Frau im American Football:Coach Welter drillt die Kolosse

Jen Welter

Jen Welter beim Training der Arizona Cardinals.

(Foto: Matt York/AP)
  • Im American Football dominiert normalerweise das Testosteron, doch mit Jen Welter trainiert erstmals eine Frau ein NFL-Team.
  • Im US-Sport deuten sich weitreichende Veränderungen an.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Jennifer Welter ist eine Expertin in dem, was sie da tut. Sie hat während ihrer 14 Jahre dauernden Karriere als Spielerin vier amerikanische Meisterschaften und zwei WM-Titel gewonnen, sie hat am renommierten Boston College Sportpsychologie studiert und an der (nicht so renommierten) Capella University im Fach Psychologie promoviert.

Sie hat als Trainerin beim Profiklub Texas Revolution in der Indoor Football League gearbeitet. Ja, Jennifer Welter kennt sich aus in diesem Sport, der American Football heißt. Aus diesem Grund hat der NFL-Klub Arizona Cardinals sie kürzlich verpflichtet - kein Wunder bei diesem beeindruckenden Lebenslauf. Eigentlich.

"Sie ist ziemlich cool, sie kann aber auch ziemlich streng sein", sagt Verteidiger Sean Weatherspoon: "Ich habe mich einmal mit einem Kollegen über einen vergangenen Spielzug unterhalten und damit die Ansage verpasst. Sie war sofort da, hat meinen Fehler bemerkt und gerufen: 'Konzentrier' Dich!' Ich habe außerdem ein paar Spiele von ihr im Internet gesehen, sie war ziemlich aggressiv und hart im Nehmen."

"Ich bin nicht hier, weil ich eine Frau bin"

Die Verpflichtung von Welter, 37, sollte eigentlich keine große Sache sein, zumal es sich dabei nicht um eine Vollzeit-Anstellung handelt - sie ist die Praktikantin des Assistenztrainers, der sich um die Linebacker kümmert, das Praktikum ist auf das Trainingscamp und die Saisonvorbereitung begrenzt. Am 10. September beginnt die 96. Spielzeit der National Football League (NFL). Wenn die Cardinals drei Tage später im eigenen Stadion gegen die New Orleans Saints antreten, dann wird Welter nicht an der Seitenlinie stehen.

Warum also die Aufregung? Nun, dem aufmerksamen Leser dürfte nicht entgangen sein, dass es sich bei Welter um eine Frau handelt, die derzeit 150-Kilogramm-Brocken über den Trainingsplatz scheucht. Sie ist die erste Trainerin in dieser Liga, die immerhin schon seit 1920 existiert. Dass sie nur Teilzeit-Praktikantin ist, stört bei der offensiven Vermarktung weder die NFL noch Welter: "Football wurde oftmals als letzte Grenze für Frauen im Sport gesehen - also spricht es Bände, wenn ein Verein nun eine Frau als Trainerin verpflichtet", sagt Welter: "Ich bin nicht hier, weil ich eine Frau bin. Ich bin hier als Coach."

Gratulation vom Vize-Präsidenten

So differenziert, wie Welter den Vorgang betrachtet, waren die Reaktionen auf ihre Anstellung freilich nicht. Es gab die üblichen Proteste im Internet, das Spektrum bewegte sich von geschmacklosen Witzen über sexistische Sprüche bis hin zu Menschen, die den Niedergang der Liga prognostizierten oder gar das Ende des Abendlandes gekommen sahen. "Die Unterstützung war dennoch grandios", sagt Welter: "Ich wurde vom Time Magazine interviewt und selbst Vizepräsident Joe Biden hat mir gratuliert."

Es scheint sich ein Paradigmenwechsel in den von Testosteron durchtränkten amerikanischen Sportligen anzudeuten: Der Basketballverein Sacramento Kings verpflichtete kürzlich Nancy Lieberman als Assistenztrainerin, Becky Hammond führte die San Antonio Spurs in der Sommerliga der NBA zum Gesamtsieg - sie ist bereits seit der vergangenen Saison die Co-Trainerin von Chefcoach Gregg Popovich. "Ich bin eine Frau in einer Männerwelt", sagt Lieberman: "Das ist eine neue Generation von Männern."

Die NFL kann positive Nachrichten gut gebrauchen

Nun, diese neue Generation von Männern sorgte in der NFL in den vergangenen Jahren noch immer für negative Schlagzeilen: Ray Rice prügelte seine damalige Verlobte (und mittlerweile Ehefrau) Janay bis zur Bewusstlosigkeit und schleppte sie dann wie einen Müllsack aus dem Aufzug. Ray McDonald hat seine ehemalige Freundin angegriffen, vor einigen Jahren war er bereits wegen sexueller Nötigung belangt worden. Greg Hardy würgte eine Frau und drohte, sie zu töten - danach warf er sie gegen einen Waffenschrank.

Gerade die NFL kann derzeit positive Nachrichten dringend gebrauchen, wohl deshalb schlachtet sie die Verpflichtung von Welter aus, so gut es geht. Freilich ist Welter eine Pionierin, die sich die Anstellung redlich verdient hat und Türen öffnen könnte für andere Frauen, die eine ähnliche Profession anstreben. Die NFL jedoch missbraucht dieses Praktikum als feministisches Feigenblatt, das nun so positioniert wird, dass es die noch immer gravierenden Probleme dieser Liga möglichst verdeckt.

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