Frankreich besiegt den DFB:Mit den Mitteln des Vorbilds

Die deutsche Auswahl verliert das erste Länderspiel des EM-Jahres 1:2 gegen extrem engagierte Franzosen. Dabei spielen die Gäste so, wie man es sonst von der DFB-Elf gewohnt ist: Schnell, druckvoll und technisch anspruchsvoll. Joachim Löws Experimente mit dem Abwehrduo Hummels und Badstuber sowie Marco Reus im offensiven Mittelfeld gehen nicht auf.

Für die Abergläubischen unter den deutschen Fans hatte das Spiel ja schon mit einem etwas bedenklichen Anblick begonnen. In grünen Trikots lief die Nationalelf auf. Beim bis dahin letzten Mal, als eine deutsche Nationalelf in einem Spiel in grünen Trikots aufgelaufen war, hatte es noch einen Libero namens Lothar Matthäus gegeben und der Trainer Erich Ribbeck geheißen - es war bei der EM 2000, als die DFB-Elf gegen England mit 0:1 unterlag.

Deutschland - Frankreich

Der zweite Treffer für Frankreich: Florent Malouda überwindet Tim Wiese zum 0:2.

(Foto: dapd)

So schlimm wie in den Rumpelfußball-Jahren wurde es nicht, natürlich nicht. Aber so gut wie in den vergangenen Partien präsentierte sich die Elf von Joachim Löw im ersten Länderspiel des EM-Jahres auch nicht - sie unterlag starken Franzosen 1:2 (0:1). "Ich ärgere mich ein bisschen, wie wir das verloren haben", sagte Löw. "Frankreich war uns vor allem in der zweiten Hälfte fußballerisch überlegen."

Dabei war im Bremer Weserstadion zunächst nicht nur die Trikotfarbe des deutschen Teams ungewohnt, sondern auch die Aufstellung. Denn Löw hatte eine Mannschaft nominiert, die mit der Startelf beim ersten EM-Spiel gegen Portugal ungefähr so viel zu tun hat wie die Spielweise der aktuellen DFB-Elf mit der aus dem Jahre 2000.

Zum Teil war Löw dazu gezwungen gewesen, weil mit Lahm, Schweinsteiger, Podolski, Götze und Mertesacker gleich fünf wichtige Spieler verletzt fehlten; zum Teil war es aber auch seine eigene Entscheidung, weil er für die beiden eigentlich fitten Stammkräfte Manuel Neuer und Thomas Müller Bremens Tim Wiese im Tor sowie Gladbachs Marco Reus im rechten offensiven Mittelfeld brachte. Und zudem ersparte er Schalkes Benedikt Höwedes das zweite Aufeinandertreffen mit Franck Ribéry binnen weniger Tage und ließ Jérôme Boateng als Rechtsverteidiger spielen.

Es lag auch an diesen Umstellungen, dass die Franzosen den besseren Start erwischten. Ihre erste Chance resultierte zwar aus einer Standardsituation, als Yohan Cabayes Kopfball nach einer Ecke von Mathieu Valbuena die erste Parade von Wiese erzwang (16.). Doch ansonsten schien es, als habe die Mannschaft die "Deutschland ist mein Vorbild"-Äußerung ihres Trainers Laurent Blanc deutlich vernommen und versuche sie, den ansonsten von Joachim Löw favorisierten Stil zu kopieren: gut organisiert, teilweise mit forschem Pressing und im Fall der Balleroberung mit schnellen Pässen nach vorne.

Und genau mit einem solchen Angriff gingen die Gäste auch in Führung. Nach einem Pass von Valbuena überlief Mathieu Debuchy auf der rechten französischen Angriffsseite Dennis Aogo, der kurzzeitig so behäbig wirkte, als wäre er Linksverteidiger der deutschen Elf von 2000, und bediente in der Mitte Olivier Giroud, der durch die Beine von Tim Wiese zum 1:0 einschoss (21.).

Die deutsche Mannschaft ließ sich allerdings von dem Rückstand nicht irritieren, im Gegenteil: Sie hatte in der Folgezeit ihre beste Phase der Partie und erspielte sich einige gute Chancen. Erst tauchte Miroslav Klose völlig frei vor Frankreichs Torwart Hugo Lloris auf, schoss diesen aber nur an (33.). Keine 60 Sekunden später köpfte Innenverteidiger Holger Badstuber aus kurzer Entfernung und spitzem Winkel an den Pfosten.

Schürrles Nasenverletzung

In der 41. Minute kam Klose nach einer schönen Kombination von Özil und Khedira zu seiner nächsten Chance, und in der Nachspielzeit der ersten Hälfte versuchte es Özil mit einem Schuss aus etwa 20 Metern.

Doch in dieser Phase gab es die nächste schlechte Nachricht: André Schürrle musste gegen Thomas Müller ausgewechselt werden, nachdem er an der Mittellinie den Ellenbogen von Debuchy ins Gesicht bekommen hatte. Zum Glück für den Offensivspieler und seinen Verein Bayer Leverkusen bestätigte sich der Verdacht auf Nasenbeinbruch aber nicht. Schürrle erlitt lediglich eine Knorpelverletzung am Nasenbein - am Samstag gegen den FC Bayern soll er wieder spielen können. "Ich habe leichten Druck auf der Nase, ich hoffe, dass es am Wochenende wieder geht", sagte Schürrle.

Nach dem Seitenwechsel behielt die deutsche Elf zwar ihre grünen Trikots an, entfernte sie sich aber noch weiter von der voraussichtlichen EM-Aufstellung. Löw nahm die mutmaßlich Gesetzten Badstuber und Klose heraus und brachte dafür Benedikt Höwedes und Mario Gomez. Unmittelbar zu Beginn der zweiten Hälfte sah es noch so aus, als könnten die Deutschen ihren Vorpausenschwung fortsetzen - doch schon bald ging im Spiel nach vorne die Ballsicherheit verloren und schlichen sich in der Defensive Unkonzentriertheiten ein.

"Die Abstände zwischen Mittelfeld und Abwehr waren zu groß", sagte Bundestrainer Löw, was Thomas Müller noch etwas harscher ausdrückte: "Man darf das Spiel nicht überbewerten, aber wir müssen uns schon fragen, warum wir so leichtfertig gespielt haben. Wir haben nach hinten zu wenig gemacht. Das war ein bisschen undiszipliniert."

Die Franzosen hingegen, die extrem engagiert und giftig in den Zweikämpfen spielten, dominierten die Partie zusehends und kamen in der 69. Minute zum verdienten 2:0. Nach Debuchys Flanke von der rechten Seite nutzte Florent Malouda die unübersichtliche Situation im Fünfmeterraum von Tim Wiese. Dieser Abend habe ihm "ein paar Erkenntnisse gebracht", sagte Löw - darunter war sicherlich auch, dass beide Gegentreffer über die Seite von Dennis Aogo vorbereitet worden waren.

Der Bundestrainer brachte noch Cacau und Lars Bender, doch die Deutschen fanden den Spielfluss nicht mehr. Dafür hatten sie in der Schlussphase Glück, dass der eingewechselte Louis Saha bei einem Tor Abseits stand (82.) - und immerhin gelang Cacau in der Nachspielzeit noch der Treffer zum 1:2.

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