Formel Zoff:Zwei-Klassen-Gesellschaft

Ecclestones Sparplan: Er will günstigere Achtzylinder-Spritfresser gegen die Hybrid-Renner fahren lassen.

Von Elmar Brümmer, Mexico City

Bernie Ecclestone, 85, und Jean Todt, 69, verbindet eine Beziehung, die in etwa so herzlich sein dürfte wie die zwischen Formel-1-Champion Lewis Hamilton und seinem Mercedes-Gegenspieler Nico Rosberg. Nur dass es den Rivalen neben der Rennbahn nicht um Titel, sondern vorranging um Macht geht, vielleicht sogar noch vor dem Geld. Wenn der Vermarkter der Weltmeisterschaft und der Präsident des Automobilverbandes vor dem Großen Preis von Mexiko gemeinsame Sache machen, dann ist daraus abzuleiten, dass die letzten fünf Wochen einer schon entschiedenen Rennsaison doch noch ziemlich spannend werden könnten.

Im Zwist um die Motoren der Formel-1-Boliden gilt plötzlich wieder die Umkehr der erfolgreichen Vermarktungs-Formel. Nun heißt es wieder: Maschine vor Mensch. Und die Luft dabei ist so dünn wie im 2285 Meter hoch gelegenen Autodromo Hermanos Rodriguez beim Großen Preis von Mexiko an diesem Wochenende. Das kann die Aggregate in den Rennwagen leicht überhitzen lassen, wozu Ecclestones provokantes Zitat passt: "Wenn ich auf die Geschichte zurückblicke, muss ich sagen, dass dieser Antrieb für das größte Problem sorgt, dass die Formel 1 jemals hatte."

Das jedoch ist nicht auf das Comeback des Rennens in Mexiko-Stadt gemünzt, sondern jener Sehnsucht geschuldet, die der Brite hegt, seit sich die Formel 1 auf die Höhe des Zeitgeistes begeben hat und auf Hybrid-Turbomotoren setzt, wie sie auch bei Serienfahrzeugen Trend werden. Ecclestone würde dagegen lieber wieder die Technik seiner besten Jahre einführen - laut, überdimensioniert, spritschluckend.

Der Faktor Geld bringt sogar die Erzrivalen Ecclestone und Todt zusammen

Ecclestones Druckmittel auf die Rennställe ist aber keineswegs sein historisches Bewusstsein. Er setzt schlichtweg auf den Faktor Geld. Genau damit konnte er auch den eigentlichen Hybrid-Befürworter Todt zu einem Bündnis bewegen. Die aktuellen hochkomplexen Antriebsstränge der Automobilhersteller, die alle nicht Werks-Teams leasen müssen, sind eben auch entsprechend teuer, bis zu 20 Millionen Euro pro Saison.

Dazu kommt, dass der für die Vermarktung und den Bestand der Rennserie wichtige Red-Bull-Rennstall nach seinem Zerwürfnis mit dem Lieferanten Renault ohne Aggregat dasteht und seither überall betteln gehen muss. Das hat freilich keine finanziellen Gründe, nur wettbewerbstechnische: Ferrari und Mercedes wollten nicht die Konkurrenz stark machen. So wurde aus dem verfehlten Poker des Getränkekonzerns im Zusammenspiel mit Ecclestone ein Grundsatzproblem konstruiert: Der Formel 1 gehen die Motoren aus.

Das rief Jean Todt wieder auf den Plan, der seit Jahren eine Kostenreduktion verspricht, aber aufgrund der komplizierten Vertragslage in der Formel 1 nicht gegen den Rechteinhaber CVC, der von Ecclestone vertreten wird, durchsetzen kann. Doch plötzlich kommt zusammen, was sich eigentlich widerspricht. So bilden Ecclestones Träume von herkömmlichen Achtzylindern und Todts Sparkommissariat eine ungewöhnliche Allianz: Demnächst soll eine Ausschreibung erfolgen, nach der ein unabhängiger Konstrukteur (wie die bekannten Motorenschmieden Cosworth oder Ilmor) Kundenaggregate zu einem Fixpreis von etwa sechs Millionen Euro anbieten soll. Das wäre etwa ein Drittel der bisherigen Leihaggregate auf Hybrid-Basis. Alles zum Wohle des Sports?

Das Samaritertum aber hält sich in Grenzen

Die beiden Regenten veranstalten in Mexiko ein Wettrennen um die Gunst. Ecclestone hemdsärmelig wie immer, Todt so staatsmännisch, wie er sich so gern sieht. Das Samaritertum aber hält sich in Grenzen. Dahinter steckt vor allem der Versuch, sich der Einflussnahme von Konzernen wie Ferrari, Mercedes, Renault oder Honda zu entziehen, denen sich Ecclestone wie Todt derzeit ausgeliefert fühlen. Es ist eine alte Grundsatzkritik in der Formel 1, dass die Werke die kleinen Teams durch ihren hohen Finanzeinsatz zur Chancenlosigkeit treiben und dann häufig schneller aussteigen als sie gekommen sind. Dagegen spricht momentan allerdings, dass sich die Top-Teams bis 2020 zur Teilnahme verpflichtet haben, sonst würden Strafen in Höhe von angeblich einer halben Milliarde Euro drohen. Mercedes-Sportchef Toto Wolff hofft immer noch auf einen Kompromiss: "Die Formel 1 ist eine Plattform, die für uns alle funktionieren muss - für Große wie Kleine."

Den plötzlich hervorgeholten Plan einer Alternativ-Formel soll Ferrari ausgelöst haben, jedenfalls wird das vom Weltverband so dargestellt. Denn die Scuderia hatte beim jüngsten Treffen der Formel-1-Kommission gegen die Festsetzung fixer Höchstpreise für Hybridmotoren Protest eingelegt. Ferrari hat ob seiner Verdienste traditionell ein Vetorecht, auch eine der Einmaligkeiten in diesem Sport. Es soll um eine Halbierung der Raten gegangen sein, aber die Italiener wollen sich ihre Preispolitik nicht vorschreiben lassen. Daraufhin fuhr die FIA, natürlich streng moralisch, ihren Konter mit einer Ausweitung, man könnte auch sagen: Aufweichung des Reglements.

Die Konsequenz daraus wäre, dass sich die Formel 1 von 2017 an in zwei Klassen spaltet - die über entsprechende Reglementeinschränkungen wieder in einem Rennen zusammengeführt werden müssen. Es würden Werks-Teams mit Hybrid-Aggregaten gegen Kundenteams mit günstigen Spritschluckern gegeneinander fahren. Als wenn der Grand-Prix-Sport nicht schon heute zu kompliziert wäre. Ferrari und Mercedes können sich das kaum bieten lassen, sie halten die unorthodoxe Vorgehensweise für extrem kurzsichtig. Aus dem Frust wird schnell ein Zwist werden, denn was wäre ein Sieg mit einem Hybrid-Motor dann noch wert? Oder, schlimmer noch, wie schwer würde eine Niederlage gegen einen herkömmlichen Billigmotor wirken? Vielleicht ist die Alternativ-Formel auch nur eine veritable Drohgebärde. Die Weltmeisterschaft ist zwar gelaufen, aber die Formel Zoff beginnt gerade wieder neu.

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