Frankfurt:Und jetzt zum Kardiologen

Der Relegation sei Dank: Heribert Bruchhagen übergibt die Frankfurter Eintracht seinem Nachfolger Fredi Bobic als Erstligist.

Von Markus Schäflein, Nürnberg

Haris Seferovic hob die Ereignisse gleich auf die ganz hohe Ebene. "Es gibt doch einen Gott", schlussfolgerte der Stürmer aus dem 1:0 (0:0) der Frankfurter Eintracht im Relegations-Rückspiel beim 1. FC Nürnberg, das nach dem 1:1 in der ersten Partie den Klassenverbleib bedeutete. Und zwar deshalb: "Die bessere Mannschaft hat gewonnen."

Nicht immer in der Fußballhistorie hat der Fußballgott dafür gesorgt, diesmal aber schon - das mochten nicht einmal die offensiv erschreckend limitierten Nürnberger anzweifeln. Seferovics Euphorie gründete auch in seiner persönlichen Geschichte: Er war es schließlich gewesen, der Gerechtigkeit walten ließ, indem er den Ball ins Tor drückte (66.), nachdem sich Mijat Gacinovic gegen Miso Brecko durchgesetzt und flach in die Mitte gepasst hatte. Zwei Partien, in denen die Frankfurter gespielt und die Nürnberger verteidigt hatten, mündeten also doch noch in einen Erlösungsmoment.

(Etwas dezenter fiel die Freude bei Marc Stendera aus: Der Frankfurter zog sich einen Kreuz- und Aussenmeniskussriss im linken Knie zu und muss mindestens sechs Monate pausieren.

) Seferovic hatte bei Eintracht Frankfurt als eine der größten Enttäuschungen der Saison gegolten, was einiges heißen mag in einer Saison, die lange selbst eine einzige Enttäuschung war. Nur drei Tore hatte der 24-jährige Schweizer Nationalstürmer erzielt, seit dem 14. Spieltag hatte er überhaupt nicht mehr getroffen. Aufgrund zahlreicher Verunglimpfungen löschte er sogar sein Facebook- Profil. "Er ist ein Spieler, der natürlich polarisiert, aber ein Spieler, mit dem ich persönlich - in Anführungszeichen - in den Krieg ziehe", sagte Trainer Niko Kovac. "Er schaut immer wieder komisch aus auf dem Platz, wenn er abwinkt oder nicht hinterherläuft, aber er hat hart gearbeitet in den letzten Wochen."

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Der Treffer, der Frankfurt in der ersten Liga hält: Haris Seferovic (im weißen Trikot) bringt im richtigen Moment den Fuß an den Ball.

(Foto: Jan Huebner/Imago)

Wo er schon mal beim Loben war, ließ Kovac auch den Vorlagengeber und Hinspiel-Torschützen Gacinovic nicht unerwähnt. Der 21-Jährige, der mit der U 20 Serbiens 2015 Weltmeister wurde, war zu Saisonbeginn von Vojvodina Novi Sad gekommen und spielte in der gesamten Bundesliga-Saison nur 327 Minuten - zwischenzeitlich warf ihn Pfeiffersches Drüsenfieber zurück. "Ihn hatte wahrscheinlich keiner auf der Rechnung", sagte Kovac, "urplötzlich war er da und hat ein Tor gemacht und eines aufgelegt." Für den Trainer war es keine Überraschung: Gacinovic sei "ein Juwel", meinte er, mit dem die Eintracht noch "viel Spaß" haben werde. Dass er auf Gacinovic und Änis Ben-Hatira gesetzt hatte, während Stefan Aigner auf die Bank versetzt worden war, erklärte Kovac so: "Der Club hat die Räume eng gemacht, und wenn es eng ist, braucht man technisch sehr starke Spieler, die in die Halbräume kommen, wo sie Eins-gegen-eins-Situationen lösen können." Der Plan war aufgegangen.

Und dann forderte Kovac in der Pressekonferenz mal so nebenbei, obwohl seine Mannschaft aus dem ganzen Zirkus als strahlender Sieger hervorgegangen war, die Abschaffung der Relegation. "Ich bin glücklich, aber glauben Sie mir: Morgen gehe ich zum Kardiologen", sagte er. "Die Relegationsspiele sind vielleicht fürs Fernsehen sehr angenehm, weil sie Quoten bringen, fußballerisch sind sie vielleicht nicht so toll, aber was die Trainer erleiden, das geht ins Unermessliche. Ich wünsche mir, dass das beendet wird."

Dreimal Nürnberg - Relegation zur Bundesliga seit 2009

2009 Energie Cottbus - 1. FC Nürnberg 0:3/0:2

2010 1. FC Nürnberg - FC Augsburg 1:0/2:0

2011 Mönchengladbach - Bochum 1:0/1:1

2012 Hertha BSC - Fortuna Düsseldorf 1:2/2:2

2013 Hoffenheim - Kaiserslautern 3:1/2:1

2014 Hamburger SV - Greuther Fürth 0:0/1:1

2015 Hamburger SV - Karlsruhe 1:1/n.V. 2:1

2016 Eintracht Frankfurt - 1. FC Nürnberg 1:1/1:0

Ein Frankfurter Abstieg? "Wäre ungerecht gewesen!"

Wäre noch die alte Regel mit drei Fest-Absteigern gültig, wäre allerdings die Eintracht ab- und der 1. FC Nürnberg aufgestiegen, so dass man eher beim Club Wut über die Entscheidungsspiele vermutet hätte. Dessen Trainer René Weiler meinte allerdings nur: "Die Diskussion bringt doch jetzt nichts." Er referierte lieber noch eine Weile über den unstrittigen Qualitätsunterschied, der dazu geführt hatte, dass Nürnberg in Hin- und Rückspiel trotz unbestrittenen Einsatzwillens letztlich keine einzige richtige Torchance verzeichnete.

Auch aufgrund dieses Qualitätsunterschieds durfte Heribert Bruchhagen, der scheidende Vorstandschef der Eintracht, einen letzten großen Moment genießen. Ungewohnt euphorisch jubelte er vor dem Fanblock, ballte die Fäuste, umarmte den Trainer und die Spieler, anschließend lief er versonnen über den Platz und genoss den Moment. "Ich bin total glücklich. Nach 13 Jahren Eintracht Frankfurt, und unterm Strich waren es glückliche Jahre, wäre es aus meiner Sicht fatal gewesen, wenn man einen Zweitligisten übergeben hätte. Es wäre auch ungerecht gewesen", sagte Bruchhagen und erklärte, er wolle nun die "Geschäfte kurzfristig übergeben". Sein Nachfolger wird Fredi Bobic, im Herbst 2014 beim VfB Stuttgart gefeuert. Bobic erwarte "eine schwere Aufgabe", meinte Bruchhagen: "Die Zeiten sind schwieriger geworden für die Eintracht, aber sie ist ein stabiles Gebilde. Mein Wunsch ist, dass sich weiter Euphorie zeigt bei der Eintracht - mit einem Schuss Bescheidenheit." Für Bescheidenheit und Realismus allerdings war in Frankfurt immer Heribert Bruchhagen zuständig.

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