Frauen-Champions-League:Duell mit dem Vorbild

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Neue Impulse: Seit die Schweizerin Ramona Bachmann die Offensive der Wolfsburgerinnen verstärkt, ist das Spiel variantenreicher geworden. (Foto: imago/foto2press)

Wolfsburgs Fußballerinnen treffen im Champions-League-Finale auf das favorisierte Olympique Lyon - jenen Klub, der die Deutschen seit Jahren inspiriert.

Von Kathrin Steinbichler, Reggio Emilia/München

Wer sich mit Ralf Kellermann auf ein Fachgespräch über Fußball einlässt, muss beweglich sein. Zumindest gedanklich. Kellermann, seit 2008 beim VfL Wolfsburg Frauenfußball-Cheftrainer, webt in seine Arbeit immer wieder Anleihen und Ideen ein, die er bei anderen Klubs und Mannschaften beobachtet hat. Olympique Lyon etwa kennt der Frauenfußball-Welttrainer von 2014 nur zu gut: Als er vor acht Jahren die VfL-Fußballerinnen übernahm, galt die stete und auf professionelle Strukturen bedachte Aufbauarbeit von Frankreichs Double-Sieger als beispielhaft im Frauenfußball. Auch für Kellermann, 47, der sich Olympique Lyon also zum Vorbild nahm, um in Wolfsburg ein ähnlich dauerhaftes Erfolgsmodell zu installieren.

Das Ergebnis ist nun an diesem Donnerstag (18 Uhr/ Eurosport) im Stadio Città del Tricolore in Reggio Emilia zu sehen: Im Champions-League-Finale zwischen dem VfL Wolfsburg und eben jenem Olympique Lyon treffen jene beiden Klubmannschaften Europas aufeinander, die den Frauenfußball mit ihrer Professionalität und Spielkultur geprägt und angetrieben haben.

"In Lyon wird seit Jahren eindrucksvolle Arbeit gemacht, da steckt Substanz und Qualität drin", sagte Kellermann einmal in einem Gespräch. Substanz und Qualität: Das sind die Richtlinien, die Kellermann auch beim VfL einfordert, und damit meint er nicht nur die Spielerinnen und die sportliche Planung, sondern auch den Ausbau der Infrastruktur, in der er und seine Fußballerinnen arbeiten können. Exzellente Trainingsbedingungen und physiotherapeutische Betreuung, angemessen bis gut honorierte Verträge und eine auch innerhalb des Vereins kommunizierte Verbundenheit zum Frauenfußball zeichnen inzwischen den VfL wie Olympique aus. Seit Kellermann dazu vergangenen Sommer die Schweizer Offensivspielerin Ramona Bachmann aus Malmö sowie aus Lyon die Mittelfeldspielerinnen Lara Dickenmann und Élise Bussaglia in sein gut besetztes Team geholt hat, spielt der VfL noch einmal direkter und variantenreicher.

In der nationalen Bundesliga fand der VfL damit nur im defensiv noch kompakter arbeitenden FC Bayern seinen Meister, international aber spielen die Wolfsburgerinnen ihre gewachsene Erfahrung regelmäßig aus. Viermal in Serie hat der VfL nun mindestens das Halbfinale der Champions League erreicht, 2013 (gegen Lyon) und 2014 (gegen Tyresö) gewann er sie auch. Lyons Trainer Gérard Prêcheur findet denn auch nur lobende Worte über den Gegner: "Beide Teams kennen sich gut. Wolfsburg ist eines der besten europäischen Teams." Die Stärke des VfL sieht er mit Respekt und Hoffnung zugleich: Wolfsburg spiele "gerne offensiv, sie verwalten nicht, sie berechnen nicht", sagt Prêcheur. "Es wird für uns defensiv härter, aber ich denke, dass wir dadurch offensiv auch mehr Räume haben." Ein Vorzug, den seine Mannschaft in der französischen Liga nur sehr selten genießt.

Gerade erst hat Lyon seinen zehnten Meistertitel in Serie geholt, die Dominanz des Klubs beschert der Liga regelmäßig einseitige Ergebnisse. Selbst der nationale Widerpart Paris St. Germain, vergangene Saison noch europäischer Überraschungssieger, musste im diesjährigen Champions-League-Halbfinale ein 0:7 hinnehmen. Natürlich hat Kellermann auch in dieser Saison Olympique beobachtet. "Über die Stärken von Lyon zu sprechen, könnte den Rahmen etwas sprengen", meinte Kellermann vor dem Endspiel in einem Interview mit dem Weltverband Fifa: "Aus meiner Sicht ist Lyon als Vereinsmannschaft aktuell das Maß aller Dinge. Sie spielen technisch, taktisch und auch physisch auf einem so hohen Niveau. Sie sind mit absoluter Weltklasse besetzt und haben uns gegenüber den Vorteil, das sie in dieser Besetzung, vielleicht mit ein, zwei Änderungen, schon länger zusammenspielen. Man merkt, dass alles automatisiert ist."

Dazu, erzählte er vor dem Pokalsieg seiner Elf, habe Lyon etwas, was die Mannschaft über Frankreichs viel gerühmte, bislang aber titellose Nationalelf erhebt: Olympique habe dank seiner internationalen Besetzung auch den offensiven Punch, der der oft noch zu verspielten französischen Nationalelf fehlt.

Vergangenes Wochenende haben nun drei Topspielerinnen angekündigt, Lyon zu verlassen: Stürmerin Lotta Schelin, 32, Symbol des Aufstiegs, kehrt nach Schweden zurück, wo sich ihr alter Verein aus Göteborg um sie bemüht. Mittelfeldspielerin Amandine Henry, 26, sucht bei den Portland Thorns in den USA eine neue Herausforderung. Spielmacherin Louisa Necib, 29, will noch das Olympiaturnier spielen und dann wohl die Karriere beenden, Frankfurts Dzsenifer Marozsan soll sie ersetzen. Davor will Lyon dem Trio in Reggio Emilia einen rauschenden Abschied bereiten, möglichst mit dem Titel. Doch auch Wolfsburg geht selbstbewusst in das Duell: In Kellermanns Ära hat der VfL keines seiner fünf Endspiele verloren. Er ist eben vorbereitet.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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