennung zur Bundestrainerin war ein Ausdruck der Ahnungs- und Respektlosigkeit gegenüber dem Frauenfußball. Bei der Nachfolge sollte der DFB nicht an Name oder Geschlecht denken - sondern an Fähigkeiten.

Kommentar von Kathrin Steinbichler

Als Wolfgang Niersbach im Frühjahr 2015 nach einem Zwiegespräch mit Steffi Jones beschloss, ihr nach Olympia 2016 die Frauenfußball-Nationalmannschaft anzuvertrauen, saß der damalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) einer groben Fehleinschätzung auf: Wer gute Spielerinnen hat, wird auch Erfolg haben; wer selbst in der Nationalelf gespielt hat, wird eine Nationalelf auch anleiten können; und wer sich in der Öffentlichkeit gut verkaufen kann, wird auch eine Mannschaft mitreißen können. An allen drei Herausforderungen ist Steffi Jones als Bundestrainerin gescheitert - und mit ihr der DFB. Denn die Entscheidung für Jones war ein Beleg dafür, dass der DFB den Frauenfußball und seine Beteiligten einfach nicht ernst nimmt.

Ein "kleines Risiko" hatte Niersbach es genannt, dass der DFB seine an Titeln erfolgreichste Mannschaft jemandem anvertraute, der zwar eine Trainerlizenz, aber keinerlei praktische Erfahrung mitbrachte. Und das in einer Zeit, in der andere Nationalverbände im Frauenfußball mit dem DFB längst auf Augenhöhe sind, was die Professionalisierung der Strukturen und der Ausbildung angeht. Bei der taktischen Entwicklung hat manch ein Konkurrent die DFB-Frauen schon seit einiger Zeit abgehängt. Die Entscheidung für Steffi Jones war daher weniger ein Risiko als der Ausdruck von Ahnungs- und Respektlosigkeit dem modernen Frauenfußball gegenüber.

Dass der DFB jetzt handelt, wo die Erfolge ausbleiben und sich die Spielerinnen von der Trainerin zunehmend entfremdet hatten, war überfällig. Im Spitzenfußball der Männer machen Trainer den Unterschied, spätestens seit der WM 2015 ist das auch im Frauenfußball zu beobachten. Viele Teams haben inzwischen talentierte und gut trainierte Spielerinnen, aber nur wenige verstehen es, als taktisches Gebilde dem Gegner ihr Spiel aufzuzwingen. Deutschland gehört - rund ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in Frankreich - nicht dazu.

Wer auch immer die Frauen-Nationalelf übernehmen wird, ist jetzt in vielerlei Hinsicht gefordert: Es gilt, neue Spielsysteme zu installieren und verlorenes Vertrauen bei den Spielerinnen zurückzugewinnen. Horst Hrubesch als Übergangstrainer kann dem Team da nur guttun: Er ist als Stratege und Psychologe erfahren und steht nicht im Verdacht, sich profilieren zu wollen. Langfristig gesehen sollte der DFB dann weniger an Name oder Geschlecht denken, sondern an Fähigkeiten: Ob Wolfsburgs Ralf Kellermann, Bayerns Thomas Wörle oder die frühere Nationalspielerin und aktuelle Schweizer Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg: Es gibt einige, die sich bereits bewiesen haben. Man muss sie und den Frauenfußball nur ernst nehmen.

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