Frankreich gegen Spanien in der WM-Qualifikation:Elefantentreffen auf dem Weg zur WM

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Zusammen sind sie die erfolgreichsten Fußball-Nationen der vergangenen 14 Jahre. Doch die Rivalität zwischen Spanien und Frankreich treibt skurrile Blüten. Diesmal geht es immerhin um Handfestes: Nur einer qualifiziert sich direkt für die WM 2014.

Oliver Meiler

Alte Rivalitäten im Fußball, gerade zwischen Nachbarländern, weisen oft locker über den Sport hinaus. Beim Klassiker zwischen Spanien und Frankreich, zwischen La Roja und Les Bleus, der am Dienstagabend im Stadion Vicente Calderón von Madrid schon zum 32. Mal aufgeführt wird, sind die Erinnerungen so wach, dass sie leicht Bücher füllen würden, mit gesellschaftlichen, politischen, philosophischen Betrachtungen. Man krittelt sich die sportliche Fehde so zurecht, dass darin auch ferne Kriege und verpflanzte Königshäuser eine Rolle spielen. Alles muss irgendwie rein - für das Pathos.

Der Franzose Franck Ribéry (links) und David Silva kämpfen um den Ball. (Foto: dapd)

Genährt wird das Pathos mit jedem Spiel neu. Meist passiert das bei großen Turnieren. Diesmal aber, so wollte es die Auslosung, begegnen sich die beiden erfolgreichsten Fußballnationen der letzten 14 Jahre, die es seit 1998 zusammen auf fünf von möglichen acht Europa- und Weltmeistertiteln brachten, bereits in der Qualifikation zur WM 2014, in der Gruppenphase. Nur der Erste fährt sicher nach Brasilien. Der Zweite muss in die Relegation. Das ist umso kurioser, als es sein kann, dass dieses frühe Scheitern den Weltmeister ereilt: Spanien. Es wäre eine Premiere. Ihre ersten zwei Spiele haben die beiden Mannschaften gewonnen. Und so hat also auch dieser erste direkte Showdown das Potenzial, zum Fall für die Geschichtsschreiber zu werden. Man spürt es an der Anspannung.

Die französische Sportzeitung L'Équipe legte am Wochenende ein Sonderheft zum Duell bei, das sie mit einem maliziösen Leitartikel eröffnete: "Wir brauchen nicht neidisch sein auf Spanien", schreibt einer der Chefredakteure, "das Land steckt in der Rezession, hat eine Rekordarbeitslosigkeit von 25 Prozent, jede Woche Massendemonstrationen, eine geplatzte Immobilienblase und einen König, der nicht einmal Elefanten jagen kann, ohne sich dabei weh zu tun." Dann schwenkt der Autor, recht unelegant, rüber zum Sport, zu den Dopingvorwürfen, zur mageren Bilanz der Spanier bei Olympia in London, zu den Schuldenbergen der spanischen Vereine - eine einzige Abrechnung. Man liest wenig von der technischen Brillanz, die Spaniens Elf auf dem Rasen auszeichnet.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Franzosen ihren Frust über die sportlichen Erfolge des "Cousins" im Süden mit Tiraden zu stillen suchen. Vor einem Jahr sorgte der frühere Tennisspieler Yannick Noah für Wirbel, als er in einer Kolumne in Le Monde den spanischen Sportlern recht pauschal vorwarf, zum "Zaubertrank" zu greifen.

Als danach die TV-Satiresendung "Les Guignols de l'Info", eine Art Puppentheater, den Tennisspieler Rafael Nadal, den Radfahrer Alberto Contador und den Torwart Iker Casillas grobschlächtig als angebliche Dopingsünder auf die Schippe nahm, fühlte sich gar Spaniens Premier zum Protest gedrängt. Der französische Botschafter in Madrid wurde zum spanischen Sportminister zitiert. Die diplomatische Aufregung über die Satire war ihrerseits Satire erster Güte. Frankreich gegen Spanien, dieses Duell weckt zuweilen überrissene Gefühle.

Da hebt sich der Realismus von Didier Deschamps wohltuend ab. Der neue Coach der Franzosen hat von seinen Vorgängern Raymond Domenech und Laurent Blanc die schwierige Aufgabe geerbt, aus einer undisziplinierten Solisten-Truppe ein Team mit Sympathiepotenzial zu bilden. Die Franzosen haben sich von ihrer Elf vorübergehend entliebt. Und da die Popularität meist über Erfolge führt, käme ein Sieg in Madrid zupass. Doch "DD", wie sie Deschamps nennen, hat Mühe, den Seinen den Glauben ans Siegen einzureden: "Ich muss meine Mannschaft davon überzeugen", sagte er Marca, "dass wir nicht nach Spanien fahren, um zu verlieren." Selbstvertrauen hört sich anders an. Am vergangenen Freitag verloren die Franzosen in Paris ein Freundschaftsspiel gegen Japan 0:1.

Fernsehübertragung dank französischer Großzügigkeit

Vicente del Bosque hat das umgekehrte Problem. Dennoch scheint es dem spanischen Coach noch immer zu gelingen, sein Team, das alles gewonnen hat und die Elogen der Fußballwelt mittlerweile recht reflexartig abnickt, immer neu zu motivieren. Sein Reservoir an spielfertigem, hungrigem Personal ist so groß, dass sich die selten Berufenen richtig ins Zeug legen, um ihre Chance zu nutzen. Gegen Weißrussland ließ del Bosque wieder mal von Beginn an mit einem echten Stürmer spielen, mit Pedro vom FC Barcelona nämlich, der beim 4:0 gleich drei Tore erzielte.

In Spanien hätte man Pedros feine Leistung gerne gesehen. Doch in der Krise mochte sich kein Fernsehsender, weder ein öffentlicher noch ein privater, die Übertragungsrechte leisten. Auch zum Spottpreis nicht. Der deutsche Vermarkter Sportfive versuchte dann, über die Audiorechte einen Teil seines Ausfalls zu kompensieren: Laut spanischen Medien soll die Agentur von allen fünf spanischen Radiosendern, die ihre Leute für die Liveübertragung nach Minsk entsandt hatten, 25 000 Euro für den Ton aus dem Stadion verlangt haben. Das wollten die Radios nicht bezahlen. Und so kam es, dass die Entsandten die Spiele in ihren Hotelzimmern in Minsk kommentierten - vor dem Fernseher sitzend, zweites Programm Belarus 2.

Das Auswärtsspiel im März in Paris werden die Spanier wieder einmal auf TVE zu sehen bekommen, ihrem krisengeschüttelten Staatsfernsehen, das aus finanziellen Gründen eigentlich nur noch die Heimspiele zeigen will. Und kann. Die Ausnahme ist offenbar einem generösen Abkommen mit dem französischen Privatsender TF1 zu verdanken. Man stellt sich auch schlecht vor, dass dieser Klassiker nicht ins spanische Fernsehprogramm findet. Es geht ja um die Fortschreibung einer Geschichte mit viel Geschichte.

© SZ vom 16.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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