Franck Ribéry vor der Weltfußballer-Wahl:Hier Held, dort Bösewicht

Das Leben von Franck Ribéry ist eine Achterbahn: Heute die Weltfußballer-Wahl, eine Woche später ein Gerichtsverfahren wegen einer Prostituierten-Affäre in Paris. Während er in München gefeiert wird, ist er in Frankreich immer noch sehr unbeliebt. Doch er kämpft weiter, vor allem auf dem Platz.

Von Thomas Hummel

Franck Ribéry ist derzeit viel unterwegs. Vom Trainingslager seines FC Bayern in Doha flog der Franzose nach Zürich zur Weltfußballer-Ehrung des Fifa Ballon d'Or, danach geht es zurück nach München und am kommenden Montag führt ihn sein Weg nach Paris. Zusammen mit sieben anderen Angeklagten muss er sich dort vor Gericht verantworten. Er soll im Jahr 2009 an seinem Geburtstag Sex mit der damals minderjährigen Prostituierten Zahia Dehar gehabt haben. Ribéry bestreitet, das Alter Dehars gekannt zu haben. Die Verhandlung ist bis Donnerstag angesetzt. Am Freitag beginnt dann die Bundesliga-Rückrunde bei Borussia Mönchengladbach.

Es ist, als würde sich für Franck Ribéry binnen der kommenden Wochen das Leben zuspitzen. Hier der Fußball, sein Talent, das in seinem nicht immer leichten Werdegang immer auch ein Fluchtweg war zu Ruhm und Anerkennung. Dort die Schwierigkeiten mit Autoritäten, weil der Junge aus Nordfrankreich eben bisweilen über die Stränge schlug. Hier das Heldenleben in München, dort die Ablehnung in seiner Heimat.

Frank Ribéry hat sich auf dem Platz immer und überall durchgesetzt. Schon in der Jugendabteilung des OSC Lille, die er aber wegen schulischer Probleme verlassen musste. Beim FC Bayern München, in der derzeit besten Mannschaft der Welt, ist Ribéry der wohl beste Spieler. Seine Dribblings, sein Durchsetzungsvermögen, sein Gefühl für die Laufwege seiner Mitspieler - all das macht ihn noch wertvoller als all die anderen Super-super-Spieler. Und er ist auch der beliebteste. Tritt er in der heimischen Arena nach zwei Spielminuten eine Ecke, schallen "Ribéry, Ribéry"-Rufe von den Tribünen.

"Es ist ein großer Titel, wie ein Traum"

An diesem Montag kann er offiziell der Beste werden. Der beste Fußballer der Welt. Falls ihm die Kapitäne und Trainer der Nationalmannschaften und ausgewählte Journalisten mehr Stimmen geben als Cristiano Ronaldo und Lionel Messi, seinen Konkurrenten um den Titel. Dann gewinnt er den Ballon d'Or, den goldenen Ball für den besten Spieler des Jahres. Für einen wie Ribéry, der sein ganzes Leben um Achtung und Respekt kämpfen musste, wäre das das Größte. "Es ist ein großer Titel, wie ein Traum", sagte er. Mit 30 Jahren stünde er ganz oben.

Diese Wahl bewirkt sogar, dass sich Frankreich unter halbwegs positiven Vorzeichen mit seinem berühmten Sohn beschäftigt. Journalisten melden sich in München mit der Frage, was der Grund für Ribérys Popularität in Deutschland sei. Die Zeitung Le Parisien veröffentlicht das Ergebnis einer Umfrage mit der Überschrift: "Die Franzosen erkennen mehrheitlich das Talent von Ribéry an." Man stelle sich allein die Umfrage in Deutschland vor. Absurd! Doch Ribéry und Frankreich, das ist eben eine komplizierte Geschichte.

Geschützt im Bayern-Kokon

Nach seinen Auftritten bei der WM 2006 in Deutschland war der kleine Mann mit der auffälligen Narbe im Gesicht noch sehr beliebt zu Hause. "Le petit Zidane" nannten ihn die Landsleute, fast wäre die Nation mit ihm Weltmeister geworden. Doch das Jahr 2010 veränderte die Verbindung zwischen Fußballer und Land.

Die Affäre rund um das Escortgirl Zahia Dehar thematisierten die Franzosen viel eingehender als die Deutschen. Was auch daran liegen mag, dass der FC Bayern einen Kokon um seinen wertvollen Spieler legte, die rot-weiße Familie nahm Ribéry aus der Öffentlichkeit. Auch als Dank dafür sprach Ribéry im Mai 2010 auf dem Rathausbalkon die rückblickend legendären sechs Worte: "Isch abe gemacht fünf Jahre mehr!" Eigentlich wollte er ja unbedingt zu Real Madrid, doch der schützende Bayern-Kokon stimmte ihn um.

In Frankreich ist die Zahia-Affäre bis heute Thema. Die Geschichte mischt einige heikle Themen zusammen, vor allem: Sex, Geld und Seitensprung eines Familienvaters. Es folgte der Aufstand von Knysna, die Rebellion der französischen Nationalmannschaft während der WM in Südafrika gegen den unbeliebten Trainer Raymond Domenech. Dies wurde als nationale Schande empfunden, die Franzosen fühlten sich belächelt von der Welt. Einer der Anführer war Franck Ribéry.

Die Franzosen lehnten Ribéry damals massiv ab. In einem Champions-League-Spiel bei Olympique Marseille, seinem alten Klub, wo sie ihn einst gefeiert und geliebt hatten, empfingen ihn die Leute mit Pfiffen und Schmähungen. Bei jedem Ballkontakt grölten sie ihren Unmut hinaus. Es war fürchterlich. Der merklich mitgenommene Ribéry machte sein vielleicht schlechtestes Spiel für den FC Bayern.

"Führungsspieler auf dem Platz"

Der Mann aus Boulogne-sur-Mer sprach anschließend davon, dass München und der FC Bayern nun seine neue Heimat, seine Familie seien. Hier erhielt er Zuspruch, hier fühlte er sich geliebt. Doch konnte das das Ende seines Verhältnisses zu Frankreich sein? Nein, Frank Ribéry kämpft weiter um die Anerkennung seiner Landsleute. Und wo sollte er kämpfen, wenn nicht auf dem Rasen?

Der neue Nationaltrainer Didier Deschamps hat das erkannt und ernannte ihn sogleich zum "Führungsspieler auf dem Platz", jedoch ausdrücklich nicht für das Drumherum. Ribéry dankte es mit enormem Einsatz in der WM-Qualifikation vor allem in der Relegation gegen die Ukraine. Die Weltmeisterschaft in Brasilien ist für ihn die große Möglichkeit, wenigstens den Knysna-Stempel loszuwerden.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Ribéry reagierte irritiert bis verärgert auf die Meldungen, dass sich Kollegen aus der Nationalmannschaft für Cristiano Ronaldo als Sieger bei der Weltfußballer-Wahl aussprachen. Und wenn es nicht nur um den Fußball geht, haben die Franzosen ohnehin immer noch Probleme mit ihrem Ribéry. Nach einer Umfrage im September für das Magazin France Football haben nur 29 Prozent der Landsleute ein gutes Bild von ihm. Nach einer anderen Umfrage für das Magazin Voici im Dezember ist Ribéry die drittunbeliebteste Persönlichkeit in Frankreich.

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