Formel 1:Zwei aus einem Lauf

Die rivalisierenden McLaren-Mercedes-Teamgefährten Fernando Alonso und Lewis Hamilton kämpfen mit allen Mitteln um den Formel-1-Titel.

René Hofmann

Einen Zweikampf wie den zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso hat die Formel 1 lange nicht mehr hervorgebracht. Gerade zwei Punkte trennen die WM-Führenden drei Rennen vor Saisonschluss. Zwischen Michael Schumacher und Fernando Alonso ging es im vorigen Jahr auch eng zu. Aber damals fuhren die Rivalen für verschiedene Teams. Dieses Mal ist das nicht so - und das verleiht dem Gegeneinander besondere Würze. Wegen der Kenntnis von Ferrari-Details hat der Automobilweltverband das McLaren-Mercedes-Team aus der Konstrukteurswertung geworfen. Für Hamilton und Alonso geht es deshalb nur noch um den Fahrertitel. Und wie entschlossen die beiden hinter dem her sind, zeigte sich beim Großen Preis von Belgien am Sonntag schon in der ersten Kurve. Alonso drückte Hamilton geschickt von der Strecke. Der aber ließ sich nicht einschüchtern.

In der Anfahrt zur Eau Rouge - der größten Mutkurve im Formel-1-Kalender - setzte er sich mit Vollgas neben Alonso. Ein unbedachtes Zucken und beide wären wie Tiefflieger von der Piste geschossen. Weil Hamilton in der entscheidenden Tausendstelsekunde klug genug war und nachgab, ging alles gut. Am Ende wurde er Vierter und Alonso Dritter hinter den an diesem Tag im überlegenen Ferrari reisenden Kimi Räikkönen und Felipe Massa, was das Kräfteverhältnis in der Gesamtwertung aber nur zementierte. ,,Wenn hinterher noch alle acht Räder dran sind, ist es okay'', sagte Mercedes-Sportchef Norbert Haug über das Manöver, das wunderbar zeigte, was das Duell prägt: Alonso und Hamilton verfügen beide über außerordentlich viel Talent, sie sind beide außergewöhnlich zielstrebig, kaltblütig und clever.

Keiner gönnt dem anderen was

Hamilton beklagte sich nachher über die Aktion: ,,Das war nicht fair, sondern hart. Für einen jungen Fahrer wie mich, der zu einem zweimaligen Weltmeister aufschaut, hat er seine Vorbildfunktion nicht erfüllt.'' Aber das war ebenso Taktik wie Alonsos kühle Replik: ,,Ich hatte für eine Runde weniger Benzin, also musste ich vorne bleiben.'' Sich auch neben der Strecke geschickt zu positionieren, gehört beim Motorsport dazu. Seit 17 Jahren ist Norbert Haug Sportdirektor. Er hat einiges gesehen, aber schon lange keine so intensiv und mit allen Mitteln geführte Auseinandersetzung zwischen zwei Stallgefährten mehr. Um an Alonso vorbeizukommen, riskierte Hamilton in Spa beim ersten Boxenstopp ein Strategiespiel. Er ließ einige Liter mehr Benzin fassen als es Alonso getan hatte, was ihm die Chance gab, vor dem zweiten Halt ein paar Runden mehr zu drehen. Der Streich ging nicht ganz auf, zeigte aber deutlich, dass es zwischen den beiden wirklich zugeht wie im Mercedes-Werbespot: Noch nicht einmal auf dem Weg zum Parkplatz gönnt der eine dem anderen einen Meter Vorsprung. Ähnliche Manöver boten die beiden in diesem Jahr schon in Monaco und in Indianapolis.

,,Das ist wie bei Gewehrkugeln, denen kann man auch nicht sagen ,Kommt' langsam aus dem Lauf''', sagt Haug. Teamchef Ron Dennis nennt die beiden ,,starke Jungs'' und ,,ungemein motivierte Sportler''. Ihr Ehrgeiz habe die Atmosphäre im Team zwar erkalten lassen. Aber: ,,Ich habe das früher schon erlebt, und ich werde es auch dieses Mal überleben'', sagt Dennis. Seine Angestellten Alain Prost und Ayrton Senna beharkten sich einst auf ähnliche Weise - bis ins Kiesbett hinein. Dass es zwischen Alonso und Hamilton zum Crash kommt, ist wegen der Konstellation im Fahrerklassement unwahrscheinlich. Ihr Vorsprung vor den Ferrari-Piloten ist zwar komfortabel, aber nicht groß genug, um einen Ausfall riskieren zu können.

Räikkönens Chance

Gehen die verbleibenden drei Rennen in Japan, China und Brasilien so aus wie das am Sonntag, wird am Ende doch noch Räikkönen Weltmeister. Es ist wirklich eine besondere Situation. Sie erinnert an die zwischen Nigel Mansell und Nelson Piquet. Als die beiden Ende der achtziger Jahre für Williams fuhren und mit wenigen Punkten Unterschied zum entscheidenden Rennen kamen, ließ der Brasilianer einmal sogar extra das Klopapier aus der Teamtoilette verschwinden - um dem an Durchfall leidenden Mansell eins auszuwischen.

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