Foul an André Hahn:Wenn schon das Hinschauen wehtut

Fußball,Fussball,                       Fußball,Fussball,                       25.10.2015 1. Bundesliga, Saison 2015/2016 VFL Borussia Mönchengladbach Gladbach - FC Schalke 04

Schnell ein Arzt! Nach dem Foul an André Hahn (am Boden) winken die Gladbacher Hilfe herbei; Übeltäter Johannes Geis (rechts) ahnt wohl Schlimmes.

(Foto: Jürgen Fromme/firo Sportphoto)
  • Schalkes Mittelfeldspieler Johannes Geis kommt für sein schlimmes Foul am Angreifer der Borussia vergleichsweise glimpflich davon: Er wird fünf Spiele gesperrt.
  • André Hahn fällt monatelang aus.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Johannes Geis schaute elend drein, als er mit hängendem Kopf durch den Kabinentrakt des Borussia-Parks schlich. Der 22 Jahre alte Franke sah aus, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Vom Schalker Kollegen Roman Neustädter, einem ehemaligen Gladbacher, ließ sich Geis in die gegnerische Kabine geleiten, um sich bei André Hahn zu entschuldigen, doch dieser war bereits ins Krankenhaus gefahren worden. Geis verließ die Kabine mit Hahns Handynummer. Er wolle ihn anrufen, um sich zu entschuldigen.

Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte Geis nach dem Spiel eine ausführliche Entschuldigung, und viele der mittlerweile mehr als 4000 Menschen, die den Vorfall dort kommentiert haben, zollen Geis Respekt für seine Entschuldigung und seine demütige Haltung. Geis tut Buße, wo er nur kann, doch dem Mönchengladbacher Hahn, dem er am Sonntagabend mit dem ausgestreckten Bein eine Fraktur des Schienbeinkopfes und einen Riss des Außenmeniskus im linken Knie zugefügt hatte, hilft das aktuell auch nicht. Er wurde am Montagvormittag operiert und fällt für mehrere Monate aus.

Am Montagnachmittag ist Geis dann vom Sportgericht des Deutschen Fußball-Bunds wettbewerbsübergreifend für fünf Spiele gesperrt worden. Er darf also auch am Mittwoch im DFB-Pokal nicht mitspielen, wenn die Schalker daheim erneut gegen Mönchengladbach spielen.

Beim Urteil spielen immer auch die Vorstrafen eine Rolle

Beim Fußball passieren Fouls, die Fouls ziehen mitunter schwere Verletzungen nach sich, dieses Risiko wird allgemein akzeptiert. Doch das Foul, das Geis am Sonntag in der 80. Minute an Hahn beging, besaß eine Dimension, die es im bezahlten Fußball selten gibt. Hahn hatte sich im Mittelfeld einen hohen Ball bereits gesichert, Geis kam zu spät und drückte Hahn im Sprung mit dem gestreckten Bein die Sohle seines Stollenschuhs derart brutal aufs Knie, dass ein Fernsehkommentator entsetzt rief: "Er tritt ihm fast das Bein durch!" Berichterstatter, die sich auf der Pressetribüne hinter den Monitoren versammelten, um die Zeitlupe anzuschauen, verzogen unter Schmerz das Gesicht. Dieses Foul tat schon beim Zuschauen weh. Es gab keine offene Wunde wie damals in den Achtzigern bei Ewald Lienen, aber das Hinschauen war ähnlich schlimm.

Die bedrückende Szenerie während des Spiels bekam eine zusätzlich unangenehme Note dadurch, dass Schalker Fans den vom Feld getragenen Hahn mit "Auf Wiedersehen"-Rufen verspotteten. "Ach, wissen Sie", sagte Schalkes Manager Horst Heldt später auf eine diesbezügliche Frage, "wenn wir alle unangemessenen Reaktionen von Zuschauern zusammennähmen, dann wären die Stadien leer."

Es fehlt nun der Spieleröffner und Standardspezialist

Geis hatte zuvor in 93 Zweit- und Erstligaspielen für Fürth, Mainz und Schalke 14 gelbe Karten und nie einen Platzverweis kassiert. Über das Foul an Hahn schrieb er im Internet unter anderem: "Ich habe seine Bewegungen falsch eingeschätzt. Mir tut das sehr leid." Vom Verein erhielt Geis breite Unterstützung. "Das war seine erste rote Karte, es war unabsichtlich, er ist weggerutscht", sagte Heldt. "Johannes ist ein ganz fairer Sportsmann", sagte der Trainer André Breitenreiter. "Er ist einer der liebsten Spieler überhaupt", sagte der Torwart Ralf Fährmann.

Die Gladbacher bewerteten das Foul erwartungsgemäß anders. "Ein fieses Ding", nannte Manager Max Eberl die Aktion. "Die Verletzung überschattet alles", sagte Borussia-Trainer André Schubert über das 3:1 gegen Schalke, das für ihn als Interimstrainer den fünften Sieg im fünften Bundesligaspiel bedeutete. Unter Schubert ist Gladbach binnen fünf Wochen vom letzten auf den siebten Platz geklettert. Doch für diese Bilanz und für das vorangegangene Spiel interessierte sich kaum noch jemand. Am wenigsten die Gladbacher selbst.

Der Angreifer Hahn war erst kürzlich von einem Muskelfaserriss genesen, der ihn mehrere Wochen außer Gefecht gesetzt hatte. In den vergangenen Spielen hatte er sich zu Schuberts wichtigstem Einwechselspieler entwickelt und etwa beim 5:1-Sieg in Frankfurt mit zwei Treffern als effektiver Joker erwiesen. Neben Martin Stranzl, Patrick Herrmann und Nico Schulz ist Hahn derzeit der vierte Gladbacher, der längere Zeit ausfallen wird.

Geis wird außer dem Pokalspiel am Mittwoch auch die vier Bundesligaspiele gegen Ingolstadt, Dortmund, München und Leverkusen verpassen. In diesen Partien wird sich entscheiden, ob Schalke in der Spitzengruppe verbleiben kann. Geis als zentraler Spieleröffner und ausgewiesener Standardspezialist wird seiner Elf fehlen, doch die Strafe ist vergleichsweise milde ausgefallen. Der einstige Hamburger Paulo Guerrero wurde 2012 für ein Foul gegen den Stuttgarter Torwart Sven Ulreich acht Spiele gesperrt. Im selben Jahr erhielt der damalige Schalker Jermaine Jones für einen Tritt auf den Fuß von Marco Reus in einer Spielunterbrechung sechs Spiele Sperre. Und bei diesen beiden Fouls erlitten die Opfer keine schweren Verletzungen. Für den anklagenden Kontrollausschuss ist neben der "Schwere des Vergehens" aber immer die Frage, "ob Vorstrafen vorliegen". Und da besaß Geis eine weiße Weste.

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