Frankfurt besiegt Köln :Berauscht vom Flow

Eintracht Frankfurt - 1. FC Köln

Marius Wolf verdiente sich ein Sonderlob, unter anderem von Kevin Prince Boateng (rechts). Der Flügelspieler bereitete ein Tor vor und erzielte ein weiteres selbst.

(Foto: Thomas Frey/dpa)

Das 4:2 gegen den 1. FC Köln zeigt einmal mehr, warum die Eintracht inzwischen zu den Spitzenteams der Liga gehört. Der Kader ist so breit aufgestellt, dass Trainer Niko Kovac prominentes Personal schonen kann.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Als Fußballprofi von Eintracht Frankfurt kann man sich an die Prozedur durchaus gewöhnen: sich vor der Fankurve aufstellen, in der Reihe an die Hand nehmen, gemeinsam Lieder trällern und irgendwann die Hände zum Himmel werfen. Was die Eintracht-Kicker nach dem DFB-Pokalspiel gegen den FSV Mainz 05 (3:0) in aller Ausgiebigkeit zelebrierten, setzte sich nach der Bundesligapartie gegen den 1. FC Köln (4:2) nahtlos fort. Die Sympathiebekundungen aus der Nordwestkurve der Arena wollten gar nicht enden; und anscheinend schien an diesem kalten Februar-Nachmittag auch niemand zu frieren.

Bruno Hübner, der langjährige Frankfurter Sportdirektor, kam als Erster mit einem breiten Grinsen durch den Kabinengang. "Noch keiner da? Soll ich wieder raus?", fragte der gebürtige Hesse die wartenden Reporter, um dann noch sichtlich berauscht vom "kleinen Flow" zu erzählen, der diese Mannschaft durch die Saison trage. "Jetzt arbeiten wir auch noch daran, eine Heimmacht zu werden."

Tatsächlich war die sehr formidable Entwicklung lange vornehmlich den fleißig auf fremden Plätzen gesammelten Punkten zu verdanken, aber in diesem Jahr werden auch ansprechende Leistungen vor eigenem Publikum zur Regel. Gegen den Tabellenletzten fuhren die Frankfurter einen Sieg ein, "der über 90 Minuten auch in der Höhe verdient war", wie Trainer Niko Kovac sagte. "Wir haben körperliche Präsenz und eine Mentalität gezeigt, die alle Achtung verdient: Die Jungs wissen, was sie können." Und für seine Verhältnisse beinahe euphorisch führte der Deutsch-Kroate noch an: "Diese Mannschaft hat viel Potenzial." Hörte sich fast so an, als wollte der 46-Jährige der Konkurrenz flüstern: Wenn Schalke, Leverkusen oder Dortmund nicht wollen - Frankfurt nimmt gerne den Königsklassen-Platz ein.

Die Frankfurter Bank ist prominent besetzt, trotzdem gibt es keinen Leistungsabfall

Gegen den 1. FC Köln führte die Eintracht neben dem fußballerischen Fortschritt vor allem seine personelle Alternativen vor. War die Bank schon mal prominenter besetzt als mit dem niederländischen EM-Teilnehmer Jetro Willems, dem Schweizer Gelson Fernandes, den mexikanischen Nationalspielern Marco Fabian und Carlos Salcedo, dem serbischen Jungstar Mijat Gacinovic und dem besten Saisontorschützen Sébastien Haller? Trotzdem war kein Leistungsabfall zu bemerken. Bereits nach einer Viertelstunde krönte der unter Kovac aufgeblühte Landsmann Ante Rebic einen mustergültigen Spielzug mit dem 1:0, zu dem die Vorlage von Haller-Vertreter Luka Jovic kam. Der andere Wegbereiter war Nachrücker Danny da Costa.

Der frühere Ingolstädter verdiente sich mit Marius Wolf hinterher eine Sonderlob: Das dynamische Gespann am rechten Frankfurter Flügel sollten die Gäste nie wirklich in den Griff bekommen. Zwar glich Simon Terodde in der besten Kölner Phase per Foulelfmeter noch aus (57.), nachdem sich Schiedsrichter Daniel Siebert auf Intervention des Videoassistenten Robert Kampka selbst am Monitor versicherte, dass Makoto Hasebe innerhalb des Strafraums Terodde gefoult hatte.

Doch dann brach binnen acht Minuten das Unheil über die Kölner herein: Nach Wolf-Freistoß gelang zunächst Marco Russ mit einem feinen Kopfball sein erstes Saisontor (59.), dann tat es ihm Simon Falette mit einem Abstauber gleich (65.), ehe Wolf nach da Costas Vorlage die von den Rheinländern gewährten Freiräume noch ein viertes Mal bestrafte (67.). "Danny und Marius haben sich in einen Rausch gespielt", lobte Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic. Der in der Jugend beim 1. FC Nürnberg ausgebildete und beim TSV 1860 München zum Profi aufgestiegene Wolf erklärte die Gesamtentwicklung so: "Wir verlieren auch bei einem Rückschlag nicht mehr den Faden. Und irgendwann funktioniert, was man im Training immer probiert."

Bobic stellt genüsslich fest: Frankfurt ist mittendrin im "Sammelsurium an Topmannschaften"

Auf der Gegenseite fiel der Effzeh wie ein schlecht errichtetes Kartenhaus in sich zusammen. "Wir haben nicht energisch genug verteidigt - das war dämlich", meinte der Kölner Mittelfeldmann Marco Höger. Und Trainer Stefan Ruthenbeck schimpfte: "Du fragst dich, was ist in den acht Minuten passiert? Defensiv war das nicht gut!" Dass Terodde nach Patzer von Eintracht-Torwart Lukas Hradecky noch ein zweites Mal traf (74.), tröstete nicht einmal den Doppeltorschützen: "Am Ende war es eine verdiente Niederlage. Das müssen wir so schnell wie möglich abhaken."

Während der Effzeh so schnell dem Tabellenkeller nicht entkommt, sind die Frankfurter erneut auf einen Champions-League-Rang geklettert. Und allmählich dämmert ihnen wohl, dass es wenig glaubwürdig wäre, diese Errungenschaft immerfort herunterzureden. Die ominöse 40-Punkte-Floskel benutzte Bobic schon nicht mehr, dafür stellte er genüsslich fest, "dass wir in dem Sammelsurium an Topmannschaften mittendrin sind". Und der Spielplan will es ja so, dass als nächstes wieder ein Heimspiel ansteht: übernächsten Montag gegen RB Leipzig. Für die aktive Frankfurter Fanszene geben Terminansetzung und Brausekonstrukt gleichermaßen Anlass, Unmut auszudrücken: Für den 19. Februar ist ein Stimmungsboykott geplant, der das gesamte Stadion erfassen und die ganze Begegnung anhalten soll. Zum Frankfurter Flow würde das allerdings gerade gar nicht so recht passen.

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