Frankreich vor der EM:Die Équipe hängt schief in der Luft

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Der omnipräsente Paul Pogba mit seinen Kollegen von der französischen Équipe tricolore

(Foto: AFP)

Vor dem EM-Eröffnungsspiel gegen Rumänien wirkt die französische Mannschaft wie eine Wundertüte. Doch am Willen fehlt es nicht: Paul Pogba verspricht den Titel.

Von Thomas Hummel, Paris

Paul Pogba im Interview mit der Zeitung Le Monde. Paul Pogba im Interview mit der Sportzeitung L'Equipe. Paul Pogba auf der Internet-Startseite der Uefa. Paul Pogba hier und dort und überall. Am Tag des Eröffnungsspiels der Fußball-Europameisterschaft ist der Mittelfeldspieler in Frankreich omnipräsent.

Er soll nichts weniger tun als die Franzosen zum Titel führen. 1984 und 1998 feierten die Menschen jeweils den Triumph bei einem Heim-Turnier, die Anführer hießen Michel Platini und Zinédine Zidane. Jetzt soll Paul Pogba die Nation beglücken. Mit seinem Talent ist der Spieler von Juventus Turin seit Jahren das große Versprechen im französischen Fußball, nun soll er es einlösen.

Und sagt er es nicht selbst? Das Ziel sei der Titel, die Mannschaft komme nicht zur EM, um im Halbfinale auszuscheiden. "Ich habe am 10. Juli (Tag des Finals, Anm.d.Red) eine Verabredung mit dem französischen Volk. Und nicht nur das: Ich möchte es glücklich machen und den Pokal gewinnen." An diesem Freitag beginnt seine Mission mit dem Eröffnungsspiel gegen Rumänien um 21 Uhr im Stade de France.

Sagenhafte Summen für die Krake

Paul Pogba hat alle Fähigkeiten, sein Fußballvolk zu beglücken. Seit Jahren schwärmt die Welt von seiner Technik, seiner Schnelligkeit, seinem Raumgefühl und seiner enormen Athletik. Wegen seiner langen Arme und Beine nennen sie ihn in Italien Il polpo, die Krake. Ständig ist von sagenhaften Summen die Rede, mit denen ihn die ganz großen Klubs aus Turin weglotsen wollen. Und doch bleibt ein Restzweifel vor dieser EM. Eine kleine Unsicherheit. Ist er mit 23 Jahren bereits reif, eine Mannschaft zu einem großen Titel zu führen?

Dieser Zweifel betrifft nicht nur Pogba, er steht für die gesamte französische Mannschaft. Sie ist eine Art Vision, sie regt die Phantasie an mit ihren außergewöhnlichen Talenten. Doch viele Spieler sind jung oder unerfahren. Und keiner ist im Verein ein Anführer, ein Kapitän. Einer, der den Takt vorgibt. In Deutschland würde eine Führungsspieler-Debatte tosen. Ob Trainer Didier Deschamps, der große Denker im Mittelfeld bei den Siegen bei der EM 1998 und der EM 2000, seinen eigenen Nachfolger finden wird?

Bis dahin hängt seine Équipe ein wenig schief in der Luft. Der hintere Mannschaftsteil besteht durchwegs aus erfahrenen Profis, die jedoch nicht den allerhöchsten Ansprüchen genügen. Nach den Ausfällen von Mathieu Debuchy (verletzt), Raphael Varane (verletzt) und Mamadou Sakho (wegen Dopings nicht dabei) musste Deschamps im Vergleich zur WM 2014 eine völlig neue Abwehr suchen. Deschamps erzählte, er habe im Trainingslager fast nichts anderes getan, als die defensive Ordnung einzustudieren.

Frankreich will mutig spielen

Helfen soll dabei die Entdeckung des Jahres: N'golo Kanté, Sensationsmeister mit Leicester City. Er soll im Mittelfeld-Zentrum die Abwehr schützen und gleichzeitig Pogba und Blaise Matuidi von Paris Saint-Germain im Aufbauspiel unterstützen. Dabei wollen die Franzosen keinesfalls den Ballbesitzfußball der Spanier oder Deutschen kopieren.

Deschamps erklärt: "Ich glaube, ich habe kein Team, dass sich Zeit nimmt und um den Gegner herumspielt, sondern wir bevorzugen das gerade Spiel nach vorne mit mutigen Pässe, auch wenn mal einer nicht klappt." Ist der Ball erst einmal vorne, liegen die Probleme eindeutig beim Gegner.

"Wir werden in der Lage sein, viele Tore zu erzielen"

Antoine Griezmann, Olivier Giroud vom FC Arsenal, der bei West Ham United aufgeblühte Dimitri Payet, dazu auf der Ersatzbank 80-Millionen-Mann Anthony Martial von Manchester United, Bayern-Angreifer Kingsley Coman und der Abschluss-Stürmer André-Pierre Gignac - trotz des Rauswurfes von Real-Madrid-Stürmer Karim Benzema hat wohl keine Mannschaft in dieser EM eine bessere Offensive. "Wir werden in der Lage sein, viele Tore zu erzielen und den Gegnern weh zu tun", kündigte Deschamps an.

Am Willen und am Selbstbewusstsein wird der Auftrag Titelgewinn jedenfalls nicht scheitern. "Mir gefällt es nicht, die Nummer zwei zu sein." Sagt Paul Pogba. Und solle ihm keinesfalls als Arroganz ausgelegt werden. Er wolle schlicht der Beste sein. Den Gipfel erreichen. Omnipräsent ist er ja schon.

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