Frankreich:Payets Power

Frankreich: Wenn Dimitri Payet sich freut, sind nicht einmal die Eckfahnen vor ihm sicher.

Wenn Dimitri Payet sich freut, sind nicht einmal die Eckfahnen vor ihm sicher.

(Foto: Anne-Christine Poujoulat/AFP)

Frankreichs Offensivspieler ist die erste Attraktion und die Entdeckung des Turniers - mit 29 Jahren. Didier Deschamps entschied sich erst im März für eine Nominierung.

Von Peter M. Birrer, Lille

Er breitet die Arme aus und genießt. Wieder bekommt er am meisten Applaus, wieder gehört ihm die Aufmerksamkeit, weil ihm Entscheidendes gelungen ist. Nicht Paul Pogba ist bei Frankreich nach den ersten zwei Spielen der EM der Mann des Moments, auch nicht Antoine Griezmann, nein, es ist: Dimitri Payet.

Ein brillantes siegbringendes Tor zum Auftakt gegen Rumänien, dann noch das 2:0 gegen Albanien: Auf einmal ist er der Gefeierte, für France Football ist er gar ein "Geschenk des Himmels". Dabei ist Payet kein Jungstar mehr, sondern 29; und wer hätte vor ein paar Jahren geglaubt, dass der Mann aus La Réunion, von der Insel im Indischen Ozean, als Nationalspieler überragen würde?

Seine Fähigkeiten waren früh erkennbar, das schon. Er hatte Power mit dem Ball am Fuß. "Aber tendenziell war er bequem", sagt Alain Perrin, sein früherer Trainer bei Saint-­Étienne, "er gönnte sich gern eine Pause. Und seinen Leistungen mangelte es an Konstanz." Das Talent brauchte den ständigen Antrieb, das stellte auch Rudi Garcia in Lille fest. "Und wenn es nicht lief, wie er sich das vorstellte", erinnert sich der Coach, "schottete er sich ab."

Bielsas Einfluss und die Coolness von Deschamps

Payets Glück war, dass er dann in Marseille, wo er von 2013 bis 2015 spielte, Marcelo Bielsa kennenlernte, den gnadenlosen argentinischen Trainer. Er brachte dem Offensivspieler Professionalität bei, "er sorgte dafür, dass es beim mir 'klick' gemacht hat", wie Payet selbst sagt. Er legte seinen Hang zur Nonchalance ab, lernte, sich nicht mehr entmutigen zu lassen. Was nicht heißt, dass er alles einfach kommentarlos hinnahm. Nach seinem Wechsel zu West Ham im vergangenen Sommer verzichtete Nationaltrainer Didier Deschamps vorübergehend auf ihn. Payet fasste das als Beleidigung auf. "Das ist ungerecht", klagte er in L'Équipe, er habe doch sein bestes Niveau erreicht.

Deschamps wiederum fasste das nicht als Angriff auf, sondern antwortete cool: "Jeder darf sagen, was er will. Ich erkläre dem Spieler, was ich von ihm verlange. Dann liegt es an ihm, ob er es verstehen will oder nicht. Und am Ende entscheide ich über eine Nominierung." Im März berief er Payet wieder. Und gab ihm schließlich einen Platz im 23­-Mann-­Kader für die EM.

Neun Tore in 30 Premier-­League-­Partien hat Payet in dieser Saison für West Ham erzielt, in der Gunst der Anhänger steht er weit oben. "Er ist besser als Zidane", singen sie über einen, der das Vertrauen von den Kollegen und dem Trainer spüren muss, um sein Potenzial auszuschöpfen. Der Mann, der pro Jahr mehr als acht Millionen Euro verdienen soll, gehört für Rudi Garcia zu einer besonderen Spielerkategorie: "Er ist einer, der sich nicht scheut, Verantwortung zu übernehmen. Er kann in jeder Situation den Mitspielern signalisieren: 'Gebt mir den Ball ruhig, ich kümmere mich um den Rest.'"

Das macht Frankreich Hoffnung. Wenn Pogba oder Griezmann Mühe haben, ist Payet da. Er ist trotz seines Alters ein erfrischendes Element. Oder wie es Serge Le Dizet, sein einstiger Ausbilder bei Nantes, zusammenfasst: "Dimitri ist im Nationalteam noch völlig unverbraucht."

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