Bundesliga:Frankfurt vs Darmstadt: "Das Fieber ist schon spürbar"

Eintracht Frankfurt v Bayer Leverkusen - Bundesliga

Makoto Hasebe und seine Kollegen sollten sich im Derby lieber keinen Patzer leisten.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Das gab es seit 1982 nicht mehr: Frankfurt trifft im Hessen-Duell endlich wieder auf Darmstadt 98
  • Die Eintracht hat viel mehr zu verlieren als der unbekümmerte Außenseiter.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Rüdiger Fritsch nennt sich selbst ein Kind des Rhein-Main-Gebiets. Geboren in Frankfurt, wohnhaft in Rödermark und nunmehr seit drei Jahren Präsident des SV Darmstadt 98, wo auch seine Söhne dem Ball hinterherjagen. "Es gibt keinen anderen Verein in meinem Herzen", versichert der 54-Jährige. Im Hauptberuf arbeitet Fritsch als Wirtschaftsanwalt in einer Kanzlei in Frankfurt - das Büro befindet sich bezeichnenderweise in der Darmstädter Landstraße.

Und natürlich hat das Oberhaupt des Bundesliga-Aufsteigers häufig mit Geschäftspartnern zu tun, die zu Eintracht Frankfurt halten, "da blüht dann schon der Flachs". Zu Terminen nutzt Fritsch gerne seinen weißen Dienstwagen, auf den der Vereinsslogan ("Wir Lilien - aus Tradition anders") lackiert ist. Fast überwiegend erhält der Darmstädter Präsident positive Reaktionen, "an Ampeln geht oft der Daumen hoch".

33 Jahre später, 32 Kilometer entfernt

Das passt zur Stimmungslage in seinem Verein. Fritsch verspürt immense Vorfreude auf das erste Derby seit mehr als 33 Jahren zwischen Eintracht Frankfurt und Darmstadt 98. "Es ist ein weiterer Beweis dafür, dass wir Bestandteil der Bundesliga geworden sind. Die Fußballfreunde haben sich über Jahrzehnte gewünscht, dass dieses Nachbarschaftsduell wieder zustande kommt." Die beiden Stadien liegen nur 32 Kilometer entfernt, sind - je nach Verkehrslage - in weniger als einer halben Stunde zu erreichen. "Ich freue mich riesig auf die Begegnung, dass es die endlich wieder gibt", beteuert auch Darmstadts Trainer Dirk Schuster.

Über Jahrzehnte hat der gemeine Eintracht-Anhänger nur von oben auf den südhessischen Klub herabgeschaut. Noch vor fünf Jahren - in der Spielzeit 2010/2011 - kickte Darmstadt viertklassig. Mehr als drei Jahrzehnte lang trennte mindestens eine Spielklasse die beiden Vereine. Doch die Rivalität war lediglich verschüttet, nie endgültig begraben. Als es kürzlich zu einer Online-Abstimmung kam, welche Farbe eine neue Autobahnbrücke am Darmstädter Kreuz haben sollte, schalteten sich plötzlich tausendfach Frankfurter Fans ein und sorgen dafür, dass sich die Eintracht-Farbe Rot - statt dem Darmstädter Blau - durchsetzte.

Darmstädter mit unschönen Eintracht-Erinnerungen

Das war deutlich geistreicher als einige von Wirrköpfen verbreitete Plakate und Parolen, die auch den Klub-Verantwortlichen aufstießen. "Hier sind definitiv Grenzen überschritten worden", sagte Fritsch, "diese Auswüchse haben nichts bei einem Derby zu suchen." Ihm sei wichtig, "dass die Bilder von den Litfasssäulen oder aus dem Netz entfernt worden sind". Thema erledigt.

Auch Schuster will auf "Nebenkriegsschauplätze" gar nicht eingehen. "Wir fahren nach Frankfurt, um was Zählbares mitzunehmen. Alles andere blenden wir aus", erklärt der 47-Jährige. 6000 Gästefans sollen sich für die prestigeträchtige Paarung im Frankfurter Stadtwald am Nikolaustag mit Karten eingedeckt haben.

Man kennt sich

Schuster sagte am Freitag zur Stimmungslage in seiner Mannschaft: "Das Fieber ist bei dem einen oder anderen schon ein bisschen spürbar." Denn gleich drei Lilien-Akteure (Marcel Heller, Jan Rosenthal und Dominik Stroh-Engel) erlebten eher unschöne Episoden bei der Eintracht, aber niemand möchte da im Nachhinein schmutzige Wäsche waschen. "Ich habe aus der Zeit viel mitgenommen und viel gelernt", sagt etwa Flügelflitzer Heller. "Frankfurt ist klarer Favorit." Mit der Duckmäuser-Haltung ist die Ansammlung der Abgeschobenen und Ausgestoßenen schon in der vergangenen Zweitliga-Saison ganz weit gekommen.

Aktuell steht der wehrhafte Emporkömmling einen Platz und einen Punkt besser da als der Gastgeber. Schuster interessiert das angeblich nicht: "Es ist wichtig, dass wir im Mai über dem Strich stehen. Ob da die Eintracht vor uns steht oder weit vor uns steht, ist mir relativ egal." Anders als in Frankfurt. Nach der Niederlage beim Nachbarn FSV Mainz (1:2) inklusive gelb-roter Karte für Vereins-Ikone Alex Meier hängt bei der Eintracht der Haussegen gewaltig schief.

Eine Niederlage am Sonntag könnte die Stimmung endgültig zum Kippen bringen, das weiß auch Trainer Armin Veh. Vom Aufbruch, der mit der Rückholaktion des gebürtigen Augsburgers verknüpft war, ist längst keine Rede mehr. Veh hat stattdessen Abstiegskampf bis zum letzten Spieltag angekündigt.

"Darmstadt kann sich mehr auf das Spiel freuen als wir"

Der 54-Jährige spricht jetzt sogar von "einem Hammerspiel", das eingedenk der nächsten Aufgabe bei Borussia Dortmund nicht verloren werden sollte. "Wir wollen schauen, dass sich die Tabelle am Sonntag wieder dreht", sagt der Eintracht-Trainer. "Die Lilien können sich natürlich mehr auf das Spiel freuen als wir. Bei uns ist durch die Tabellensituation der Druck höher." Einfach gesagt: Verlieren ist auch für Veh verboten.

Der Fußballlehrer denkt bislang freilich nicht daran, wie im Vorjahr in Stuttgart von sich aus hinzuwerfen. Der Zwang, in dieser Paarung endlich der "Spirale des Misserfolgs" (Vorstandschef Heribert Bruchhagen) zu entkommen, besteht für Verein, Trainer und Mannschaft. Gegen wen wollen die verunsicherten Frankfurter denn noch gewinnen, wenn nicht gegen den eigentlich limitierten Neuling, fragt sich das Umfeld. Vielfach wird das Bild vom gerupften Adler gezeichnet.

"In der Haut von Armin Veh möchte ich nicht stecken", sagt Lothar Buchmann, der mit fast 80 Jahren wieder zum gefragten Interviewpartner geworden ist. Der frühere Frankfurter Trainer wurde beim bislang letzten Derby zum Buhmann, als die Eintracht am 28. April 1982 mit Ach und Krach mit 2:1 gewann.

Weil Brillenträger Buchmann, der zuvor die Darmstädter Feierabendprofis bis in die Bundesliga geführt hatte, den Torschützen Norbert Nachtweih auswechselte, pfiffen ihn 10.000 Anhänger im alten Waldstadion gnadenlos aus. Hintergrund: Sein Wechsel zur neuen Saison stand bereits fest. Zu Kickers Offenbach. Dem eigentlichen Erzfeind aller Eintracht-Anhänger.

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